Autor Ralf Teicher: „Kunden mit voller Überzeugung zu starken Renditen zu verhelfen, scheint noch nicht weit verbreitet zu sein“

Ralf Teicher, von der Webseite des Autors

Der Provisionsdeckel kommt! Vielleicht – oder auch nicht. Was nach Ansicht von Verbraucherschützern auf jeden stärker werden muss, ist die Honorarberatung. Vertriebscoach und Autor Ralf Teicher hat bereits mehrere Bücher zum Thema geschrieben. Zeit, mit dem Experten über Nettotarife, Honorarberatung und die geringe Anzahl an Honorarberatern zu sprechen.

VWheute: In ihrem Buch schreiben Sie: „Insbesondere in der Altersvorsorgeberatung erkennen immer mehr Finanzdienstleistungsvermittler das Potenzial von Nettotarifen. Woran machen sie das fest?

Ralf Teicher: Die mit Nettotarifen verbundenen Vorteile liegen zunächst einmal rein rechnerisch auf der Hand. Sie führen für den Anleger zu erheblichen Renditevorteilen, die sich insbesondere bei langfristigen Anlagen bspw. zur Altersvorsorge nachhaltig bemerkbar machen. Darüber hinaus erkennt ein Lebensversicherungs-Kunde von Beginn an, dass sein Geld für ihn und nicht die Zillmerung der Provisionen arbeitet.

Diese Effekte stellen Honorarberater mithilfe von Brutto-Netto-Vergleichsrechnern dar. Damit lassen sich dann auch weitere (offene und versteckte) Kosten bestehender oder angebotener Policen identifizieren, die wiederum die Vorteile der Nettowelt offensichtlich werden lassen.

VWheute: Aber?

Ralf Teicher: Hier haben wir allerdings auch wieder die alte Crux, nämlich die Produktbrille vieler Berater. Bei aller Euphorie für mögliche Renditeeffekte bleiben es zunächst einmal Zahlen, denen der Kunde glauben muss und sich dann auch noch so dafür begeistern sollte, dass er diese neue und jetzt spürbar kostenpflichtige „Wette“ eingeht. In der Regel ist der Honorarvermittler ja nicht der erste, der seine Verträge „optimieren“ will. 

Daher liegt ein weiterer und wesentlicher Punkt für das hohe Potenzial, mit Nettotarifen zu arbeiten, in der damit verbundenen Unabhängigkeit des Beraters. Findet vor der Vermittlung eine wertige und unabhängige Beratung statt, erlebt der potenzielle Kunde eine bislang ungewohnte Beratungsqualität. Er spürt, dass sein Gegenüber nicht vom Vermittlungserfolg abhängig ist und er kann sich darauf verlassen, dass dessen Empfehlungen nicht durch die Höhe der ausgelobten Courtagesätze der Gesellschaften beeinflusst werden.

Nettotarife haben daher für den Finanzdienstleistungsvermittler zwei entscheidende Vorteile. Die Qualität der Produkte und die Qualität der Beratung überzeugen gleichermaßen. 

VWheute: Kann sich der Kunde auf den Begriff „Nettotarif“ verlassen. Ottonova spricht von provisionsfreien Tarifen, räumt aber jüngst auf Nachfrage ein, doch Provision einkalkuliert zu haben.

Ralf Teicher: Nicht jeder als „Nettotarif“ deklarierter Tarif ist per se ein Qualitätsmerkmal. Selbstverständlich sollten sich Kunden darauf verlassen können, dass diese Tarife mindestens keine Provisionen enthalten. Daher ist es gerade im Umgang mit Nettotarifen unbedingt erforderlich, sich erst einmal qualifiziert beraten zu lassen. Die Qualität dieser Beratung zeigt sich darin, wie weit der Kunde anschließend dazu in der Lage ist, auch eigene Entscheidungen für die Produktbeschaffung zu treffen. 

Wenn es um Anlageentscheidungen geht, ist es neben der Reduzierung von Kosten wesentlich, auch einen vernünftigen „Anlagemotor“ zu haben. Die Beratung zielt dann idealerweise zunächst auf das grundlegende Verständnis für Geldanlage. Was nützt es dem Kunden kostenoptimiert keine Rendite zu erzielen, weil die Nettopolice aktiv gemangte Fonds enthält, die gegenüber anderen Anlageformen die Vorteile, auf Provisionen zu verzichten, deutlich kompensieren… 

Nettotarife führen – als Zusatzangebote im Markt – ganz banal auch zu einer weiteren Erhöhung der Komplexität einer für viele Kunden per se undurchsichtigen Materie. Sie setzt daher m. E. immer eine vernünftige Beratung durch einen Finanzdienstleister voraus, der diese Materie natürlich auch selbst durchdringt.

VWheute: Derzeit sind im IHK-Vermittlerverzeichnis 157 Honorar-Finanzanlagenberaterregister verzeichnet, das ist nicht viel. Im Januar waren es deutschlandweit 191. Ist der (kleine) Hype vorbei?

