Versicherer und das bekannt unbekannte Kundenwesen

Patrick Dahmen auf der Jahrestagung des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen. Quelle: Marc Sommer

In der BMW Welt München versammelten sich am Donnerstag Führungskräfte aus Finanzdienstleistungsunternehmen zum Austausch über Wertschöpfung in Versicherungsmarken. Die Jahrestagung des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen trug das Etikett „Der Kunde – das unbekannte Wesen?“. Und fand im Kontext des Projekts Future.Value statt, einer Plattform für die Verständigung über Assekuranz-Themen zwischen Wissenschaft und Markt.

Bereits am Vortag begrüßten Institutsdirektor Hato Schmeiser und Rolf Zielke, CEO des Softwareanbieters msg life ag, einige Teilnehmer in der „Kraemer‘sche Kunstmühle“. Oliver Ullrich von Allianz X, der auf Disruptives geeichten Investment-Unit der Allianz SE, ließ dort mehr über „Digital Partnerships in Emerging Markets“ erfahren. Ein Workshop zur „Assekuranz 2030“ versuchte, die Anliegen zukünftiger Versicherungskunden abzustecken. Vor dem Networking-Dinner ging es bei Axel Helmert, Geschäftsführer der msg life central europe gmbh, um Innovationen und Digitalisierungspotentiale speziell in Hinsicht auf Lebensversicherungen.

Am Haupttag führte Hato Schmeiser zunächst gemeinsam mit den beiden anderen Referenten der darauffolgenden, voneinander separiert stattfindenden Workshops in den übergreifenden Topos „Creating Customer Value in Insurance“ ein. Die Gruppe um Christian Biener beleuchtete den Behavioral-Economics-Ansatz, also den Widerspruch zwischen der neoklassischen Beschreibung des Menschen als rationalem Homo oeconomicus und dessen praktischem Verhalten – erheblich weniger rational, durch Insurance-Anbieter partiell modellierbar und voraussagbar.

Die digitale Abkehr von herkömmlichen Kunden-Kategorisierungen und „nutzlosen“ Kundennutzen-Spekulationen empfahl Peter Maas. Eher ergäben sich etwa aus granulären Kundensignalen Hinweise auf holistisch Operationalisierbares. Hato Schmeiser erschloss, wann On-Demand-Versicherungen aus Kundensicht von Vorteil sein können, ob sie erratischere Beziehungen zu Versicherern bewirken und was das für die Margen-Entwicklung bedeutet.

Mit Sebastian Herfurth stand dann der Gründer des Online-Versicherungsmaklers Friendsurance im Mittelpunkt. Er verriet, wie beispielsweise durch eine aufgebohrte, präemptive User Experience einst strikt Getrenntes in digitalen Gefilden noch natürlicher zu kundenzentrierter Bancassurance zusammenfließt.

Nach dem Lunch dominierte inhaltlich die Ausschöpfbarkeit von – häufig in Echtzeit und nicht ausschließlich via Smartphone gewonnenen – Endkunden-Daten. Zwar sind die Axon Vibe AG und ihr CEO Roman Oberli überwiegend mit mobilitätsoptimierender Software befasst, wollen mit Datengetriebenem aber auch inspirierende Brücken zum Insurance-Sektor schlagen.

Auf Validität durch lebensnahes Scoring setzt Peter Ohnemus, CEO der dacadoo ag, beim weitgehend anonymisierten Auswerten sowieso anfallender Daten für Life- und Health-Versicherer. Zu realisieren wären Effekte von der Fitness-Motivation bis zur Früherkennung. Vom „Customer Value“-Fokus als Innovationstreiber berichtete Patrick Dahmen, Vorstandsmitglied der Talanx Deutschland AG und Vorstandsvorsitzender der HDI Lebensversicherung AG. Wie macht man den Nutzen abstrakter Produkte wie der Lebensversicherung gegenständlicher, fühlbarer, erlebbarer?

Der am Event-Ende zuversichtliche Branchen-Ausblick erstaunt nicht. Regulatorische Herausforderungen wurden und werden besser bewältigt als erwartet. Digitale Maßschneiderei sollte es erlauben, der aufgrund wachsender Markttransparenz zunehmend starken Position des Versicherungskunden ebenso erfolgreich zu begegnen.

Autor: Marc Sommer