Von Tankern zu digitalen Schnellbooten: Wie Versicherer von Open Insurance und Insurtechs profitieren können

Quelle: Bild von Frank Gayde auf Pixabay

Bisher gilt die Versicherungsbranche als träge in Bezug auf die Digitalisierung ihrer Prozesse und Endkundenorientierung. Es gibt Aufholbedarf – Kunden erwarten integrierte, personalisierte und einfache Produkte und Services. Inmitten dieser digitalen Kundenrevolution kommen nun auch noch InsurTechs als kleine, agile Player auf den Markt, die die Riten der großen Versicherer nicht akzeptieren und damit mächtig an deren Marktmacht rütteln! Ein Gastbeitrag.

Was tun? Berücksichtigt man die Erfolge von Open Banking, ist der Ansatz von Open Insurance vielversprechend. Durch die Öffnung des eigenen Geschäftsmodells für InsurTechs und andere Player haben Versicherer die Möglichkeit, die Wertschöpfung anzureichern und dabei ein Ökosystem aufzubauen, das den Kunden in den Mittelpunkt aller Aktivitäten stellt.

Open Insurance – die Theorie 

Durch das aktive Öffnen der Datenschnittstelle zu anderen Marktteilnehmern wie Corporates, Start-ups (insbesondere InsurTechs) und Communitys können innovative Kundenangebote, Applikationen, neue Vertriebs- oder gar neue Geschäftsmodelle gestaltet werden. Musste früher ein hoher administrativer und langwieriger Aufwand zwischen den Partnern stattfinden, können heute auf Basis integrierter, digitaler Schnittstellen (sogenannte APIs) nahtlose Kundenerlebnisse gestaltet werden.

Während sich bei Open Banking eine Standardlösung etabliert hat, ist dies im Versicherungsbereich noch nicht der Fall. Daher wird nachfolgend aufgezeigt, wie Versicherer den Mehrwert von InsurTechs für sich bewerten können und welche InsurTech-Player es gibt, um ein erfolgreiches Ökosystem aufzubauen.

Open Insurance – die Praxis

Schon längst ist Open Insurance kein theoretisches Modell mehr. InsurTechs sind für Versicherer eine attraktive Möglichkeit, kundenzentrierte, transparente und schnelle Ökosysteme aufzubauen. Doch welche für Open Insurance relevanten Typen von InsurTechs gibt es?

Auf der ersten Ebene lassen sich Supporter von Challenger unterscheiden. Die Supporter bieten Lösungen an, die das Leben aller Versicherungsakteure einfacher machen. Dabei können zwei Arten von Supportern unterschieden werden: Enabler und Distributors.

Enabler sind spezialisierte, digitale Service Provider, die Lösungen entlang der ganzen Wertschöpfungskette anbieten. Als „Lotsenboote“ können sie die großen „Versicherungstanker“ in den Hafen der agilen Produkt- und Prozessinnovationen begleiten. Beispielhaft seien hier Data Analytics und Customer Relationship Management aufgeführt. Auf Basis von internen und externen Datenquellen wird die Kundenzufriedenheit durch stark personalisierte Angebote und verbesserte Schadensabwicklungen erhöht. KPIs auf die eingezahlt werden, sind die Reduktion der Churn Rate, Erhöhung des NPS (Net Promoter Score) und die Schnelligkeit der Schadensabwicklung.

InsurTech-Beispiel: Peregrine Technologies hat sich auf die Auswertung von Datensätzen aus Verkehrsvideos spezialisiert und bietet die Wissensbasis für nutzungsbasierte Versicherungen, Flottenversicherung und Betrugserkennung an.

Distributors werden als unabhängige Entitäten im Markt gesehen. Prominente Vertreter sind Vergleichsplattformen, deren Mission es ist, Transparenz und damit Vertrauen bei den Endkunden zu schaffen. Das ist wiederum spannend für die Versicherer, da sie dadurch ihr bestehendes Vertriebsnetz um einen hochrelevanten, digitalen Kanal erweitern können.

InsurTech-Beispiel: VorsorgeKampagne ist ein InsurTech und bietet einen Tarifvergleich für Altersvorsorgeprodukte ohne Provision. Die Nutzer erhalten Informationen zu Vorsorgeprodukten und werden auf Wunsch auch persönlich beraten.

Challenger sind eigene Anbieter von Versicherungsprodukten. Sie wollen nichts Geringeres erreichen als die derzeitige Bürokratie im Versicherungsmarkt durch Einfachheit, Transparenz und Convenience zu ersetzen. Ihr Credo ist: Versicherungen sollen so einfach sein, dass sich Endkunden auf die schönen Dinge im Leben fokussieren können.

Für Versicherungen ist das eine „Liebe auf den zweiten Blick“: Stellen Disruptoren auf den ersten Blick eine direkte Konkurrenz gerade bei Millennials dar, können sie bei genauerer Betrachtung eine sinnvolle Ergänzung des eigenen Portfolios darstellen – Co-opetition ist hier das Stichwort.

InsurTech-Beispiel: Das InsurTech Hepster bietet situativen Versicherungsschutz für Sport- und Elektronikequipment sowie anpassbare Reiseversicherungen. Die Versicherung wird als Lifestyle-Produkt inszeniert und hat einen starken Fokus auf Fahrradversicherungen. Daneben bietet Hepster passgenaue Lösungen für Versicherungen an, die in die jeweiligen Vertriebssysteme eingebettet werden – diese gehen von der Entwicklung innovativer Versicherungsprodukte, über eine skalierbare API-Einbindung, bis hin zur Erstellung von White-Label-Portallösungen für Agenturen.

Open Insurance als Wegweiser

Integrative Digitalisierung macht auch vor der Versicherungsbranche keinen Halt. Open Insurance und InsurTechs stellen schon lange keine wenig ernst genommene Mode-Erscheinung oder bloße Buzzwords mehr dar. Hierbei ist es aber wichtig zu verinnerlichen, dass Open Insurance aber auch nicht nur Technologie und moderne API ist, sondern vielmehr ein Mindset im Unternehmen erfordert, welches das Öffnen nach außen nicht nur duldet, sondern gezielt fordert und fördert.

Die bewusste Auseinandersetzung mit und die Integration von InsurTechs bietet Versicherern dann die Möglichkeit, ihre derzeitigen digitalen Schwachstellen zu beheben sowie ihr Geschäftsmodell auf neue Kundengruppen zu erweitern und die Zukunft auszurichten.

Autoren: Katja Krämer – Digital Business Development Lead Insurance & Retail (Cognizant Technology Solutions GmbH), Aline Hamm – Consultant at Cognizant Consulting Insurance (Cognizant Technology Solutions GmbH), Robert Rieckhoff – Leiter Prozesse, Organisationsentwicklung & neue Geschäftsmodelle, Versicherungsforen Leipzig GmbH

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