„Vom Glaspalast zur gläsernen Police“: Wie transparent sollen die Versicherer sein?

Reto Näscher. Quelle: prosperity company

Die Forderungen nach mehr Transparenz im Versicherungswesen werden immer lauter. Die Kunden möchten die „Black Box“ Lebensversicherung endlich öffnen. Doch was versteht man eigentlich darunter? Ein Gastbeitrag von Reto Näscher.

Transparenz bedeutet, dass ein Thema, Sachverhalte und potenzielle Chancen und Risiken sowie deren Auswirkungen klar verstanden werden. Dies ist bei einem so komplexen und abstrakten Produkt wie der privaten Altersvorsorge in Form einer fondsgebundenen Lebensversicherung besonders herausfordernd. Um die Transparenz zu erhöhen, braucht es nicht nur quantitativ mehr Informationen, sondern vor allem auch eine qualitative Aufbereitung dieser.

Unübersichtliche und inhaltlich überladene Dokumente sind keine Hilfe, sondern ein Hindernis auf dem Weg zur „verständlichen Versicherung“. Welche Schritte die Branche bereits gegangen ist, um Kunden zu befähigen, das Produkt „Lebensversicherung“ ganzheitlich zu verstehen sowie unterschiedliche Angebote miteinander zu vergleichen, zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

Ein Blick zurück

Lebensversicherungen erwirtschafteten bis zur Weltwirtschaftskrise 2007 hohe Renditen. Kosten spielten eine vergleichsweise unwichtige Rolle. Doch die Weltfinanzkrise betraf auch die Lebensversicherung. Leitzinsen wurden gesenkt und dauerhaft niedrig gehalten. Kosten rückten bei einer immer geringeren Verzinsung in den Fokus. Die Reaktion der Politik: Es wurden erste Transparenzvorschriften erlassen. 

Ab dem 1. Juli 2008 galt dann die Informationspflichtenverordnung, die neue sowie laufende Verträge betraf. Lebensversicherungsgesellschaften müssen Kunden nun die gesamten Abschluss- und Verwaltungskosten ihres Vertrags offenlegen. Dies betraf auch die Berechnung der Überschüsse sowie die Kundenbeteiligung daran. Der erste Schritt zu mehr Transparenz war getan. Mangels einheitlicher Veröffentlichungsrichtlinien wählte jeder Versicherer sein eigenes Format. Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen den Angeboten konnte so nicht erreicht werden. Die Reaktion der Politik: Es wurden weitere Transparenzregelungen erlassen.

Mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz vom 24. Juni 2013 folgte die Einführung eines Produktinformationsblatts (PIB), das einheitlich strukturiert ist und prägnant zusammengestellte Informationen enthält. Es dient zum Vergleich zwischen Produkten verschiedener Anbieter. Doch immer wiederkehrende Kritik zum Beispiel im Bereich der Beitrags- und Überschusstransparenz, hält den Druck, der vom Gesetzgeber ausgeht, auch in der Gegenwart hoch.

Ein Blick in die Gegenwart

Mit der EU-Transparenzverordnung vom 10. März 2021 wurde eine weitere Forderung nach mehr Verständlichkeit – diesmal in Richtung Nachhaltigkeit – umgesetzt. Seitdem muss man bei der Beratung nicht nur über Nachhaltigkeitsrisiken informieren, sondern auch die Methode zur Produktauswahl erläutern. Außerdem muss Auskunft über die Vergütungspolitik des Vermittlerbetriebs gegeben werden.

Diese Momentaufnahme legt nahe, dass mehr Transparenz sowie die letztliche Umsetzung transparenter Maßnahmen meist vonseiten der Politik in Form von Gesetzen und Regularien erwirkt wurden. Die Erhöhung von Transparenz trat hierbei stufenweise ein. Dies liegt mitunter daran, dass gesetzliche Vorgaben oft ein hohes Verbesserungspotenzial aufweisen (z. B. unklare Begrifflichkeiten).

