AKHA-Chef Thomas Bielefeld im Interview: „Wir beobachten steigende Schadenaufwendungen, gerade verstärkt in den letzten Jahren“

Auf der heutigen MSK-Veranstaltung „Brennpunkt Rückversicherung“ referiert Dr. Thomas Bielefeld, Geschäftsführer Allgemeiner Kommunaler Haftpflichtschaden-Ausgleich (AKHA). Im Vorfeld sprach VWheute mit ihm darüber, ob die soziale Inflation und der Personalmangel in den Kommunen zu steigenden Schadenvolumina führen und ob das milliardenschwere Finanzpaket der neuen Bundesregierung daran etwas ändern kann.

VWheute: Herr Dr. Bielefeld, wenn beispielsweise ein kommunales Fahrzeug das Auto eines Bürgers beschädigt oder sich Letzterer in einem öffentlichen Schwimmbad verletzt oder auch in einem kommunalen Krankenhaus fehlerhaft behandelt wird, kommt der Allgemeine Kommunale Haftpflichtschaden-Ausgleich, kurz AKHA, ins Spiel. Sind das typische Schadenszenarien, mit denen Sie als Verband zu tun haben und welche konkrete Rolle kommt dem AKHA im betrieblichen Alltag zu?

Es ist völlig zutreffend, dass die von Ihnen geschilderten Schadenszenarien vorkommen und die geschädigten Personen von Kommunalversicherern entschädigt werden. Und wenn die Schäden bestimmte Größenordnungen überschreiten, werden die Schäden über den AKHA auf die Kommunalversicherer verteilt, wodurch eine Glättungswirkung in den Schadenverläufen erreicht wird. Als Besonderheit ist aber noch zu erwähnen, dass sich mögliche Schäden im kommunalen Bereich häufig auch, anders als im privaten Bereich, aus der hoheitlichen Tätigkeit von Kommunen ergeben können, wie zum Beispiel bei der Erteilung oder Versagung von Baugenehmigungen.

Beim AKHA handelt es sich um einen Rückdeckungsverband, in dem sich die meisten Kommunalversicherer in Deutschland im Bereich der Allgemeinen Haftpflicht und der Kraftfahrt-Haftpflicht zusammengeschlossen haben. Wie hat sich Ihre Arbeit im Verband im Verlaufe der vergangenen Jahre verändert – was hat sich verbessert und was verschlechtert?

Der AKHA ist inzwischen im 102. Jahr seiner Existenz, und es hat sich über die Jahre relativ wenig verändert. Das zeigt, wie gut durchdacht die Strukturen bereits bei der Gründung gewesen sind. Selbstverständlich haben sich die Methoden, mit denen wir arbeiten, über die Jahre verändert, was an vielen Stellen zu Arbeitserleichterungen führt. Ich selbst als Berufspendler profitiere stark von den technischen Möglichkeiten, Arbeit von überall aus erledigen zu können, und freue mich, dass auch unsere Mitarbeiter von diesen Entwicklungen profitieren können. Die Anzahl der Mitgliedsunternehmen ist über die Jahre angestiegen und natürlich sind auch die kommunalen Tätigkeiten heutzutage vielfältiger als zur Gründungszeit des AKHA. Glücklicherweise verfügen die Kommunalversicherer und auch der AKHA aber über qualifiziertes Personal, um sich auch neuen Entwicklungen stellen zu können. Dabei steigt natürlich auch für uns der Aufwand, gutes Personal zu finden.

Die Kommunen beklagen chronisch klamme Kassen und einen immensen Investitionsstau. Wird das geplante milliardenschwere Finanzpaket der neuen Bundesregierung zu einer Entspannung der Finanzlage führen, weil endlich Gelder fließen werden, um die überfälligen Investitionen in Brücken, Schulen, Krankenhäuser, Kitas und Schwimmbäder stemmen zu können? Und inwieweit berührt das Finanzpaket die Arbeit der Kommunalversicherer?

Ich habe den Eindruck, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand so richtig einschätzen kann, wie die von Ihnen erwähnten Mittel eingesetzt und verteilt werden. Ich denke, auch bei den Kommunen wird man mit großem Interesse darauf warten, welche Mittel zur Verringerung der immensen finanziellen Engpässe zur Verfügung stehen werden. Die Kommunalversicherer haben natürlich ein Interesse daran, dass die Kommunen finanziell so aufgestellt sind, dass sie ihrer Bevölkerung eine gute und vor allen Dingen sichere Infrastruktur zur Verfügung stellen können. Dies führt zu einer besseren Lebensqualität und eben auch zur Verringerung möglicher Risiken von Schäden.

In den USA bereitet den Haftpflichtversicherern das Phänomen der „sozialen Inflation“ großes Kopfzerbrechen. Befürchten Sie eine derartige Entwicklung auch hierzulande – oder ist die Vorstellung absurd, dass Bürgern oder Unternehmen immense Summen zugesprochen werden, nur weil die Kommunalverwaltung geschlampt hat?

Auch in den Kommunen arbeiten Menschen und die machen mitunter auch einmal Fehler. Nach unserer Erfahrung ist das in den allermeisten Fällen aber nicht auf Schlampigkeit zurückzuführen. Das sieht man schon daran, dass häufig Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen mit sehr unterschiedlichen Entscheidungen erforderlich sind, um festzustellen, ob Fehler gemacht worden sind und inwieweit diese zu Schäden geführt haben.

Auch wir beobachten steigende Schadenaufwendungen, gerade verstärkt in den letzten Jahren. Aber diese sind im Grunde alle mit der allgemeinen inflationären Entwicklung zu erklären, die in bestimmten Bereichen (Pflegekosten, Ersatzteile für Fahrzeuge) besonders hoch ist. Eine Vergleichbarkeit mit US-Verhältnissen sehen wir hier nicht, hier sind die Rechtsordnungen doch zu unterschiedlich.

Auf der Website der Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer (BADK), in der auch der AKHA eingebunden ist, heißt es, dass sich „die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik auf eine sorgfältige und zuverlässige Kommunalverwaltung verlassen“ könnten. Gleichwohl sei irren menschlich und Fehler könnten auch bei sorgfältigstem Arbeiten passieren, heißt es weiter. Befürchten Sie angesichts der fortschreitenden Personalknappheit in der öffentlichen Verwaltung, dass die Fehlerquote in Zukunft steigen wird und wie wappnen Sie sich als Verband dagegen?

Der Personalmangel auch im kommunalen Bereich ist kein ganz neues Phänomen und bisher können wir nicht erkennen, dass sich daraus steigende Schadenvolumina ableiten lassen. Die Kommunalversicherer versuchen ihrerseits durch vielfältige Angebote von Schulungen und Informationsveranstaltungen, mögliche Wissenslücken bei den kommunalen Mitarbeitern zu füllen. Zu erwähnen ist auch, dass wir die Zeitschrift BADK-Informationen herausgeben, die über unsere Mitgliedsunternehmen an die Kommunen verteilt wird und den gleichen Zweck verfolgt.

Aber als Mitglied der „kommunalen Familie“ sehen wir natürlich, wie wichtig es für eine funktionierende Daseinsvorsorge ist, dass die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in den Kommunen über die notwendigen Kapazitäten verfügen, ihre vielfältigen Aufgaben wahrzunehmen.

Die Fragen stelle VWheute-Redakteur Lorenz Klein.

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