Signal-Iduna-Chef Leitermann im Interview: „Wir haben von Anfang an entschieden, uns in der BSV jeden Einzelfall anzuschauen und entsprechend zu regulieren“

Ulrich Leitermann, Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna, setzt auch auf Samstagsarbeit. Quelle: Signal Iduna

Die Signal Iduna hält an ihren Unternehmens- und Vertriebszielen für dieses Jahr fest. „Wir wollen dieses Jahr Beitragseinnahmen von über sechs Mrd. Euro erzielen“, konstatiert Vorstandschef Ulrich Leitermann. Warum Homeoffice dennoch kein Zukunftsmodell ist und „die Betriebsschließungsversicherung nie als Pandemiedeckung gedacht war“, erläutert er exklusiv für VWheute.

VWheute: Die vergangenen Monate wurden vor allem durch die Corona-Pandemie und deren Folgen für die Versicherungsbranche geprägt. Wie haben sich die Folgen bislang bei der Signal Iduna bemerkbar gemacht?

Ulrich Leitermann: Wir sind bisher sehr gut durch diese für uns alle herausfordernde Krise gekommen. Unsere Investitionen der letzten Jahre in die technische Ausstattung, Verbesserung unserer Systeme und die Digitalisierung haben dazu geführt, dass innerhalb von einer Woche 80 Prozent unserer Mitarbeitenden von zu Hause effektiv arbeiten konnten. Unser Außendienst war sofort in der Lage, unsere Kunden remote zu beraten.

Wir haben diverse Bestandserhaltungs-Maßnahmen und damit Hilfen für unsere Kunden beschlossen. Der Beitragsrückgang ist sehr überschaubar. Der Schwerpunkt liegt bei Beitragsfreistellungen in der Lebensversicherung. Mich freut besonders, dass wir viele wertschätzende Rückmeldungen von Kunden und Außendienstpartnern bekommen haben – sowohl zur Arbeitsfähigkeit als auch zu passgenauen Maßnahmen für unsere Kunden.

VWheute: Marktbeobachter sprechen von einem neuen Digitalisierungsschub für den Versicherungsvertrieb: Wie sind Ihre Einschätzungen dazu?

Ulrich Leitermann: Das ist ganz sicher so. Die Krise hat uns allen sehr deutlich gezeigt, was alles technisch möglich ist, wenn wir auf persönliche Kontakte weitestgehend verzichten müssen. Allerdings merken wir auch zunehmend, wie wichtig der persönliche Kontakt für die Menschen ist. Das gilt nicht nur für den Vertrieb, das gilt auch für die Zusammenarbeit insgesamt.

Nichts kann auf Dauer das persönliche Gespräch, den persönlichen Austausch ersetzen. Unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregelungen berät unser Außendienst unsere Kunden deshalb auch wieder persönlich. Wir merken aber auch ein Umdenken zur Häufigkeit des persönlichen Austausches. Die Corona-Pandemie wird deshalb langfristig Auswirkungen bei der Frage haben, was kann ich telefonisch oder remote machen, wo brauche ich den persönlichen Kontakt, die persönliche Beratung.

VWheute: Viele Versicherungsunternehmen haben ihren Geschäftsbetrieb kurzfristig ins Homeoffice verlegt: Welche mittel- und langfristigen Folgen sehen Sie für agile Arbeitsmodelle?

Ulrich Leitermann: Wir haben uns bereits vor der Corona-Pandemie intensiv mit agilen Arbeitsmethoden beschäftigt, setzen diese gerade flächendeckend im Unternehmen um. Das ist deshalb für mich auch primär keine Frage im Bereich Homeoffice. Agile Arbeitsmethoden führen dazu, dass wir noch schneller und effizienter in crossfunktionalen Teams zusammenarbeiten. Produkte und Lösungen schon in einem sehr frühen Stadium gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln – unabhängig wo die Teams arbeiten.

Die Erfahrungen mit den aktuellen Homeoffice-Regelungen und Modellen zeigen, dass wir in Ausnahmesituationen in der Lage sind, quasi komplett den Geschäftsbetrieb außerhalb unserer Büros aufrechtzuerhalten. Mittel- bis langfristig werden wir unsere Erfahrungen nutzen, den Mix von Büroarbeit und Homeoffice zu verändern. Die Wertschätzung der Mitarbeitenden war sehr groß, dass wir gemeinsam mit unseren Betriebsverfassungsorganen die Möglichkeit geschaffen haben, Arbeit, Familie, Betreuung von Angehörigen und Homeschooling so weit es geht in Einklang zu bringen.

Dafür haben wir Arbeitszeitmöglichkeiten ausgeweitet, technische Ausstattung soweit nötig aus den Büros mit nach Hause gegeben und die Zuführung von digitalisierten Dokumenten beschleunigt. Jetzt arbeiten rund 40 Prozent regelmäßig wieder im Büro, unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregelungen sowie diverser anderer Auflagen wie Zutrittsbeschränkungen nach Auslandsaufenthalten. Das Bedürfnis steigt, seine Kollegen zumindest temporär auch wieder persönlich zu treffen, sich persönlich auszutauschen. Das zeigt mir, dass ausschließlich Homeoffice für alle oder größere Teile der Belegschaft ganz sicher kein Zukunftsmodell ist.

VWheute: Die Debatte um die Betriebsschließungsversicherungen hat in den vergangenen Monaten ebenfalls die Schlagzeilen dominiert: Verschiedene Versicherer haben bereits eine staatlich-private Versicherungslösung vorgeschlagen. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Ulrich Leitermann: Klar ist, dass die Betriebsschließungsversicherung nie als Pandemiedeckung gedacht war. Wir haben von Anfang an entschieden, uns jeden Einzelfall anzuschauen und entsprechend zu regulieren. Wir rechnen mit Schadenzahlungen in diesem Jahr von bis zu 60 Mio. Euro, bei Prämieneinnahmen von rund 0,5 Mio. Euro aus diesem Absicherungs-Baustein.

Das zeigt sehr eindrucksvoll, dass es entweder eine branchenweite Lösung, gegebenenfalls unter Einbeziehung des Staates, geben muss oder die Prämien für eine solche Deckung ganz anders kalkuliert werden müssen. Beides halte ich für möglich. Wir werden uns aktiv an diesen Branchen-Überlegungen beteiligen und sicher dabei unsere Erfahrung aus der Regulierung dieser Schäden mit einbringen.

VWheute: Werfen wir einen kurzen Blick auf das zweite Halbjahr 2020: Wie sind Ihre Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr und wo liegen aktuell Ihre Unternehmens- und Vertriebsziele?

Ulrich Leitermann: Wir halten an unseren Unternehmens- und Vertriebszielen weitestgehend fest. Wir wollen dieses Jahr Beitragseinnahmen von über sechs Mrd. Euro erzielen, das ist nach wie vor möglich. Viel wichtiger ist aber, dass wir weiterhin sehr aufmerksam unseren Kunden zuhören, was sie jetzt aktuell und für die Zukunft bewegt, um schnell auf die Bedürfnisse zu reagieren, sei es bei Veränderungen ihrer Absicherung, neuen Lösungen aufgrund der Veränderung ihrer Geschäftsmodelle oder ein veränderter Finanzierungsbedarf.

Gerade aus unseren Kernzielgruppen Handwerk und Handel hören wir auch viele positive Signale zur eigenen wirtschaftlichen Entwicklung, teilweise unter geänderten Rahmenbedingungen. Wir haben in der Krise bewiesen, dass wir ohne Wenn und Aber für unsere Kunden da sind. Das stimmt mich zuversichtlich für die weitere Entwicklung.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

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