Ehemaliger Munich-Re-Manager könnte Michael Diekmann ablösen

Versicherungsexperte Jörg Schneider. Bildquelle: Munich Re

Die Allianz will zur kommenden ordentlichen Hauptversammlung am 8. Mai zwei neue Kandidaten für ihren Aufsichtsrat berufen. Wenn die Vorschläge durchgehen, was wahrscheinlich ist, werden der ehemalige Munich-Re-Finanzchef Jörg Schneider und Ex-Abrdn-Managerin Stephanie Bruce die bisherigen Mitglieder Herbert Hainer und Christine Bosse ablösen. Hinter den Kulissen wird bereits spekuliert, ob Schneider perspektivisch ein Mann für die Aufsichtsratsspitze sein könnte.  

Mit dem Erreichen der Alters- bzw. Dienstaltersgrenze enden die Mandate von Hainer und Bosse. Der aktuelle Präsident des Fußballclubs Bayern München und ehemalige Adidas-Chef wird am 3. Juli 70 Jahre alt und rückte 2017 in das Kontrollgremium der Allianz. Seine dänische Kollegin kam 2012 zur Erstberufung und wird in diesem Jahr 64.

Die Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Allianz beträgt in der Regel vier Jahre. Sie ergibt sich aus der Satzung des Münchener Konzerns, wonach „die Mitglieder für einen Zeitraum bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das dritte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt, bestellt werden.“ Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. Wiederbestellungen sind möglich.

Der 65-jährige Schneider war am 31. Dezember 2018 nach über 18 Jahren im Vorstand auf eigenen Wunsch aus dem Führungsgremium der Munich Re ausgeschieden. Der Betriebswirt und Jurist war der am längsten amtierende CFO sowohl im deutschen Börsenindex Dax 30 als auch unter den großen europäischen Versicherungsunternehmen. 1988 trat er in den Bereich Finanzen der Münchener Rück ein. 2000 wurde er zum Mitglied des Vorstands bestellt. Seit 2001 leitete er als CFO die Bereiche Financial and Regulatory Reporting, Group Controlling, Integrated Risk Management, Group Legal, Group Taxation, Investor and Rating Agency Relations sowie Group Compliance. Zu seinem Nachfolger wurde Christoph Jurecka berufen, der das Amt aktuell innehat.

Schneider selbst erlebte Höhen und Tiefen bei der Munich Re. Zum Beispiel den Terroranschlag auf das World Trade Center, der beim Versicherer mit 2,2 Milliarden US-Dollar zu Buche schlug. Auch die Probleme um den 1996 getätigten Kauf der Amercan Re für einen Betrag von 3,3 Mrd. Dollar managte er später als Finanzchef. 2,5 Mrd. Euro musste man in das unterreservierte US-Geschäft stecken. Erstmals verlor Munich Re damals ihr Spitzenrating von Triple A.

Überschattet wurde diese Episode von dem katastrophalen Einbruch der Aktienbörsen. Über 6,5 Mrd. Euro an Aktienwerten musste der Rückversicherer abschreiben. Schneider räumte ein, dass der Aktiencrash eine noch schwerere Belastung als der Anschlag auf das World Trade Center war und gestand auch eigene Fehler ein: „Die Instrumente, mit denen wir unsere Kapitalanlagen vor Einbußen sichern können, reichten für das Ausmaß der Kursrückgänge nicht immer aus“, sagte er damals. Mit viel Disziplin und ohne größere Wagnisse arbeitete sich der Münchener Rückversicherer in den Folgejahren zusammen mit Schneider als CFO aus dem Tief wieder nach oben. Die Finanzkrise 2007 und 2008 überstand das Unternehmen ohne größere Kratzer.

Die Allianz kündigte an, dass Schneider im wahrscheinlichen Fall seiner Wahl in den Aufsichtsrat als Hainer-Nachfolger für das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Allianz SE vorgeschlagen wird. Das heizt die Gerüchteküche an. Insider interpretieren das als Zeichen, ihn zunächst an das Aufsichtsgremium heranzuführen und nach dem geplanten Abschied von Michael Diekmann im Jahr 2026 an deren Spitze zu befördern. Ob es so kommt, ist offen. Schneider wäre zu diesem Zeitpunkt 67 Jahre alt.

Dass diese Diskussion überhaupt aufkommt, hängt damit zusammen, dass sich Diekmann bei der letzten Hauptversammlung für eine externe Nachfolgelösung für sein 2026 frei werdendes Amt ausgesprochen hat. „Mittlerweile wird von institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern vermehrt erwartet, dass kein ehemaliges Mitglied des Vorstands der Allianz SE den Aufsichtsrat übernimmt“, sagte der Aufsichtsratschef. Der amtierende CEO, der früher quasi automatisch für den Posten vorgesehen war, ist aus dem Rennen – in diesem Fall Oliver Bäte.

Auf Spekulationen lässt sich die Allianz aber nicht ein und schiebt in einem Statement nach, dass eine Entscheidung über die Wahl eines Diekmann-Nachfolgers als Aufsichtsratschef erst in etwa zwei Jahren anstehe. „Bei der Besetzung und Nachfolgeplanung des Aufsichtsrats stehen langfristige Planung, Kontinuität und Klarheit für uns an oberster Stelle“, betont Diekmann selbst.

Das zweite designierte Allianz-Aufsichtsratsmitglied Stephanie Bruce (55) war bis Mai 2023 Mitglied des Board of Directors und Chief Financial Officer des britischen Asset-Managers Abrdn plc und zuvor Senior Partner für Finanzdienstleistungen bei PricewaterhouseCoopers.

Autor: Michael Stanczyk