Wider das Datenmonopol: Wie die Kfz-Versicherer das „Gold des 21. Jahrhunderts“ für sich nutzen wollen
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Die Versicherer haben die neuen Kfz-Regionalklassen festgelegt. Quelle: Pixabay

Daten sind das „Gold des 21. Jahrhunderts“, auch in der Mobilitätsbranche. Wem es gelingt, die vom Autofahrer produzierten Datensätze zu sammeln, zu vernetzen und zu steuern, hat die Nase vorn. Aber wer wird das sein?

Mit der Frage der Datennutzung allgemein und in der Mobilitätsbranche im Besonderen befasste sich eine Expertenrunde im Rahmen des „Goslar Diskurses“, den die Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern (Goslar-Institut) am Donnerstagabend veranstaltete. Hart ins Gericht mit den deutschen Autobauern ging gleich zu Beginn Jochen Rudat, der zehn Jahre lang als Europa-Chef beim Elektroautohersteller Tesla arbeitete und seitdem als Berater für E-Autos tätig ist. „Die deutschen Automobilhersteller haben die Trends verschlafen, etwa was E-Autos, das autonome Fahren und eben auch das Monitoring von Daten betrifft“, urteilte er hart. „Das Rennen werden die Startups machen, die keine Vergangenheit zu bewältigen haben, sondern fokussiert und innovativ vorgehen.“

Alle Hersteller über einen Kamm scheren könne man aber nicht. Als Schlusslicht bezeichnete er BMW, VW sei vor allem auf dem Gebiet der E-Autos dagegen vorangeschritten. Auch Daimler und Bosch hätten gute Ansätze. Aber: Tesla ist viel weiter, weiß er. Und autonomes Fahren, warf er noch ein, werde nach seiner Erkenntnis viel früher kommen als gedacht. Dazu werde in den nächsten zwei bis drei Jahren ein Ausbau des autonomen Luftverkehrs mit Drohnen und Lufttaxis kommen. Ein weiterer Megatrend der Zukunft: Mikromobilität. Autos, ist er überzeugt, werden aus den Innenstädten verschwinden und durch elektrisch angetriebenen Kleinst- und Leichtfahrzeugen sowie Pedelecs ersetzt.

Fronten sind verhärtet

Der Journalist und Automobilexperte Guido Reinking knüpfte an die Kritik an deutschen Autobauern an: „Warum kommuniziert mein Auto nicht mit meinem Smartphone und kennt meine Termine nicht? Warum macht es mir nicht unterwegs Angebote, wo ich rasten und etwas essen kann?“, meinte er. Daraus ließen sich interessante Geschäftsmodelle generieren, wenn man die Daten nutzen würde. Unzufrieden ist auch die Versicherungswirtschaft, wie Huk-Vorstand Jörg Rheinländer erklärte. Seit zehn Jahren seien die Fronten zu den Autoherstellern verhärtet, sie würden mauern und auf dem einseitigen Zugriff auf die Daten beharren. Versicherer würden nach wie vor mit einer Übergangslösung arbeiten und aus Geschwindigkeit, Ort, Zeit und Beschleunigung Telematiktarife bauen, die im Übrigen für Kunden vollkommen transparent seien.

„Aus der App kann der Autofahrer jederzeit erfahren, wie er performt“, erläutert er. Nachweislich sei damit auch eine Veränderung der Fahrweise verbunden, die umsichtiger sei und weniger Unfälle verursache. 400.000 Kunden hätten sich bei der Huk-Coburg für Telematiktarife entschieden, mit denen man bereits vier Milliarden Kilometer „eingesammelt“ habe. Man könne sich vorstellen, weitere Dienstleistungen anzubieten. Dafür sei es aber notwendig, dass der Fahrer über seine Daten bestimmt, nicht der Hersteller, so seine Kritik.

Neue Geschäftsideen durch Datennutzung

Die Sicherheit der erzeugten Daten und der faire Zugang zu ihnen war zentrales Thema der Diskussion. Von der Transparenz beim Umgang mit Daten hänge es ab, ob Menschen bereit seien für gute Zwecke ihre Daten zu spenden. Die Tatsache, dass sie oft nicht wissen, was mit ihren Daten passiert und an wen sie weitergegeben werden, erzeuge Unsicherheit, auch bei den Daten, die das Auto generiert, ist sich Ellen Enkel sicher, Mobilitätsexpertin der Universität Duisburg-Essen und Nachfolgerin des „Autopapstes“ Professor Ferdinand Dudenhöffer. Daten dürften nicht monopolisiert werden durch die großen Hersteller, sondern sollten allen Beteiligten zur Verfügung stehen, wodurch neue Geschäftsideen und neue Angebote für Kunden entstehen und viele individuellen Kundenbedürfnisse befriedigt werden könnten.

„Ich wünsche mir viele neue Player auf dem Mobilitätsmarkt und jede Menge Innovationen“, fasste sie zusammen. Guido Kutschera, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH, berichtete von der bereits 2019 gestarteten Initiative der Dekra gemeinsam mit anderen Prüforganisationen zur Gründung eines Trust Centers für Automobildaten. Auf einer herstellerunabhängigen Plattform sollen Fahrzeugdaten treuhänderisch gespeichert und nach klar definierten Kriterien an Prüforganisationen weitergegeben werden, da ansonsten der ordnungsgemäße Zustand und die Sicherheit der Fahrzeuge nicht garantieren lässt.

Daten fürs Gemeinwohl

Auch Susanne Knorre vom Institut für Kommunikationsmanagement der Hochschule Osnabrück unterstützt die Idee eines Datentreuhänders. Dieser müsse die Datensicherheit und den fairen Zugang sicherstellen. „Verbraucher haben eine hohe Bereitschaft ihre Daten für gemeinwohlorientierte Zwecke wie Gesundheit und Klimaschutz zu spenden, wenn dies in zertifizierte Datenbanken erfolgtW“, berichtet sie. Die Gesellschaft könne es sich gar nicht leisten, den Datenschatz der Mobilitätsteilnehmer nicht zu heben, ist sie überzeugt. Der Druck in der kommenden Dekade, was zum Beispiel den Klimaschutz angeht, sei so groß, dass Big Data genutzt und vom Big Brother-Image befreit werden müsse.

Sie könne sich auch Stiftungen als Instanz vorstellen, die Datenschutz, Datenqualität und freien Zugang sichern. Wenn man wolle, dass sich im Mobilitätssektor zusätzliche Services und neue Geschäftsidee entwickeln, müsse der Datenzugang gewährleistet werden. Wichtig sei immer der erkennbare Nutzen für die Allgemeinheit. Wenn die Mobilität aus der Allgemeinwohlorientierung heraus optimiert werde, würde das den Durchbruch für Big Data bringen.

Autorin: Elke Pohl

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