Ralf Teicher: Die Registrierung als Honorar-Finanzanlagenberater ist grundsätzlich keine Voraussetzung dafür, als Honorarberater tätig zu sein. Die Gewerbeordnung räumt das sowohl den 34f und den 34h-Registrierten ein. Sie beinhaltet allerdings einen Bezeichnungsschutz und ist ein nach außen deutlich getroffenes Bekenntnis, von den Vorteilen der Honorarberatung überzeugt zu sein.

Ich glaube daher, dass es noch keinen Hype in diese Richtung gegeben hat. Veränderung geschieht durch Lust oder Frust. Die Lust, seinen Kunden mit voller Überzeugung zu starken Renditen zu verhelfen, scheint in der Tat noch nicht weit verbreitet zu sein. Der Aufwand sich für wertige Finanzberatung zu qualifizieren und auch sein Kommunikationsverhalten entsprechend anzupassen, erscheint den meisten Vermittlern wohl (noch) zu hoch.

VWheute: Sie schreiben „Nettotarifvermittlung kann inzwischen (eigentlich) jeder“, ist der Honorarberater dann noch nötig?

Ralf Teicher: Eindeutig ja. Der Honorarberater verkauft zunächst einmal Know-How. Er befähigt seine Kunden, zielgerichtet effiziente Anlageentscheidungen zu treffen. Im Grunde geht es darum, aktuelle finanzwissenschaftliche Erkenntnisse auf die persönliche und individuelle Situation des Kunden zu übertragen.

Gerade in Zeiten eines nicht mehr existierenden Zinses ist es für Kunden wichtig, sich auch mit Wertpapierrisiken auseinanderzusetzen. Das Risiko ist der Preis, den er für seine Rendite zu bezahlen hat. Und das zu verstehen und bewusst umzusetzen ist schon sehr komplex.

VWheute: Zu komplex?

Ralf Teicher: Natürlich kann ich mir als Kunde dieses Wissen auch selbst aneignen. Wenn der damit verbundene Aufwand leistbar ist und in einem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis steht, ist das nur zu empfehlen.

Viele Menschen gestehen sich – um hier mal ein anderes Bild zu nutzen – ein, keinen „grünen Daumen“ zu haben und beauftragen für die Gartenarbeit einen Gärtner.

Ich behaupte, dass noch viel mehr Menschen keinen „Finanz-Daumen“ haben…  Also sollten sie konsequenterweise einen Honorarberater beauftragen, Ihnen das erforderliche Verständnis für ihre Finanz- und Versicherungsfragen zu vermitteln und schlussendlich auch die passenden Lösungen und Produkte zu beschaffen. 

Als Vermittler in einer Wettbewerbssituation oder bei erkennbarer Abschlussabneigung die Nettopolice aus dem Hut zu zaubern ist von honorierbarer Beratung in diesem Sinne dann weit entfernt. Und das kann heute wirklich jeder, zumal Nettotarife inzwischen überall frei zugänglich sind. Dafür muss ich nicht mal mehr Beiträge an eine darauf spezialisierte Plattform entrichten.  



Honorarberatung aus Sicht von Kunden, Beratern und Produktgebern, von Ralf Teicher (VVW-Verlag)

VWheute: Eine These von Ihnen lautet: „Der Druck auf das Provisionsniveau nimmt weiter zu, damit sinkt der zur Preisfindung relevante Wettbewerbspreis, der langfristig nur mit einer erhöhten Zahlungsbereitschaft des Kunden zu kompensieren ist.“ Wie lange sind Kunden dazu bereit, gerade auch wenn Vergleichsseiten und Insurtechs viele Angebote direkter und günstiger bereitstellen?

Ralf Teicher: Ein gutes Beispiel dafür sind die ETF´s. Die damit verbundenen Vorteile liegen auf der Hand und inzwischen sind breite Anlegerkreise für die Kostenthematik sensibilisiert. Sie sind online über zahlreiche Plattformen verfügbar und damit ohne großen Aufwand zu beschaffen.

Die Idee einer Lösung ist aber noch nicht die Lösung, die schlussendlich auch zum richtigen Ergebnis führt. Für ETF-Anleger stellen sich in ihrer Auswahlentscheidung Fragen, die sicher zu beantworten sind, wenn es nicht nur bei einer guten Absicht bleiben soll. Spontan fallen mir bspw. diese ein: Wie geht man damit um, dass auch ein Index wie der MSCI World oder DAX ständig seine Gewichtungen verändert? Was sind „Aktien Europa“ = Euro STOXX 50, STOXX Europe 600, MSCI Europe, …? Wie soll zwischen Aktien- und Rentenmarkt gewichtet werden? …

Und da sind wir wieder bei der Honorarberatung als Know-How-Vermittlung. Eine höhere Zahlungsbereitschaft wird nur durch höhere Leistungen – durch echten Mehr-Wert – ausgelöst. Anschließend und ergänzend sollten Kunden natürlich auch digitale Formate nutzen; warum denn nicht. Sie wissen ja jetzt, wie.

