Hiscox‘ neuer Chef: Autonarr, Workaholic, Visionär

Aki Hussain ist seit 2016 für den Spezialversicherer Hiscox tätig, seit Januar 2022 leitet er das Unternehmen als CEO. (Quelle: Hiscox)

Hamayou Akbar Hussain, genannt Aki Hussain, führt seit dem 1. Januar 2022 als CEO den vielseitigsten Versicherer der Branche: Hiscox. Für Hussain sicher keine leichte Aufgabe, denn Hiscox versichert Prominente, Königshäuser, Satelliten, Kunstwerte in Milliardenhöhe oder Oldtimer, Cybercrime oder gegen Entführungen.

An einem sonnigen Sonntagmorgen, irgendwo in Sunningdale, knapp fünfzig Kilometer westlich von London, wird die Garage eines herrschaftlichen Landsitzes aufgeschlossen. Zum Vorschein kommen ein walgroßer, schwarzer Bentley Continental GT sowie ein silberner Caterham Super 7 im Renntrimm. Der Bentley bleibt heute kalt, denn es ist Renntag, ein Tag wie geschaffen für den von Lotus erfundenen ultra-spartanischen Leichtrenner Caterham. Die Startnummer 51 prangt auf dem rechten Kotflügel. Zum feuerfesten Rennoverall in Schwarz gesellen sich die aus der Formel 1 bekannten roten Rennhandschuhe und Rennschuhe von OMP. Schnell noch die Performance Box von Racelogic scharf gestellt und schon zerreißt der aggressive-bellende Sound aus dem Rennauspuff die friedliche Ruhe der britischen Countryside, sodass sogar die edlen Rösser im benachbarten Ascot in Unruhe geraten könnten. Der Wagen wiegt zwar vollgetankt kaum mehr als 600 Kilogramm, wuchtet dafür aber 310 Pferdestärken in der 620 R-Version auf die Hinterachse und kann so mit einem Leistungsgewicht von 1,9 kg pro PS mit dem Über-Porsche 918 mithalten und den Bugatti Veyron mit seinen 2,1 kg pro PS sogar locker unterbieten.

Kleiner Hebel, große Wirkung könnte man sagen, womit der Blick endlich auch auf den Piloten fällt. Wer hier die Kühle des Morgens und die Leere der Straßen genießt, ist kein Geringerer als der kommende Chef eines der größten, schillerndsten und vielseitigsten Spezialversicherer der Branche: Hamayou Akbar Hussain, genannt Aki Hussain, der ab 1. Januar 2022 als CEO von Hiscox deren Geschicke bestimmen wird. Das wird sicher keine leichte Aufgabe für den Newcomer, denn Hiscox versichert Prominente, Königshäuser, Satelliten, Kunstwerte in Milliardenhöhe oder Oldtimer, Cybercrime oder gegen Entführungen. Hier gelten ganz besondere Regeln, was Diskretion, Effizienz und Gesellschaftsfähigkeit anbelangt, der Glamourfaktor ist auf jeden Fall gegeben. Vielleicht braucht es eben in Zeiten wie diesen einen völlig neuen Ansatz auch für ein Haus wie Hiscox, welches auf eine nunmehr 120-jährige Geschichte zurückblicken kann. Heute arbeiten bei dem in Hamilton auf den Bermudas beheimateten Unternehmen rund 3.000 Beschäftigte, die einen Umsatz von knapp drei Milliarden englischen Pfund erwirtschaften. Über die im Hause Hiscox generierten Finanzströme ist Aki Hussain bestens informiert, seit 2016 war und ist er auch noch aktuell, als Finanzvorstand aktiv. In dieser Zeit hat sich Hussain, der seine Karriere beim Beratungshaus KPMG begann, für den Spitzenjob empfohlen.

