Torsten Oletzky: „Arbeiten aus dem Homeoffice ist noch keine Digitalisierung“

Torsten Oletzky, TH Köln / InsurLab Germany. Quelle: TH Köln / Thilo Schmülgen

Das Guidewire Versicherungsforum fand in diesem Jahr wegen der Pandemie virtuell statt – durchaus in positiver Grundstimmung. Denn während etliche Wirtschaftszweige im Corona-Jahr herbe Einbußen hinnehmen mussten, ist die Situation nach Worten von Torsten Oletzky, Professor für Strategie im Versicherungswesen an der TH Köln, bei den Versicherern „weniger dramatisch“.

Auch eventuell noch eintretende Folgeschäden würden die Branche nicht aus der Bahn werfen. Rückblickend habe die Mehrzahl der Versicherungsunternehmen die Umstellung auf Homeoffice-Betrieb ohne große Auswirkungen auf die Kunden hinbekommen. Schwieriger sei die Lage nur im Bereich Betriebsschließungsversicherungen gewesen. Die Erwartungshaltung vieler Kunden sei höher gewesen als die möglichen Versicherungsleistungen, was zu einer Image-Belastung geführt habe.

Auswirkungen auf Digitalisierung nicht überschätzen

Generell dürfe die Auswirkung der Pandemie auf den Digitalisierungsprozess nicht überschätzt werden, stellte Oletzky klar. „Arbeiten aus dem Homeoffice ist noch keine Digitalisierung.“ Die Pandemie habe allerdings den Stellenwert der Digitalisierung noch deutlicher gemacht. Längerfristig, so der Versicherungsexperte, sei der Trend klar: „Die Entwicklung geht immer mehr weg von den reinen Inhouse-Lösungen hin zu externen und standardisierten Software- und Cloudlösungen.“ Letztere erlaubten eine erhebliche Beschleunigung der Prozesse in den Unternehmen. Halbherzige Teillösungen bei der digitalen Umstellung würden demgegenüber eher zu einer Verlangsamung führen.

Drei Bereiche seien für den Erfolg einer Versicherung essenziell, betonte Renè Schoenauer, Direktor Produkt Marketing EMEA bei Guidewire: „Interagieren, innovieren und profitabel wachsen“. Das Ganze kombiniert mit und optimiert durch moderne Daten und Analysen. Es bedürfe zur Steigerung der Effizienz einer intelligenten Plattform mit Analysefunktionen für präzisere und schnellere Entscheidungen. Auch Guidewire selbst will seine digitalen Angebote in den kommenden Jahren weiter vorantreiben und durch zusätzliche Tools und Schnittstellen noch nutzerfreundlicher gestalten. Schoenauer informierte über die nach bekannten Skigebieten wie Aspen oder Cortina benannten geplanten Innovationsprojekte bis 2022.

Kritische Punkte

Über seine Erfahrungen mit der ersten Projektrelease bei Einführung der externen Guidewire-Lösung berichtete Martin Fuchß, Projektleiter IT’go Digital.Komposit bei den VHV Versicherungen. Der Prozess habe etwa 14 Monate gedauert und einige Hürden zu meistern gehabt. Die Organisation musste Stück für Stück an die neuen Strukturen gewöhnt werden. Kritische Punkte seien anfänglich die von der eigenen IT so empfundene „Konkurrenzsituation“ sowie ein Vorbehalt gegen allzu viele englische Termini in den Anwendungen gewesen. Die Entscheidung pro Guidewire sei aber richtig gewesen. Als Alternative hätte man zunächst mehr IT-Kompetenz im eigenen Haus aufbauen müssen. Fuchß: „Standardlösungen bieten daher in puncto Schnelligkeit bei den Transformationsprozessen eindeutige Vorteile.“

Wie deutsche und internationale Versicherer die Cloud zum Vorteil ihrer Kunden nutzen, beschrieb Stephan Schmidt-Tank, Leiter Business and Market Development EMEA bei AWS Financial Services. Sein Credo lautete, dass der Kunde heute mit seinem Versicherer genauso interagieren will wie z. B. mit Netflix oder AirBnB.

Sinn und Zweck von Cloud-Lösungen beinhalteten insbesondere vier Themenbereiche: Die erhebliche Zeitreduzierung aller Prozesse, eine hohe Skalierbarkeit und Analysequalität, Kostenersparnis auf allen Ebenen und eine Erhöhung von Sicherheit und Compliance in sensiblen Bereichen. Schmidt-Tank nannte einige Beispiele, in welcher Weise Versicherungen schon heute die AWS-Cloud einsetzen, u.a. die Allianz. Sie habe den Weg einer Kombination zwischen digitalem Vertrieb und persönlicher Interaktion mit dem Kunden eingeschlagen und erziele dadurch beispielsweise im Segment Kfz-Versicherung höchste Werte in der Kundenzufriedenheit. Die Cloud erlaube zudem auch eine verstärkte Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz.

Autor: Mathias von Bredow

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