„Durch den gezielten Einsatz von KI können sich Vertriebsteams wieder auf ihre einzigartigen ‚menschlichen‘ Stärken besinnen“

Almir Adrovic. Quelle: Axeed AG

Künstliche Intelligenz gehört auch in der Versicherungsbranche zu den wichtigsten Zukunftstechnologien. Allerdings findet Almir Adrovic, Chief Growth Officer bei der Axeed AG, Diskussionen um „den ‚Job-Wettbewerb‘ zwischen Mensch und Maschine“ eher seltsam. Allerdings gebe es „sicherlich Berührungsängste zur KI“.

VWheute: Was sind KI-Vertriebstools, was können Sie heute und morgen?

Almir Adrovic: Durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Vertriebstools sollen den Anwender bei zeitaufwendigen und täglich wiederkehrenden Arbeitsroutinen, wie der Recherche von unstrukturierten Informationen, der Datenpflege im CRM-System oder bei der effizienten Terminplanung intelligent unterstützen. Mit dem Ziel, dass sich der Vertrieb auf das Wesentliche konzentrieren kann: die Kundeninteraktion, professionelle Beratung und das profitable Wachstum des Unternehmens.

KI-Vertriebstools erfreuen sich durch den globalen Digitalisierungstrend zunehmender Popularität in den Vertriebsteams. Das war bei traditionellen Vertriebstools nicht immer der Fall. Auch aktuell werden noch bis zu 65 Prozent der Vertriebs-Arbeitszeit mit lästigen Administrationsaufgaben vergeudet. Künstliche Intelligenz wird dafür sorgen, dass Informationen zu Markt, Branche und Kunden individuell recherchiert werden.

Zudem wird mit KI ein wesentlicher Bedarf bedient. Nicht nur der Direktor, sondern jeder Berater wird sich einen eigenen Vertriebsassistenten „leisten“ können und als Concierge bei Tagesplanung, Dossier-Erstellung und Verfassung von Terminnotizen nutzen.

VWheute: Welche Probleme sehen Sie?

Almir Adrovic: Durch den fortschreitenden Erfolg der Künstlichen Intelligenz und zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, wird in der Gesellschaft oftmals der „Job-Wettbewerb“ zwischen Mensch und Maschine diskutiert. Diese Diskussion finde ich seltsam, da es für Business-Anwender nur Vorteile bietet. Aber es gibt sicherlich Berührungsängste zur KI.

Wie bei anderen technischen Assistenten im Alltag eines Vertrieblers, wie bspw. dem Navigationssystem im Auto, sollte die künstliche Intelligenz und die dadurch entstandenen Vertriebs-Anwendungen genutzt werden, um die Stärken und Eigenschaften von Menschen im Vertriebsjob zu fokussieren. Die Interaktion mit Kunden, Lösungsfindungen, soziale Kompetenz und Empathie.

Aus meiner Sicht gibt es da keinen Wettbewerb zwischen Technologie und Vertrieb. Zudem müssen KI-Anwendungen intuitiv und selbsterklärend sein, dann werden sie durch den Anwender als Entscheidungshilfe und als ihr individueller Assistent auch akzeptiert.

VWheute: Die Versicherer sind nach Eigenaussage sehr gut durch die Krise gekommen, der Wandel zum Onlinevertrieb habe funktioniert. Wie sehen Sie diese Aussagen?

Almir Adrovic: Bis hierher muss man der Versicherungsbranche ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. Bei vielen Versicherern wurde zügig auf die Online-Beratung umgestellt, sogar End2End Vertragsabschlüsse inklusive der digitalen Signatur (Unterschrift) durch den Kunden haben viele Prozesse automatisiert und die Digitalisierung in der Branche beschleunigt. Das hat aufgezeigt, dass einfache Produkte auch durch Online-Beratung vermarktbar sind. Zudem haben die Vertriebsteams keine andere Möglichkeit gehabt, sie mussten die Tools nutzen und nun auch schätzen lernen, um kontinuierlich Geschäft zu generieren.

Allerdings steht aufgrund der angepassten Insolvenz-Regulatorik in Deutschland, der große Impact kurz bevor. Viele KMU’s werden durch die verzögerten Insolvenzen, die es definitiv geben wird, bei Versicherern für massive Ausfälle sorgen werden – was sehr wahrscheinlich für eine Konsolidierung in der Branche führen wird.

VWheute: Technik kostet, können künftig nur noch große Unternehmen den technischen Wandel mitgehen?

Almir Adrovic: Im Gegenteil, durch das in der Zwischenzeit massiv gewachsene Angebot an Cloud-Services und offerierten Dienstleistungen, können nun auch kleinere Unternehmen von intelligenten Services, je nach Bedarf profitieren.

Wie im privaten Bereich hat es sich auch im Business-Bereich etabliert, das Kunden nur noch das Bezahlen wollen, was sie auch einsetzen. Früher mussten neue Vertriebs-Tools für viel Geld eingekauft und in der eigenen Systemlandschaft in nicht endenden Groß-Projekten integriert werden.

Durch neue Technologien und Open-API Ansätze lassen sich binnen weniger Monaten neue Assistenzsysteme, wie bspw. für das Informations-, Kunden oder Lead Management positionieren und modular erweitern. Selbstverständlich braucht es hierfür eine durchdachte und vom Management unterstützte IT-Strategie.

VWheute: Welche technische Entwicklung sehen Sie in der Versicherungswelt?

Almir Adrovic: Aus meiner Sicht sind die Wesentlichsten technischen Trends in der Branche, die Bereitschaft Cloud-Services einzusetzen und durch Open-API Interfaces in die Unternehmensprozesse einzubinden, um somit flexibler und schneller auf Markttrends einzugehen.

In naher Zukunft wird sich allerdings die Konstellation aus Künstlicher Intelligenz, Internet of Things und Blockchain hervortun, um neben den bekannten „Smart contracting“ Ansätzen in der Marktbearbeitung auch bei parametrischen Versicherungen, also Naturkatastrophen oder Unglücken, das Ausmaß der Schäden, wie kürzlich in Beirut nicht durch Menschen, sondern Maschinen (Drohnen) bewertet wird und eine Auszahlung im Verhältnis zur Deckungssumme automatisiert eingeleitet wird.

Abschließend: Durch den gezielten Einsatz von KI, können sich Vertriebsteams wieder auf ihre einzigartigen „menschlichen“ Stärken besinnen – die Interaktion mit dem Gesprächspartner.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Mehr zum Thema KI lesen Sie in der neuen November-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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