Mit Demut auf das Erreichte schauen und die eigene Herkunft nicht vergessen

Doch wer ist der 1972 im englischen Dewsbury keine 20 Kilometer von Leeds entfernt geborene Sohn pakistanischer Einwanderer? Der Vater, Akbar Hussain, geboren in Rawalpindi, einer Stadt auf dem Pothohar-Plateau in der Provinz Punjab, von 1958 bis 1960 provisorischer Sitz der pakistanischen Regierung, schloss sich im Jahre 1940 der englischen Armee an, um in der indischen Provinz Burma gegen die Japaner zu kämpfen, die das Land ab 1942 besetzt hatten. Als Hussain später verwundet wurde, boten die Briten ihm und weiteren indisch-pakistanischen Auxiliary-Army-Angehörigen an, sich ein neues Leben auf den Britischen Inseln aufzubauen, was Akbar Hussain dankbar annahm. Bildung, Bildung, Bildung war das, was der alte Herr seinem Filius von Klein auf als Mantra für seinen Weg in der westlichen Industriegesellschaft mitgab, außerdem: Vergiss nie, wo Du herkommst, vergiss nie die, denen es nicht so gut geht wie Dir.

Üblicherweise dauert der kulturelle Transfer, inklusive Aufstieg in die Mehrheitsgesellschaft mindestens zwei bis drei Generationen, doch im Hause Hussain wurde mit „Aki“ offenbar der Turbo gezündet und sein weiterer Weg lief entsprechend: Hamayou Akbar schafft es nach dem Schulbesuch mit zwanzig Jahren direkt an die Universität in Leeds. In einem dreijährigen Studium des „Accounting and Finance“ erlangt Hussain den Bachelor of Arts (B.A.) mit der Auszeichnung „First Class Honours“. Direkt im Anschluss zieht es den nun 23-Jährigen als Wirtschaftsprüfer zum Institute of Chartered Accountants für England und Wales (ACA, Accountancy), um schon in dieser Zeit seine Fühler zur Wirtschaftsprüfergesellschaft KPMG in Birmingham auszustrecken.

Nach gut dreieinhalb Jahren folgt dann ein Intermezzo beim Telekommunikationsunternehmen Energis Squared, wieder in seiner Heimat Leeds. Als im Oktober 2001 ein Engagement bei Virgin Media, einem Tochterunternehmen des britischen Selfmade-Milliardärs Richard Branson lockt, ist der 29-jährige Hussain in seinem Element. In den fast fünf Jahren, die der Nachwuchs-Accountant dort verbringt, steigt er vom Finanzdirektor der South Business Unit im Jahr 2003 erst zum Accounting und Reporting Direktor und ab 2004 zum Finanzdirektor der Consumer Division auf. Hier kann Hussain nicht nur kontrollieren, sondern auch aktiv gestalten. Solcherart gefestigt steigt der Vater von heute fünf Kindern ab 2006 bei der Lloyds Banking Group ein. Zuerst in der Position eines Head Group Financial Performance Management und schon im darauf folgenden Jahr als Finance Director der Consumer Bank.

Hier hat Akbar Hussain seine ersten professionellen Kontakte zur Versicherungswirtschaft, die der Jungmanager nach etwas mehr als drei Jahren bei der Lloyds Banking Group mit seinem Wechsel zur britischen Finanz- und Versicherungsgruppe Prudential Plc. intensiviert. Vom Business Representative für UK und Europa geht es ab 2009 vier Jahre später weiter auf der Karriereleiter nach oben: Ab 2013 steht „Finanzvorstand für UK & Europe“ auf Hussains Visitenkarte. Nach insgesamt gut sieben Jahren bei Prudential erfolgt dann der nächste Wechsel: Aki Hussain wird 2016 zum Finanzvorstand bei Hiscox berufen.

