Sprache im Top-Management: Wie viel „Bullshit“ verträgt die Versicherungsbranche?

Laut Autor Jens Bergmann helfe „Bullshit“ z.B. dabei, Geschäftigkeit vorzutäuschen. Bildquelle: athree23 auf Pixabay

In seinem aktuellen Buch beschreibt Jens Bergmann, seit 2017 stellvertretender Chefredakteur des Magazins Brand Eins, den Reiz des „Business Bullshit“. Nach Angaben des Autors handelt es sich dabei um einen inhaltsleeren und irreführenden Jargon, der dennoch attraktiv sei. Manager benutzen ihn ebenso wie Politiker, Wissenschaftler – oder Journalisten. Auch in der Versicherungswirtschaft werden die nebulösen Schlagworte gerne genutzt.

Bullshit, zu Deutsch Sprachmüll. „Geprägt haben den Begriff britische Soldaten im Ersten Weltkrieg, um sich über Befehle ihrer Offiziere lustig zu machen, die großen Wert auf Äußerlichkeiten wie perfekt sitzende Uniformen und auf Hochglanz gewienerte Schuhe legten – selbst wenn derartiger Drill von überlebenswichtigem militärischem Training abhielt“, schreibt Bergmann.

Mit einem Augenzwinkern, aber auch viel Wahrheit hinterfragt der Autor in seinem Buch „Business Bullshit“ die Sprache in Management- und Wirtschaftswelt. „Bullshit habe zwar kaum Substanz – so wie Exkremente, denen, falls alle Nährstoffe entzogen sind –, aber zahlreiche Funktionen, die ihn nützlich und attraktiv erscheinen lassen.“

Laut Bergmann hilft Bullshit dabei, sich wichtig zu machen. Weil häufig niemand die Mühe auf sich nehme, nachzufragen oder zu widersprechen, komme der „Bullshitter“ mit dem Bluff durch. Wer kennt das nicht?

Gerade Berater, „Coaches oder Speaker“, seien im Bullshit-Business tätig. Großen Erfolg hätten beim Handel mit leeren Worten Seminare, Workshops, die Managern Führungskompetenz vermitteln sollen.

Interessant ist die Bemerkung Bergmanns, dass Bullshit besonders konsensfähig sei. „Da die Bedeutung der einschlägigen Buzzwords nebulös bleibt, können sich viele darauf einigen. Diese ‚unerklärbare Unklarheit‘, so der Sozialphilosoph Gerald A. Coher, immunisiert Bullshit auch gegen Einwände – es ist schwierig, einen Pudding an die Wand zu nageln.“

Auch helfe „Bullshit“ zum Beispiel dabei, Geschäftigkeit vorzutäuschen. „In der heutigen Arbeitswelt ist rastlose Aktivität angesagt. Offenkundiger Leerlauf, gründliches Nachdenken ohne powerpoint-taugliches Ergebnis oder gar Mußestunden sind verdächtig. Die Produktion, Konsumption und Distribution von Business Bullshit sind probate Mittel, um ‚busy‘ zu erscheinen.

Die Überfrachtung des Wirtschaftslebens mit unrealistischen Ansprüchen spiegele sich nicht zuletzt in den Stellenanzeigen wider. Darin schmückten Unternehmen auch anspruchslose Jobs in den schönsten Farben aus. Umgekehrt würden die Aspiranten mit dem gesamten Arsenal der heute gewünschten „Social Skills“ aufwarten: Von „Teamfähigkeit“ über „Kreativität“ bis hin zur „Resilienz“. „Wer solche Blasen und Phrasen ernst nimmt, ist selbst schuld. Das gilt generell für Business Bullshit“, schreibt der Autor, selbst Journalist und ausgebildeter Psychologe.

Ein Auszug der Bullshit-Begriffe, die auch in der Versicherungsbranche gerne genutzt werden: Agilität, Mindset, Change-Prozess, Performance, Künstliche Intelligenz, Benchmarking, CEO, CFO, CHRO, CMO, CTO, CDO, Mover and Shaker, Pitch, Keynote u.v.m.

Ganz ehrlich, könnten Sie in der heutigen Geschäftswelt darauf verzichten? Oder sich einen Manager vorstellen, der diese Begriffe vollständig umkurvt? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem animiert das Buch zur Selbstreflexion.

Autor: Michael Stanczyk

Ein Kommentar

  • Ganz toller Vorspann.
    Auch helfe „Bullshit“ zum Beispiel dabei, Geschäftigkeit vorzutäuschen. “In der heutigen Arbeitswelt ist rastlose Aktivität angesagt. Offenkundiger Leerlauf, gründliches Nachdenken ohne powerpoint-taugliches Ergebnis oder gar Mußestunden sind verdächtig. Die Produktion, Konsumption und Distribution von Business Bullshit sind probate Mittel, um ‘busy’ zu erscheinen.
    Trifft den Nagel auf den Kopf.

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