Jürgen Moll, A.S.I: „Die Datenbasis der Versicherer ist oft unsauber“
Die Wirtschaftsberatung A.S.I. wurde kürzlich 50 Jahre jung. Wie das nächste halbe Jahrhundert gestaltet werden soll, weiß Vorstand Jürgen Moll, der über Vertrieb, Ziele und Datenübermittlung gesprochen hat. Den Versicherern wirft er vor, von Datenverarbeitung immer noch nichts zu verstehen.
VWheute: Sie feiern 50-Jähriges in diesen Tagen, erzählen Sie etwas dazu.
Jürgen Moll: Wir sind stolz seit 50 Jahren den Menschen in den Mittelpunkt unserer Beratung zu stellen. Angefangen haben wir mit zwei Geschäftsstellen in Münster und Hannover, aber schon zu Beginn mit der Ausrichtung auf Akademiker. Mittlerweile sind wir an 30 Standorten mit 150 Beratern präsent, allein in den letzten 17 Jahren haben wir die Zahl der Beraterinnen und Berater verdoppelt. Das ist eine gute Grundlage für die kommenden Herausforderungen, die uns sicherlich in schneller Reihenfolge einiges abverlangen werden, beispielsweise bei der Digitalisierung und dem veränderten Kundenverhalten.
VWheute: Stichwort Kundenverhalten: Ist die Lebensversicherung noch ein Thema bei den Beratern?
Jürgen Moll: Sie ist vor allem bei den Kunden noch ein Thema. Was am Ende empfohlen wird, richtet sich natürlich nach dem Bedarf des Kunden.
VWheute: In welchem Umfang muss und soll die Beratung digitalisiert sein?
Jürgen Moll: Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen und benötigt bei der Annahme eines Rats Vertrauen. Den Kunden vor den PC setzen und den Roboadviser machen lassen, das funktioniert nicht.
VWheute: Also persönliche Beratung?
Jürgen Moll: Ja, aber technisch hochwertig, digital unterstützt. Beispielsweise sind Videoberatungen keine Frage der Digitalisierung, sondern des Mediums.
VWheute: Leuchtet ein, wo drückt der Schuh?
Jürgen Moll: Wir haben einen Druck zur Digitalisierung bei den Arbeitsprozessen. Es darf nicht sein, dass ich heute bei einigen Gesellschaften einen Papierausdruck unterschreiben lassen muss, diesen dann einscanne und später das Papier wegwerfe. Der Antrag muss am PC erfasst und unterschrieben werden. Im nächsten Schritt wird das Datenpaket dann zur Dunkelverarbeitung an den Versicherer gesendet. Der Kunde erhält nur noch die Mail zur Bestätigung.
VWheute: Im Moment ist es noch häufig so, dass der Kunde im Internet schaut und beim Berater abschließt. Ist das nicht vielleicht nur die Vorstufe zum Digitalkunden, der auch zum Abschluss im Internet verbleibt?
Jürgen Moll: Das ist eine oft aufgestellte These, die ich nicht teile. Ein Roboadviser kann auch in 20 Jahren noch keine Emotionen zeigen. Im Netz kann ich zudem nicht wissen, ob die dort dargestellten Meinungen und Beiträge authentisch sind. Einen Menschen kann ich als Kunden einschätzen.
VWheute: Konter: Woher weiß ich als Kunde, dass der Berater ehrlich ist und mich nicht egoistisch berät?
Jürgen Moll: Grundsätzlich muss in einem kapitalistischen System jeder Selbstständige Geld verdienen, das gilt für einen Arzt ebenso wie für einen Anwalt oder Berater. Der Aufbau von Vertrauen basiert oftmals auf Empfehlungen. Die Expertise des Beraters, seine Reputation im Netz und die Empfehlungen in Verbindung mit dem Namen des Unternehmens ASI schaffen Vertrauen. Zudem begleiten die ASI-Berater den Kunden lebenslang, es ist keine einmalige Beratungsgeschichte gegen Provision.
VWheute: Ich bleibe hartnäckig, der Roboter kann Haftpflicht verkaufen.
Jürgen Moll: Bei sehr einfachen Produkten bedarf es keiner persönlichen Beratung, beispielsweise der Auslandsreisekrankenversicherung. Bei der Haftpflicht bin ich mir schon gar nicht mehr so sicher. Ich frage mich, wie eine Künstliche Intelligenz komplexe Produkte verkaufen soll, die sich ja auf den geplanten Lebenswandel beziehen. Dieser ändert sich zudem im Laufe eines Lebens normalerweise mehrmals. Je persönlicher der Absicherungswunsch, desto mehr wird die menschliche Beratung gewünscht.
VWheute: Apropos Menschen, wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Versicherern?
Jürgen Moll: Auch nach zehn Jahren BiPRO ist das Datenproblem noch nicht gelöst. Die Datenbasis des Versicherers ist oft unsauber. Ein Beispiel: Plötzlich hat ein Kunde eine BU-Monatsrente von zwei Millionen Euro, gemeint ist aber die Deckungssumme Haftpflicht. Viele Versicherer sagen von sich, dass sie BiPRO können und anwenden, aber man fragt sich, was die da machen. Da gibt es grundlegende Probleme bei der Datenverarbeitung. Solange das nicht gelöst ist, braucht niemand über einen digitalen Versicherungsordner nachzudenken.
VWheute: Themenwechsel vom Datenproblem der Versicherer zur Nachwuchsgewinnung: Wie schwierig ist es aktuell?
Jürgen Moll: Das ist ein großes Thema. Geeignete Berater zu finden, ist sehr schwierig geworden. Wir arbeiten nur mit akademisch ausgebildeten Beratern oder Bankern. Die muss man erst einmal überzeugen, dass Finanzberatung bei A.S.I. in Deutschland etwas Besonderes ist. Das Erscheinungsbild der Branche insgesamt bringt einen nicht zu dieser Ansicht.
Zudem ist die Tätigkeit eine Selbstständige, was die Suche zunehmend erschwert. Genügend Berater in der ausreichenden Qualität zu finden, das ist uns in den letzten zwei, drei Jahren nicht gelungen.
VWheute: Offene Worte.
Jürgen Moll: Ja. Aber wir müssen nicht um jeden Preis wachsen. Finden wir nicht die nötige Qualität, stellen wir nicht ein.
VWheute: Als Vorstand müssen Sie für die Zukunft planen, was ist ihr kommendes Ziel?
Jürgen Moll: Uns schwebt als Vision vor, dass wir mit einer selbst betriebenen Plattform dem Kunden unterschiedliche digitale Services anbieten. Dazu gehören unter anderem Terminvereinbarung, wertreicher Content für die Berater und Kunden wie auch einen immer kontaktierbaren Ansprechpartner. Dieser soll bei uns im Unternehmen künftig noch wirksamer im Fokus stehen. Das bedeutet, dass Personal-Branding und nicht das Corporate-Branding werden gestärkt.
VWheute: Konkret bitte.
Jürgen Moll: Uns muss es als Unternehmen gelingen, unseren gut ausgebildeten Berater im Netzt erleb- und sichtbar zu machen. Damit wird der Kontakt zum Kunden gestärkt, was dann die ASI begünstigt, den für das Unternehmen ist er ja schließlich tätig.
VWheute: Das Kurzziel ist…
Jürgen Moll: In den nächsten anderthalb Jahren wollen wir mit einem intern gebauten Inkubator die Ideen und Strategien entwickeln, um am Ende die oben skizzierte Online-Plattform stehen zu haben. Das Ziel der Fertigstellung ist Ende 2020.