R+V über deutsche Furcht: Angst ums Geld grassiert

Die Deutschen haben in diesem Jahr vor allem Geldsorgen. Quelle: Bild von Anemone123 auf Pixabay

Nach ihren schlimmsten Ängsten befragt, reagieren die Deutschen sehr materiell. Abbau des Corona-Schuldenberges des Staates inklusive Steuererhöhungen, steigende Lebenshaltungskosten und Haftung für die EU-Schuldenkrise nehmen bei der gestern in Berlin vorgestellten – übrigens 30. Umfrage der R+V Versicherung „Die Ängste der Deutschen“ die ersten drei Sorgen-Plätzen ein.

Das Thema Schuldenberg durch Corona und die dadurch befürchteten Steuererhöhungen und Leistungskürzungen ist die absolute Angst Nummer eins in diesem Jahr – und ganz neu (53 Prozent). Das sei nicht verwunderlich, wie Manfred Schmidt vom Institut für Politische Wissenschaft der Uni Heidelberg und langjähriger Begleiter der Studie „Die Ängste der Deutschen“ betont. „Wir haben den Bereich der schwarzen Null verlassen und die Schuldengrenze längst überschritten und die Politik macht einen Bogen um das Thema“, begründet er die Sorge. Die neue Bundesregierung habe drei Alternativen, um die Sache in den Griff zu bekommen: Steuererhöhungen, Leistungskürzungen oder eine Grundgesetzänderung, die die Schuldengrenze nach oben setzt. Da Letzteres kaum durchsetzbar sei, hält er die Befürchtungen der Deutschen für absolut real und berechtigt. Das betrifft auch die Sorge vor steigenden Preisen und Inflation (50 Prozent). Auch das sei bereits Realität. „Preisstabilität ist ein hohes Gut der Deutschen, was sich in vielen Langzeitstudien verdeutlicht“, erklärt Schmidt. „Nach der Euroeinführung schnellte die Angst – berechtigt – in die Höhe und lag viele Jahre auf Platz eins. Corona hat diese Befürchtung wieder in den Fokus gerückt.“

Quelle: R+V Versicherung

Klimawandel nicht unter den absoluten Top-Ängsten

Zu den großen Ängsten zählt auch weiterhin die Zuwanderung. So denken 45 Prozent der Befragten, dass der Staat mit dem Flüchtlingsthema überfordert ist, und 42 Prozent ist bang, wenn sie an mögliche Spannungen durch den Zuzug von Ausländern denken. Dabei sei die Zuwanderung in diesem Jahr vergleichsweise gering, wie Schmidt betont. „Doch allen Parteien hängt das Jahr 2015 und die Flüchtlingskrise wie ein Mühlstein um den Hals“, mutmaßt er. Wenn die EU bei der Flüchtlingswelle aus Afghanistan nicht mitziehe, werde Deutschland erneut zu einem Magnet für Flüchtlinge, so seine Prognose. Anders als man eigentlich vermuten müsste, ist das Thema Naturkatastrophen und Klimawandel zwar präsent, aber bringt die Deutschen weniger um den Schlaf als Geldsorgen. Mit 41 Prozent liegt die Furcht vor Wetterextremen auf Platz acht, die vor dem Klimawandel mit 40 Prozent auf Platz elf.

„Die Unwetter im Juni haben die Ängste nicht geschürt, obwohl schon zu dieser Zeit Starkregen, Sturm und Hagel in vielen Teilen Deutschlands schwere Schäden anrichteten.“

Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters

Zwar stiegen diese Zahlen nach der Unwetterfront „Bernd“ vom Juli bei einer erneuten Umfrage auf 69 Prozent (Wetter) und 61 Prozent (Klima) an. Doch, ob dieser „Schock“ lange anhält, bezweifelt Schmidt. „Vor allem seit sichtbar ist, was der Kampf gegen den Klimawandel jeden einzelnen von uns kosten wird, geht die Identifikation mit dem Thema deutlich zurück.“ Wenn der nächste Schock ausbleibe, würde auch die Angst zurückgehen, ist er überzeugt.

Optimismus bei Wirtschaftslage

Erstaunlich ist, dass die Angst vor der Überforderung der Politiker mit 41 Prozent und Platz neun fast auf einem historischen Tiefstand ist. Nur im letzten Jahr fürchteten sich weniger (40 Prozent) Menschen davor. Im vergangenen Wahljahr 2017 hatten noch 55 Prozent der Leute Sorge um die Kompetenz der Politik. Insgesamt sei aber eine Note von 3,8, wie sie die Befragten den Politikern im Schnitt gaben, „kein Ruhmesblatt“, wie Schmidt betonte. Das Renommee der Politik sei seit Jahr und Tag nicht gut. Vielleicht werde in diesem Jahr ihr Krisenmanagement und die Tatsache, dass Deutschland glimpflich durch die Coronakrise gekommen ist, positiv angerechnet. Im Vergleich zum Vorjahr fällt auch auf, dass die gefühlte Bedrohung durch eine verschlechterte Wirtschaftslage deutlich um acht Prozent abgenommen hat und mit 40 Prozent auf Platz zehn kommt. „Der wirtschaftliche Aufschwung schürt den Optimismus der Menschen“, urteilt Schmidt.

Die Aussicht, weiter ohne Rezession durch die Krise zu kommen, hänge allerdings davon ab, dass es keinen erneuten schweren Lockdown gibt und dass die neue Regierung von der Wirtschaft nicht als Bedrohung wahrgenommen wird, wie er es formulierte. Das Thema Digitalisierung bzw. die Sorge davor, dass Deutschland hier international abgehängt wird, landet mit 38 Prozent auf Platz zwölf. Auch diese Befürchtung bezeichnet Schmidt als real, da Deutschland nicht nur gegenüber den skandinavischen Ländern, sondern vor allem gegenüber den USA und China immer mehr ins Hintertreffen gerate. „Wir sind viel zu langsam, zu schwerfällig und zu sparsam“, bemängelt er. „Was wir brauchten, wäre ein eigenes Ministerium, das kompetent ist, Geld in die Hand nimmt und Bürokratie abbaut.“ Wie auch in der Bildungspolitik kranke man in erster Linie an der „Schwerbeweglichkeit des Föderalismus“.

Autorin: Elke Pohl

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