Und für den Berater und Vermittler beinhaltet das eben, dahingehend zu investieren und sich selbst auch das erforderliche Know-How anzueignen. Vergleichsrechner zu bedienen, reicht heute – und künftig sowieso – nicht mehr aus. 

VWheute: Die Honorarberatung sei erwachsen geworden. Woran machen Sie das fest, was bedeutet das?

Ralf Teicher: Erfolgreiche Honorarberater haben heute einen klaren Fokus auf ihre Kunden und in der Regel ein starkes Netzwerk an ihrer Seite. Sie sind fokussiert und probieren sich nicht mehr (bspw. in sogenannten Mischmodellen) aus. Damit ist auch die Phase, Systemvergleiche zwischen der Provisionswelt und der Honorarwelt anzustellen, überwunden. Der Versuch, die Welt in „gut“ und „böse“ einzuteilen, hat der Honorarberatung im Übrigen nur geschadet. Honorarberatung ist – wie gesagt – mehr, als versteckte Kosten aufzuspüren. 

Des Weiteren muss ein Honorar in auskömmlicher Höhe erst einmal bezahlt sein. Das Geschäft darf schließlich auch betriebswirtschaftlich Spaß machen. Wer die damit verbundenen Botschaften mit Überzeugung und Begeisterung seinen Kunden transportiert, hat (als Erwachsener) aufgehört, „sich im Sandkasten gegenseitig die Förmchen zu klauen“.

Den Kunden interessiert nicht, wer vergleichbar schlechter aufgestellt ist, weil er bspw. im Korsett der Ausschließlichkeit steckt. Wenn ich ihm gegenübersitze, will er von mir wissen, wo mein Nutzen für ihn liegt.

VWheute: Gibt es noch weitere Punkte?

Ralf Teicher: Ebenso ist es wenig überzeugend, Bezahlsysteme anderer Branchen in die Argumentation pro Honorarberatung zu ziehen. Auch Anwälte und Steuerberater sehen sich mit (bspw. digitalen) Entwicklungen konfrontiert, die nur damit aufzuhalten ist, ihr eigenes Geschäftsmodell nachhaltig zu positionieren. Niemand kauft nur einen Vergleich.

Am Endes des Tages sind starke Renditen nur mit Honorarberatung zu erzielen. Kunden zielorientiert dahin zu führen, ist erwachsene Honorarberatung. Die Möglichkeiten, die damit verbundenen Chancen zu nutzen, sind heute vorhanden.  

VWheute: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Honorarberatung, welche Entwicklungen wünschen Sie sich?

Ralf Teicher: Ich bin davon überzeugt, dass qualifizierte Finanzberatung auf Honorarberatung der entscheidende Hebel für zielgerichteten Vermögensaufbau ist. Wer als Berater dazu bereit ist, diesen Weg zu gehen und darin zu investieren, wird nicht verhindern können, dafür die passenden Kunden zu finden.

Insbesondere in der Neukundengewinnung und da vor allem auch bei jüngeren Kunden stößt er damit zusätzlich auf fruchtbaren Boden. Die Diskussionen über Finanzbildung an den Schulen untermauert doch nur den enormen „Wissendurst“ an dieser Stelle. 

VWheute: Zum Abschluss ihr Wunsch.

Ralf Teicher: Ich wünsche mir mehr Berater und Vermittler, die offen und neugierig sind und die mit der Honorarberatung verbundenen Vorteile für sich und vor allem für ihre Kunden nutzen. Mir ist dabei selbstverständlich klar, dass hierzu kein Automatismus ausgelöst werden kann. Ein erster Schritt in diese Richtung kann es sein, mein Handbuch zur Honorarberatung zu lesen. Darüber hinaus ist es immer zielführend, sich unternehmerisch beraten zu lassen. Auch dazu stehe ich gerne zur Verfügung.

Webseite und Xing-Profil von Ralf Teicher.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Ein Kommentar

  • Nachdem seit ewigen Zeiten in allen Medien für Honorarberatung getrommelt wurde, gleichzeitig gegen die Makler und Vermittler eine beispiellos idiotische Negativkampagne, bei 0,03% Beschwerdequote geführt wurde und aktuell ein sich nur kümmerlicher Prozentsatz sich als Honorarberater zur Verfügung stellte, ist ja selbst für geistig unterbemittelte klar erkennbar, dass Honorarberatung in Deutschland ein Nischchendasein fristet-immer ohne Haftung!!!. Mir wurde auch von einigen Honorarberatern bestätigt, dass das Endergebnis oft nicht besser, unter Berücksichtigung der Beratungskosten ausfällt. Dazu kommt ein stark eingeschränkter Markt. Der informierte Kunde geht auch nicht zu Vertriebsorganisationen, sondern lässt sich ausschließlich vom Makler/in beraten. Das ist der/die Einzige, der den gesamten Markt überblickt, nicht von einer Organisation oder einer Gesellschaft abhängig ist und auch noch unbegrenzt haftet. Einmalig-mehr, besser und sicherer geht es nirgendwo anders!

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