VKB-CEO Frank Walthes: „Wir haben gelernt, Bedingungen wesentlich deutlicher zu formulieren“

Frank Walthes, Vorstandsvorsitzender Konzern Versicherungskammer(Quelle: Versicherungskammer)

Zum Jahresende ziehen auch Versicherungsmanager üblicherweise eine Bilanz des zurückliegenden Jahres. Im Gespräch mit der Versicherungswirtschaft spricht VKB-Chef Frank Walthes über Zeiten der Unsicherheit, die schwierige BSV-Debatte und wichtige Lehren.

VWheute: Ein anspruchsvolles Geschäftsjahr 2020 neigt sich langsam dem Ende zu. Was erwarten Sie mit Blick auf die Geschäftsentwicklung 2021? Chancen und Schwierigkeiten.

Frank Walthes: Ich gehe davon aus, dass wir im Konzern Versicherungskammer unsere Ziele auch 2021 nicht infrage stellen und erreichen können, denn der Versicherungsbedarf ist in unserer Gesellschaft ja unvermindert vorhanden und in einigen Bereichen bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Ich denke hier ganz besonders an die Pflegeversicherung, an die betriebliche Altersversorgung oder eine adäquate Absicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit. Aber, wir kennen alle noch nicht den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Implikationen oder den finanziellen Folgen für viele Menschen. Einzelne Branchen sind schon jetzt deutlich stärker von den coronabedingten Einschränkungen in diesem Jahr getroffen, als aktuell die Versicherungswirtschaft.

VWheute: Eine durchaus komplizierte Lage. Wie geht der Konzern mit den Unsicherheiten um?

Frank Walthes: Wir bewerten mithilfe unseres Risikomanagements kontinuierlich unterschiedlichste Szenarien, schätzen Chancen und Risiken ein und sind so auch kurzfristig in der Lage, an unserer Ausrichtung zu justieren. Besonders im Blick haben wir dabei die weiterhin volatilen Kapitalmärkte, wovon Unternehmen und Privatanleger gleichermaßen betroffen sind und die nicht ohne Einfluss auf die Entwicklungen bleiben werden. Damit kommt es im Wesentlichen darauf an, welches der Corona-Szenarien sich 2021 realisiert. Diese Rahmenbedingungen beeinflussen letztendlich unsere Zielerreichung.

VWheute: Was hat Corona mit Ihrem Unternehmen gemacht? Welche Bewegungen in Belegschaft und Führung haben Sie ganz persönlich wahrgenommen?

Frank Walthes: Ganz grundsätzlich weiß ich, dass wir alle der Corona-Pandemie kaum etwas Gutes abgewinnen können. Was mich in dieser unguten Gesamt-Situation dennoch positiv stimmt, das sind die Flexibilität und die hohe Solidarität, die unsere Belegschaft bei diesen ja wahrlich einschneidenden Veränderungen in diesem Jahr gezeigt hat. Die hohe Bereitschaft, seit März und bis heute, von einem Tag auf den anderen mit großer Mehrheit sehr engagiert und kaum messbaren Einbußen bei der Produktivität aus dem Homeoffice zu arbeiten, das halte ich schon für eine enorme Leistung.

Damit waren natürlich auch die Führungskräfte mit ganz neuen Fragestellungen und Herausforderungen konfrontiert und es hat sich gezeigt, wie wichtig Vertrauen in solchen Sondersituationen tatsächlich ist. Unsere gesamte Belegschaft, im Innen- wie im Außendienst, hat bisher enorm viel geleistet und deshalb kann ich heute auch auf ein angemessen gutes Geschäftsjahr für die Versicherungskammer blicken.

VWheute: Die BSV-Debatte war eines der prägenden Themen dieses Jahr. Was halten Sie von den bisherigen Entwicklungen? Wie ist Ihre Position?

Frank Walthes: Wenn ich hier noch einmal auf Ihre vorherige Frage nach den negativen Überraschungen zurückkommen darf, dann ist es in der Tat der mediale und teils auch juristische Umgang mit der Betriebsschließungsversicherung (BSV). Eine BSV war nie für den Fall gedacht und kalkuliert, dass eine gesamte Branche, ein gesamtes Kollektiv seitens des Staates geschlossen wird. Aus Theorie und Praxis wissen wir alle, dass eine Pandemiemit normalen Risiko- und Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht aktuariell zu kalkulieren ist. Den notwendigen Prämienbedarf hierfür würde kein Versicherungsnehmer bezahlen wollen und können.

„Im Falle der Corona-Pandemie hat der Staat durch die Verfügung von Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen auf Grundlage des IfSG einen 100-prozentigen Schadenfall geschaffen.“

Frank Walthes, Vorstandsvorsitzender der Versicherungskammer Bayern (VKB)

VWheute: Eine Pandemie, wie wir sie jetzt erleben, kann privatwirtschaftlich nicht versichert und bezahlt werden, heißt es …

Frank Walthes: Deshalb verstehe ich weder die Einschätzungen vieler Medienvertreter noch die Ausführungen einzelner Gerichte, die hier nach wie vor die Versicherungswirtschaft in der Pflicht sehen. Jede Versicherung – so auch die BSV – beruht auf dem Prinzip des Risikoausgleichs im Kollektiv und über die Zeit. Nur wenn dieses Prinzip gewahrt ist und bleibt, kann eine private Versicherung – für Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen – nach wirtschaftlich berechenbaren Grundsätzen funktionieren. Eine Versicherung organisiert einen Pool von Risiken. Mittels mathematischer Modelle erfolgt eine Einschätzung der Risiken und infolge dessen die Berechnung einer Prämie.

Das Prinzip ist, dass Schäden von Wenigen mit den Prämien von Vielen gezahlt werden können. Wenn praktisch gleichzeitig bei allen versicherten Risiken eines Kollektivs durch staatliche Allgemeinverfügungen eine Betriebsschließung erfolgt, kann das Versicherungsprinzip nicht funktionieren. Im Falle der Corona-Pandemie hat der Staat durch die Verfügung von Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen auf Grundlage des IfSG einen 100-prozentigen Schadenfall geschaffen.

VWheute: Hat die Branche Fehler gemacht?

Frank Walthes: Es gilt wie so oft der Satz: Hinterher ist man immer klüger. Nein, ich würde nicht sagen, dass die Branche Fehler gemacht hat, weil sie ein bis dato nicht denkbares Ereignis nicht in ihren Versicherungsbedingungen vollumfänglich berücksichtigt hat. Wir können aber sagen, dass wir gelernt haben, Bedingungen noch wesentlich deutlicher zu formulieren, was derzeit ja auch in weiten Teilen geschieht.

VWheute: Sind andere Themen aufgrund von Corona in den Hintergrund geraten? In welchen Bereichen müssen Sie 2021 Nachholarbeit leisten?

Frank Walthes: Corona hat digitale Prozesse weiter beschleunigt, doch war uns von Beginn an klar, dass andere Themen darunter nicht leiden dürfen. Die Erschließung neuer Kundengruppen, was uns beispielsweise mit unserem Beitritt zum Konsortium Metallrente gelungen ist oder das große Thema Nachhaltigkeit, sind deshalb nicht in den Hintergrund getreten und wurden gleichermaßen mit hoher Priorität verfolgt.

An diesen Themen werden wir 2021 intensiv weiterarbeiten, genauso wie an unserem bedürfnisorientierten Produktportfolio über alle Sparten oder dem Ausbau von Infrastrukturinvestments, um nur einige wenige relevante Themen zu nennen.

Die Fragen stellte VWheute-Chefredakteur Michael Stanczyk.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Dezember-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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