Pandemiekrise: Schweizer Versicherer fordern öffentlich-private Partnerschaft

Quelle: Bild von Erich Westendarp auf Pixabay

Rund eine Milliarde Schweizer Franken (etwa 900.000 Mio. Euro) an Schadenzahlungen haben die Privatversicherer der Schweiz im vergangenen Jahr allein aufgrund der Corona-Pandemie geleistet, erklärte auf der gestrigen Jahrespressekonferenz des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) deren Präsident Rolf Döring. Dabei sei klar geworden, dass Groß- und Kumulrisiken dieser Art privatwirtschaftlich nicht oder nur schwer versicherbar sind.

Das betreffe nicht nur Pandemien, sondern auch Naturkatastrophen infolge des Klimawandels und globale Cyberattacken. Thomas Helbling, Direktor des SVV, betonte, dass die meisten Schäden in den Bereichen Betriebsunterbrechung auftraten, daneben aber auch die Reise-, Rechtsschutz- und Kreditversicherung stark betroffen waren. Im Kfz-Bereich ging die Schadenquote im Frühjahr 2020 zwar zurück, liegt aber mittlerweile wieder im langjährigen Schnitt. Um mehr als 200 Prozent stiegen die Cyberschäden an. „Cyberkriminelle profitieren davon, dass die Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten“, erklärte er.

Insgesamt zieht er das vorläufige Fazit, dass die Schadenaufwendungen im Rahmen der Corona-Krise nicht durch Rückgänge in einzelnen Sparten wie der Unfallversicherung aufgewogen werden können. Es wird mit deutlichen Gewinnrückgängen gerechnet. Dennoch werde man den Kunden Planungssicherheit geben. „Die Prämien in sämtlichen Versicherungszweigen beruhen auf langfristigen Entwicklungen und sollten folglich auch nicht beim Eintritt eines Ereignisses reflexartig adaptiert werden.“

Allerdings könne man auch das System, auf dem das Versicherungsgeschäft beruht, in der Krise nicht einfach aus den Angeln heben. „Die Versicherer können grundsätzlich keine Schäden decken, für die sie keine Prämie eingenommen haben“, unterstrich Helbling. „Aber sie können im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Kunden entgegenkommen, insbesondere den von der Krise betroffenen KMU, was sich auch machen.“

Versicherung mit staatlicher Rückversicherung

Eine Risikopartnerschaft für Großrisiken forderte SSV-Vorstand Juan Beer, CEO der Zurich Schweiz. Nach seiner Einschätzung fehlen bei Pandemien wesentliche Grundsätze der Versicherbarkeit, wie die Berechnung des Schadenausmaßes, die Handhabung des Kumulrisikos und vor allem die Risikodiversifizierung. Daher halten die Versicherer es für erforderlich, eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen Versicherungsindustrie und Bund zu schaffen, die in den vergangenen Monaten bereits intensiv diskutiert wurde.

„Unsere Hauptbotschaft an die Regierung ist, dass die Versicherungsindustrie bereit ist, einen wichtigen Beitrag für den zukünftigen Umgang mit Pandemien zu leisten“, versichert er. Im Zentrum stehe eine Versicherungslösung mit staatlicher Rückversicherung. „Wegen der Grenzen, an die die Versicherer im Pandemiefall stoßen, braucht es für die Bewältigung ebendiesen öffentlich-privaten partnerschaftlichen Ansatz mit der öffentlichen Hand“, so Helblings Forderung. „Die Privatversicherer übernehmen einen Teil der Schadenlast, den Rest übernimmt der Staat.“

Mit Expertise, Infrastruktur und Kundenbeziehungen vor allem im Schadenprozess könne man zur Lösung des Problems beitragen. Dabei können Anspruchsberechtigte gezielt ermittelt werden, sodass die Entschädigung bekommen, die es auch wirklich brauchen. „Das ist der große Vorteil einer auf Solidarität basierenden Versicherungslösung gegenüber einer Verteilaktion nach dem Gießkannenprinzip im Nachhinein“, so sein Standpunkt.

Kostenwachstum der Krankenversicherer gedrosselt

Speziell auf die Auswirkungen von Corona auf die Schweizer Krankenversicherer ging Philomena Colatrella ein, ebenfalls SVV-Vorstandsmitglied und Vorsitzende der Geschäftsleitung CSS-Versicherung. Die Schweizer Krankenversicherer, betonte sie, sind systembedingt schuldenfrei und solide aufgestellt. „Für die durch Corona entstandenen Mehrkosten können wir auf Reserven zurückgreifen, die wir für genau solche Szenarien gebildet haben“, machte sie deutlich.

Obwohl noch nicht alle Daten vorliegen, haben Schweizer Krankenversicherer laut CSS-Institut für empirische Gesundheitsökonomie in der Grundversicherung 47 Mio. Franken für stationäre Bruttoleistungen ausgegeben, in der Zusatzversicherung rund 7,7 Mio. Franken. Dazu kommen 6,5 Mio. Franken für Tests, die allerdings seit Sommer 2020 vom Bund bezahlt werden.

Das im März 2020 veranlasste Verbot von Wahleingriffen in Krankenhäusern hat nur für wenige Wochen zu einem Kostenrückgang geführt. „Trotzdem scheint die Pandemie das Kostenwachstum, das im langjährigen Mittel bei rund vier Prozent liegt, wohl etwas gedrosselt zu haben“, fasste sie zusammen. Unklar seien hingegen die mittel- bis langfristigen Folgen, etwa die sogenannten Long-Covid-Erkrankten. Auch die psychischen Folgen wegen sozialer Isolation oder wirtschaftlicher Probleme seien noch nicht absehbar.

Die Impfkosten würden mit rund 200 bis 250 Mio. Franken zu Buche schlagen. Deutlich sind laut Colatrella in der Pandemie auch Defizite wie die in der Digitalisierung des Gesundheitswesens zutage getreten. So sei man etwa beim elektronischen Patientendossier Jahre hinter fortschrittlichen Ländern wie Dänemark zurück. Positive Folge sei hingegen, dass viele Prozesse entschlackt und digitaler gestaltet wurden – und das häufig in Rekordzeit. „Diese Haltung, schnell und pragmatisch nach Lösungen zu suchen, sollten wir uns auch künftig bewahren.“

Autorin: Elke Pohl

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