Seit einiger Zeit zeigt sich jedoch, dass auch die Branche intern ein authentisches Interesse daran hat, transparenter zu sein und auch so wahrgenommen zu werden. Das sieht man beispielhaft an der Diskussion um Netto-Tarife. Makler:innen, denen die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen noch nicht weit genug gehen, bieten unter anderem auch Netto-Tarife an. Hierbei wird die Beratungsleistung von den Kosten für die Police in Rechnung gestellt und direkt von den Kund:innen entlohnt. Ein Vorstoß, vor allem, was die Kosten-Transparenz der Vergütung angeht. Um die konkreten Vorteile zu verstehen, die sich aus transparenteren Strukturen für beide Seiten ergeben, lohnt sich ein allgemeiner Blick auf die Bedeutung von Transparenz im Versicherungswesen.

Bedeutung von Transparenz

Grundsätzlich ist gerade in der Versicherungsbranche – einer Vertrauensbranche – ein hoher Grad an Transparenz gefordert, da Themen wie Altersvorsorge sehr sensibel sowie inhaltlich hochkomplex sind. Lebensversicherungsgeschäfte bauen grundsätzlich auf Vertrauen auf, da die Geschäftsbeziehung über mehrere Dekaden verläuft. Für eine langfristige Kundenbindung ist Transparenz also eine Grundvoraussetzung. Laut einer DIA-Studie aus dem Dezember 2020 waren 70 Prozent aller Befragten der Meinung, dass ihre Vorsorge im Alter nicht ausreiche. 47 Prozent davon möchten jedoch proaktiv nichts für die private Vorsorge tun.  Auch wenn die Gesamtheit der Gründe, die diese Ergebnisse bedingen vielfältig sein mag, lässt sich doch die Vermutung aufstellen: Fehlende Transparenz führt im schlimmsten Fall dazu, dass gar keine Entscheidung hinsichtlich der eigenen Vorsorge getroffen wird.

Transparenz schafft Klarheit für den einzelnen Kunden und verändert die Preisgestaltung strukturell. Mit größerer Transparenz steigt also nicht nur der Wettbewerb in der Branche, sondern auch die Qualität der Produkte, gleichzeitig sinken Preise. Was lässt sich daraus für einen Blick in die Zukunft schlussfolgern?

Der Blick in die Zukunft 

In Zukunft wird die Branche nicht nur durch weitere gesetzgeberische Initiativen transparenter, sondern auch durch die fortschreitende Digitalisierung sowie den Markteintritt von Fin- und InsurTechs. Veränderungen werden zunehmend durch die wachsenden Ansprüche der Kund:innen vorangetrieben. Die Versicherung wird nachhaltiger, transparenter und auch digitaler. Die Abwicklung von sämtlichen Prozessen per App wird bei der Zielgruppe der 20–35-Jährigen mehr oder weniger vorausgesetzt. Was bei simplen Vorgängen wie der digitalen Essensbestellung schon Realität ist, wird in Zukunft auch bei der digitalen Policenverwaltung zum Standard werden. Die fortschreitende Digitalisierung wird sich maßgeblich auf die Transparenz in der Branche auswirken. Denn per App können Informationen verständlich und zielgruppengerecht aufbereitet sowie jederzeit einsehbar bereitgestellt werden. Kund:innen können außerdem selbstständig persönliche tagesaktuelle Daten abrufen. Das ermöglicht es ihnen, die Wertentwicklung stetig zu beobachten und mit der zu Vertragsbeginn erstellten Prognose abzugleichen. Bislang werden Rückkaufswerte üblicherweise einmal im Jahr per Post kommuniziert. Ein weiterer großer Schritt zu mehr Transparenz ist in einer digitalen Lösung auch dadurch gegeben, dass Fragen direkt in der App an Expert:innen gestellt werden können. Blicken wir nun zehn Jahre in die Zukunft, wird der Abschluss einer Lebensversicherung via App voraussichtlich die absolute Norm sein – und damit auch ein neuer Standard von Transparenz im Versicherungswesen.

Autor: Reto Näscher, CEO der the prosperity company

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