Christoph Bohn: „Die Lebensversicherung wird sich vor allem im Bereich der Digitalisierung weiterentwickeln“

Quelle: Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Nach der Erklärung des Marktführers, Garantien im Neugeschäft mit Lebensversicherungen abzusenken, und damit außer bei Riester und in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf den garantierten Beitragserhalt zu verzichten, begann in den Medien eine Diskussion über die Zukunft der Lebensversicherung. Ein Gastbeitrag von Christoph Bohn.

Denn „Abfragen“ bei anderen Marktteilnehmern ergaben, dass fast alle Lebensversicherer diesen Weg gehen werden. Verbraucherschützer und einige Medien äußerten daraufhin Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherung.

Erinnern wir uns deshalb an den grundsätzlichen Sinn und Zweck der Lebensversicherung, nämlich individuelle Risiken mittels Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit abzusichern. In erster Linie sind das biometrische Risiken wie Tod, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie Langlebigkeit. Dabei geht es vor allem darum, in der versicherten Lebensphase ein ausreichendes Einkommen für sich selbst und nahestehende Menschen sicherzustellen. Erst in zweiter Linie spielen dabei vor allem in der Altersvorsorge, Anspar- und Entsparvorgänge, also auch die Kapitalanlage, eine wichtige Rolle.

Das Negativzinsumfeld wirkt sich notwendigerweise auf die mögliche Höhe von Zinsgarantien, also auf Garantiezins, Garantiekapital und Garantierente, aus. Wenn eine 30-jährige Bundesanleihe eine Rendite nahe null aufweist, ist es schlicht unrealistisch, eine Verzinsung zu garantieren, die deutlich über null liegt. Insofern ist die Forderung der Deutschen Aktuarvereinigung, den Höchstrechnungszins ab 2022 auf 0,25 Prozent zu senken, nachvollziehbar.

Zinsgarantien spielen trotzdem weiter eine Rolle, aber eine andere als früher. Als Indikator für die Rendite eines Altersvorsorgeprodukts in der Ansparphase sind sie nicht mehr geeignet. Stattdessen sind sie ein „Auffangnetz“ für den Fall einer sehr ungünstigen Entwicklung der Finanzmärkte. Außerdem zwingen die Garantien die Anbieter zu einem effektiven Risikomanagement, da sie im Fall einer Unterdeckung der Garantien durch die Kapitalanlagen einspringen müssen.

Bei der Garantiediskussion wird oft die wichtigste Garantie vergessen, nämlich die Garantie einer lebenslangen Mindestrente. Im Gegensatz zu Auszahlungsplänen kann es hiermit nämlich nicht passieren, dass man sein Vermögen überlebt und die letzten Lebensjahre in Armut verbringen muss. Dabei ist der Trend einer Erhöhung der Lebenserwartung in Deutschland ungebrochen und nur mit einer Rentenversicherung lässt sich das Langlebigkeitsrisiko effizient absichern.

Die betriebliche und die private Altersversorgung werden angesichts der demografischen Entwicklung noch wichtiger für die Sicherstellung einer Altersversorgung, die nicht nur das Überleben, sondern auch ein gutes Leben ermöglicht. Durch Corona haben sich die finanziellen Möglichkeiten des Staates, die gesetzliche Rentenversicherung in hohem Umfang zu stützen, zusätzlich verringert, sodass der Wunsch eines Ausbaus der gesetzlichen Rentenversicherung als Illusion erscheint.

Am Beispiel der bAV sieht man, dass sich Kollektive zu günstigeren Konditionen versichern lassen als Einzelpersonen. Das liegt vor allem an den Skaleneffekten bei Beratung, Abschluss und Verwaltung, aber auch am Risikoausgleich im Kollektiv. Mithilfe der Digitalisierung lassen sich auch größere Bestände mit kleinen Beiträgen effizient verwalten. Hierfür haben wir bei der Alte Leipziger Lebensversicherung ein Firmenportal im Einsatz, mit dessen Hilfe die wichtigsten Geschäftsvorfälle automatisiert bearbeitet werden können.

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, vor allem durch den verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss und die Förderung von Geringverdienern, hat die bAV einen Schub bekommen. Dieser ist allerdings nicht in den Bereichen angekommen, wo sie auch vorher nur wenig verbreitet war, nämlich bei kleinen Unternehmen ohne tarifliche Bindung. Auch die reine Beitragszusage alias Nahles-Rente konnte hier nichts bewirken, da sie schlicht und einfach auf das falsche Segment ausgerichtet war. Um die genannte Zielgruppe zu erreichen, müssen vermutlich die Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen werden. Und um kleine Unternehmen nicht zu überfordern, sollte außerdem geprüft werden, ob die Durchführung vereinfacht werden kann.

Auf der Basis ihres umfangreichen Leistungsspektrums wird sich die Lebensversicherung vor allem im Bereich der Digitalisierung weiterentwickeln. Einfache und modular aufgebaute Produkte ermöglichen eine beratungsarme und damit kostengünstige Standardabsicherung für breite Bevölkerungsschichten. Individuelle Beratung und auf den persönlichen Bedarf zugeschnittene Produkte wird es für komplexere Altersvorsorgesituationen weiterhin geben. Neue „Ökosysteme“ zu Themen wie Altersvorsorge, Employee-Benefits und Gesundheit werden sich zukünftig etablieren.

Autor: Christoph Bohn, Vorstandsvorsitzender der Alte Leipziger-Hallesche

Den vollständigen Kommentar lesen Sie in der aktuellen Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

16 + 19 =