„Desinteresse der Bevölkerung an Klimafolgen ist ein Problem“: Axa nimmt Branche in die Umweltpflicht

"Mann muss mit Unsicherheiten leben.; Nils Reich AXA, Quelle: Unternehmen.

Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung stuft laut Future Risk Report von Axa den Klimawandel als wichtigstes künftiges Risiko ein. Und das, obwohl sich laut derselben Befragung ein Drittel der Bevölkerung gar nicht durch den Klimawandel beeinträchtigt fühlt. Dieser und anderen Fragen ging gestern eine Expertenrunde im Rahmen des 2. Axa Science Talk zum Thema Extremwetter nach.

Der Klimawandel beeinflusst unser Wetter mehr und mehr. „Schon 1990 gab es Prognosen für das Jahr 2020, die mehr Wasser und mehr Dürre für unsere Breiten vorhersagten“, erklärte ARD-Moderator und Meteorologe Sven Plöger. „Mithilfe der Zuordnungsforschung können wir ermitteln, welchen Anteil der Klimawandel an der Wahrscheinlichkeit von eingetretenen Unwettern hat. Der Wert schwankt zwischen 1,2 und 9, wobei schon der Wert 1,2 einen Anteil von 20 Prozent bedeutet. Das heißt, wir Menschen sind mindestens zu 20 Prozent an jedem Unwetter beteiligt.“ Auch der Wissenschaftler und Professor am Karlsruher KIT-Zentrum Klima und Umwelt, Joaquim Pinto, bestätigte den Einfluss des Klimawandels auf das Wetter, wobei aus wissenschaftlicher Sicht vor allem der Zusammenhang zu häufigen und langen Hitzewellen sowie zu Starkregen nachgewiesen ist. Das Sturmgeschehen sei dagegen in den letzten 20 Jahren nicht besonders ausgeprägt. „Eine wärmere Atmosphäre kann eindeutig mehr Feuchtigkeit speichern, was zu mehr Regen führt“, erklärte er. Je wärmer es werde, desto stärkere Niederschläge gebe es. Das sei nachgewiesen. Und Plöger ergänzte: „Ein Grad mehr macht sieben Prozent mehr Wasserdampf in der Atmosphäre aus.“

Mehr Elementar-Verträge nach „Bernd“

Dass dennoch ein Drittel der Bevölkerung keine Auswirkungen des Klimawandels auf sich selbst sieht, sei ein großes Problem, fügte Christina Feldges an, bei Axa Expertin für die Sach- und Elementarschadenversicherung. Nicht zuletzt deshalb, weil infolgedessen nur 46 Prozent der Gebäude hierzulande gegen Elementarschäden versichert sind. „Vielen Kunden ist auch nach ‚Bernd‘ offenbar nicht bewusst, dass Starkregen auch abseits von Flüssen zu heftigen Überschwemmungen führen kann“, bemängelt sie. Ganz ohne Wirkung ist das sommerliche Unwetter dennoch nicht geblieben: Allein im dritten Quartal dieses Jahres kamen 400.000 neue Verträge in der Branche hinzu; laut Feldges 4- bis 5-mal so viel als normal. „Wir müssen als Versicherer deutlich mehr tun“, ist sie sicher.

Verständnis für Risiken erzeugen

Um die Auswirkungen solcher Ereignisse zu reduzieren, müssten sowohl Bevölkerung als auch Behörden langfristig besser vorbereitet sein, meinte Plöger. Das beginne neben einer entsprechenden Versicherung auch damit, dass genau überlegt wird, wo und wie gebaut wird. Es gehe aber auch darum, wertvolle Dinge nicht im Garten herumliegen zu lassen, sondern ständig sicher unterzubringen. Kurz vor einem Ereignis können Meteorologen zwar Vorhersagen machen, aber nicht auf den Kilometer genau. Mit dieser Unsicherheit müsse man leben und entsprechend großflächige Vorbereitungen treffen. „Wir Meteorologen waren überrascht, in welcher Art durch ‚Bernd‘ alle bisherigen Rekorde praktisch pulverisiert wurden“, erläuterte er. Für Versicherer sei es aufgrund der Größe der Versicherungsgruppen möglich, ein treffsicheres Modell für derartige Risiken zu entwickeln, machte Axa-Sachversicherungsvorstand Dr. Nils Reich deutlich. „Unsere Aufgabe ist es, das relativ abstrakte Risiko unseren Kunden zu vermitteln und Verständnis für Vorsorge zu entwickeln – und zwar überall in Deutschland.“ Dafür müsse das Zusammenspiel zwischen Politik, Wissenschaft, Medien und Versicherern noch besser funktionieren. Es müsse beispielsweise jedem Menschen klar sein, bei Starkregen nicht in den Keller zu gehen oder noch schnell das Auto umzuparken. „Kämpfen Sie im Ernstfall nicht um Gegenstände, sondern bringen Sie sich selbst in Sicherheit“, mahnte er.

Ziel sind 100 Prozent

Eine Pflichtversicherung lehnte er ab. „Das ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit, weil es anders als etwa bei der Kfz-Haftpflicht nur um das eigene Eigentum geht, nicht um das anderer Menschen“, verdeutlichte er. Es gebe zudem andere, niedrigschwelligere Möglichkeiten, wie etwa Elementarschäden standardmäßig in Gebäudeversicherungsverträge einzuschließen, mit der Option, diesen Schutz aktiv auszuschließen. Eine Pflichtversicherung könnte zudem dazu führen, dass bestimmte Risiken subventioniert werden. Ziel von Axa sei, den gesamten Gebäude-Bestand mit Elementarschutz auszustatten.

Der Future Risk Report von Axa kann hier abgerufen werden.

Autor: Elke Pohl