„2022 wird das Jahr der Emerging Risks“

Emerging Risks umfassen ein Erhebliches, aber schwer zu quantifizierendes Schadenpotenzial. (Quelle: Brainbitch/flickr/https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Ob Klimawandel, politische Risiken oder Hackerangriffe – Emerging Risks bleiben häufig unerkannt, bis sie sich unerwartet als folgenschwere Risikoereignisse oder spontane Trendentwicklungen manifestieren. Wie der Markt für Unternehmensrisiken im kommenden Jahr aussehen wird, erläutert Monika Behrens, Geschäftsführerin Willis Towers Watson Versicherungsmakler GmbH.

Im aktuellen Jahr 2021 ist der Druck auf Versicherungsunternehmen weiter gestiegen: Die Pandemie hat das Insolvenzrisiko erhöht und die D&O-Versicherung belastet; auch Flutschäden und Cyberangriffe haben zu hohen Verlusten geführt. Für die Versicherer ist also das Liquiditäts- und Kostenmanagement zunehmend herausfordernd, zumal sich Verluste der Gesellschaften – im anhaltenden Niedrigzinsumfeld – nicht mehr einfach ausgleichen lassen.

Auch die versicherungsnehmenden Firmen haben verstanden, dass sie selbst stärker gefordert sind: In einer Blitzumfrage im Sommer gaben 77 Prozent der Risikoverantwortlichen an, dass der Stellenwert von Risikomanagement in ihrem Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen sei. Und nicht zuletzt verändern sich die Risiken, die es zu versichern gilt, radikal. Es kommen neue Risiken auf, die nicht mit vorhandenen historischen Daten eingeordnet und abgewogen werden können. Was sind dies für „Emerging Risks“ und warum wird Prävention immer wichtiger?

Die neue Risikowelt

Der Schlüssel, um Unternehmensrisiken abzusichern, liegt immer in der Transparenz und Kenntnis derselben. Vielen Unternehmen fehlt jedoch ein klares Bild, insbesondere, wenn es um Risiken geht, die erstmals in Erscheinung treten. Über diese stehen kaum Daten zur Verfügung stehen, und Risk- Manager können dann nicht – wie gewohnt – Erkenntnisse aus zurückliegenden Schadenfällen ziehen. Jedes neue Risiko erfordert eine individuelle Annäherung, Schadenpotenzial und Risikoappetit für sich selbst zu definieren.

ESG-Themen und Nachhaltigkeit:
Nicht nur aus Sicht der Unternehmen, sondern auch für die Versicherungsindustrie ist die Klimakrise die Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Das Weltwirtschaftsforum in Davos definierte 2020, dass vier der fünf größten globalen Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen (Abb. 1). Nur wenn Risikomanager und Sustainability-Manager eng zusammenarbeiten, können sie ihr Unternehmen resilient gegen die Folgen der Klimakrise aufstellen.

Versicherer entscheiden seit Kurzem, was sich aus Nachhaltigkeitssicht künftig versichern lässt und welche Risiken Unternehmen eingehen können. Sie nehmen aber nicht nur Einfluss als globale Risikomanager, sondern auch als Kapitalanleger. Dazu hat sich die Branche bereits ‚grüne‘ Investitionsregeln auferlegt, ganz im Sinne der wachsenden Bedeutung von Kriterien für eine nachhaltige Unternehmensführung (ESG: Environmental, Social, Governmental Criteria).

Vor dem Hintergrund, dass ESG-Kriterien immer wichtiger werden, müssen sich Unternehmen schnell und radikal anpassen, damit sie in Zukunft auch versicherbar bleiben. So werden sie zum Beispiel sehr viel stärker recyceln müssen, um nachhaltiger zu werden – bereits heute sind die Unternehmen der klassischen Entsorgungs- und Recycling-Industrie äußerst schwer zu versichern. Dieser Trend wird sich auf alle Organisationen niederschlagen. Auch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet ab 2023 zu einer Risikoanalyse der eigenen Lieferkette. Ziel ist es, Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen in Lieferketten zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Dieses Gesetz tangiert neben dem Nachhaltigkeitsrisiko auch das D&O-Risiko eines Unternehmens. Bei der Beurteilung von Nachhaltigkeit gibt es viele Abstufungen, die nur durch eine saubere Risikoanalyse sichtbar gemacht werden können. Analyse-Tools, die auf die individuelle Risikoexposition eines Unternehmens blicken, sind hierbei unerlässlich.

Cyberrisiken:
Durch die wachsende Anzahl an Hackerangriffen rückt die Abdeckung von Cyber-Risiken immer stärker in den Fokus. Aufgrund ihrer Schadenerfahrungen zeichnen jedoch die Versicherer Cyber-Risiken zunehmend zurückhaltend.
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, jene Risiken, die aus Schwachstellen im IT-System oder dem Fehlverhalten von Mitarbeitern resultieren könnten, zu identifizieren und deren Folgen zu quantifizieren. Sie müssen verstärkt und wirksam in Prävention investieren, wenn sie in diesem Bereich weiterhin Versicherungsschutz erhalten möchten.

Zu den besonders kritischen Punkten aus Sicht der Versicherer gehört die Sensibilisierung der Mitarbeiter, weil diese durch unbedachte Handlungen das größte Einfallstor für Viren oder Hacker bilden. Das Homeoffice hat diesen Trend noch verstärkt. Auch für international aufgestellte große Unternehmen spitzt sich die Situation zu: Die Risikoermittlung über Fragebögen und Audits ist aufwendig und die Gefahr gegeben, dass am Ende doch kein Versicherungsschutz gewährleistet werden kann. Unternehmen müssen sich bei Cyberrisiken genau überlegen, welche Kombination aus Deckungssummen und Eigentragung für sie sinnvoll ist.

Politische Risiken:
Die politischen Unwägbarkeiten weltweit sind auch 2021 weiter gestiegen. Sowohl das subjektive Empfinden einer höheren Risikoexposition als auch tatsächliche Verluste durch politische Turbulenzen – etwa durch den Brexit oder die Covid-Diskussionen in vielen Ländern – nehmen zu. Die mediale Öffentlichkeit konzentriert sich stets auf einige wenige akute Krisenherde, während länger andauernde Risiken im Hintergrund bleiben, aber dennoch Auswirkungen haben.
Politische Unruhen in allen Teilen der Welt führen zu Polarisierung, Ungleichheit und Verarmung. Auch die Corona-Pandemie hat dazu einen großen Teil beigetragen. Diese Entwicklungen sollten Unternehmen genau beobachten, um Auswirkungen rechtzeitig zu antizipieren. Dabei helfen digitale Risikotools, die auf einer umfangreichen Datenbasis fußen: beispielsweise das Tool VAPOR (Value at Political Risk), welches die Kosten für politische Risiken in bestimmten Rechtsräumen oder Industrien bewertet.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der aktuellen Dezember-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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