„Künstliche Intelligenz wird die Welt übernehmen“

Bei Hiscox sorgte Hussain mit seinem jugendlich-entwaffnenden Auftritt auch sogleich für frischen Wind. Nach einem Jahr im Amt fasste der CFO seine Erfahrungen wie folgt zusammen: „CFO zu sein bedeutet ganz einfach, ein Geschäftsführer und somit ein Teil des Führungsteams von Hiscox zu sein, mit den ganz spezifischen Aufgaben. Die wichtigste Voraussetzung für jeden von uns ist, einen Überblick auf die Angelegenheiten im gesamten Unternehmen zu haben, nicht nur auf die Finanzen. Wir interagieren ziemlich viel miteinander, sei es in Finanzangelegenheiten, Strategien, Betrieb, Produkte. Ich denke, die meisten meiner Interaktionen finden mit dem Group-CFO und auch mit dem Chief Underwriting Officer der Gruppe statt. Ein typischer Tag ist für mich sehr abwechslungsreich: Das bedeutet Nachdenken über die Geschäftsstrategie oder über solche Dinge wie Informationssicherheit bis hin zu detaillierten Bilanzierungsrichtlinien, die Finanzberichterstattung, Kapital- und Liquiditätsmanagement. Die CFO-Jobs von heute sind eigentlich nicht mit den Jobs von vor ein paar Jahren zu vergleichen, wo es im Geschäft hauptsächlich um die Produktion ging, wo man Dinge herstellte. Es ist durchaus etwas schwieriger, die konkrete Herstellung von Versicherungsprodukten zu erklären, und ehrlich gesagt ist es noch schwieriger zu erklären, was ein CFO macht. Allerdings muss ich sagen, dass die älteren meiner Kinder erstaunlich viel von Versicherungen und Risikobündelung verstehen. Insgesamt ist der CFO-Job sehr abwechslungsreich“, so Aki Hussain weiter, allerdings: „In den nächsten 10 Jahren sehe ich keine Veränderung des Jobprofils. Was sich ändern wird, ist die Art der Aktivitäten, auf die wir uns konzentrieren: Die Sammlung von Daten, die Produktion von Daten und die Datenanalyse wird sich erheblich verbessern, neue Informationen und neue Erkenntnisse liefern. Die Art und Weise, wie wir Dinge tun, kann sich also vielleicht weiterentwickeln, aber das, was wir auf höchstem Niveau tun, wird sich wahrscheinlich nicht ändern.“

Zum Thema Künstliche Intelligenz sagt Hussain: „Ich habe alle Filme gesehen, egal ob ,Ex Machina‘ oder den ,Terminator‘. Da heißt es, Künstliche Intelligenz wird die Welt übernehmen. Wir kennen auch Geschichten, wenn intelligentere Wesen auf weniger intelligente Primitive gestoßen sind. Aber das ist in den Filmen. Aber was ich heute voraussehen kann, ist, dass Künstliche Intelligenz noch nicht in diesem Stadium ist und ich kann mir auch keine Position vorstellen, bei der sie in der Lage sein wird, Menschen mit Leidenschaft zu überzeugen oder Menschen aufgrund einer Vision voranzutreiben und Dinge zu beeinflussen, die sie sonst nicht tun würden. CFOs, egal ob sie von gestern, heute oder morgen sind, sie müssen wohl gemeinsame Eigenschaften haben. Erstens denke ich, dass sie sich selbst als Lehrer des Geschäfts sehen und nicht explizit als CFO. Denn Unternehmer sind erfolgreich, wenn sie Leidenschaft, Tatkraft, Energie und Neugier haben. Außerdem müssen wir anpassungsfähig bleiben.“

Sich selbst bezeichnet der Manager als Workaholic, der zu 100 Prozent auf seinen Job fokussiert ist, „aber, wenn ich nicht bei der Arbeit bin, entspanne ich mich gerne. Ich mache viele Sachen, um mich zu entspannen. Caterham-Autorennen ist eines der Dinge, die ich in letzter Zeit begonnen habe. Der größte Teil meiner Arbeit, eigentlich meine ganze Arbeit, dreht sich darum, mit Menschen zu sprechen, Menschen zu beeinflussen. Es geht darum, Probleme durch- zudenken, aber nichts davon ist physisch. Ich sitze den ganzen Tag herum. Beim Rennen dreht sich alles um körperliche Aktivität. Es geht darum, wie schnell man fahren kann, wie spät man bremst, wo man beschleunigt. Aber es geht nicht darum, Probleme zu lösen, es geht nicht darum, herumzusitzen und Menschen zu beeinflussen und so weiter. Also ja, mental ist es sehr entspannend. Allerdings glaube ich, dass meine Fähigkeiten als CFO zu meinen Fähigkeiten als Fahrer oder als Läufer wahrscheinlich um die null Prozent beitragen.“

Möglicherweise ist es seitdem auch genau andersherum gelaufen. Die mittlerweile gewonnenen Fähigkeiten als Rennfahrer haben wenigstens zu ein paar Prozent seiner Fähigkeiten als CFO beigetragen. Länger auf dem Gas stehen als die Konkurrenz, später bremsen und genau im richtigen Augenblick beschleunigen und nicht zu vergessen, eine perfekte Koordination in der Boxengasse bzw. seinem Office-Team. All dies sind Fähigkeiten, die Hussain ganz sicher auch nun als kommender CEO von Hiscox gebrauchen kann.

Autor: Alexander Kaspar

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