McKinsey-Manager Lorenz: „Ein Run-off muss die Markenstärke nicht belasten“

Johannes-Tobias Lorenz. Quelle: McKinsey

Welche Zukunft hat die Lebensversicherung? Und was spricht für einen möglichen Verkauf von Altbeständen? Im Gespräch mit der Versicherungswirtschaft spricht Johannes-Tobias Lorenz, Senior Manager McKinsey, über strategische Optionen, die Lebensversicherer jetzt ziehen können.

VWheute: Was ist heute im LV-Geschäft wichtig und wie bedeutend ist Größe?

Johannes-Tobias Lorenz: Es geht natürlich weiterhin primär darum, das Geschäft exzellent zu verstehen – klassische technische Exzellenz in Bezug auf Produktentwicklung, Pricing und Investment Management. Größe ist dabei auch ein Wert an sich, denn sie beeinflusst Faktoren wie Vertriebs- und Markenstärke, Zugang zu Asset-Märkten und Anlage-Diversifikation, die ab einer bestimmten Größe schlicht besser genutzt werden können. Zudem sollten die Skaleneffekte im Zusammenhang mit Größe nicht außer Acht gelassen werden.

VWheute: Welche Fähigkeiten braucht ein Versicherer heute und morgen?

Johannes-Tobias Lorenz: Die technische Exzellenz habe ich bereits angesprochen. Gerade die Produktentwicklung ist dabei heute wesentlich wichtiger als in der Vergangenheit. Erfolgreichen Lebensversicherern gelingt es, das weiterhin sehr hohe Sicherheitsbedürfnis der Kunden mit der nötigen Flexibilität zu verbinden.

Ein weiterer Punkt, der an Bedeutung gewinnen wird, sind digitale Schnittstellen zu Vertrieb und Kunden, um bei hoher Vertriebsproduktivität das wachsende Segment der „hybriden Kunden“ zu erreichen. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur zuvor angesprochenen Größe eines Unternehmens. Eine gewisse Größe ermöglicht die nötigen IT-Investitionen, die in für die Transformation der Geschäftsmodelle im Neu- und Bestandsgeschäft erforderlich sind.  Das sind Investitionen in Technologie und Daten.

VWheute: Ist die Einteilung in Erst- und Bestandsversicherer sinnvoll?

Johannes-Tobias Lorenz: Auf alle Fälle ist die Unterscheidung zwischen dem Management aktiv angebotener Bestände und dem „Inforce Managemenet“ sinnvoll. Derzeit sind rund ein Drittel des deutschen LV-Marktes geschlossener Bestand und es ist klar, dass für die Verwaltung eines solchen Vertragsportfolios andere Fähigkeiten benötigt werden als bei offenen Policen im Bestand.

Das Thema Inforce-Management birgt sowohl für Kunden wie Unternehmen noch einiges an Potenzial. Es gibt dabei verschiedenen Optionen für das Inforce Management: Das geht von der Optimierung im eigenen Haus, über das Outsourcen einzelner Wertschöpfungsschritte – z.B. in Bezug auf das Investment Management oder den Betrieb – bis hin zu Rückversicherungslösungen oder auch den Verkauf an externe Run-Off-Spezialisten.

VWheute: Was spricht für einen externen Run-Off?

Johannes-Tobias Lorenz: Das ist eine mögliche Option und unsere Analysen mit vielen Beispielen aus internationalen Märkten zeigen, dass durch Run-offs Wert geschaffen wurden und Kunden trotz anfänglicher Zweifel zufrieden waren. Ob die Run-Off Option für einen Versicherer sinnvoll ist, hängt stark von den Fähigkeiten des Unternehmens ab, insbesondere die IT und der Zugang zu Assets sind entscheidend. Wir bei McKinsey haben viele Transaktionen analysiert und gesehen, dass mit einem Run-Off die Eigenkapitalrendite um drei bis fünf Prozentpunkte verbessert werden kann.

Dafür benötigen sie die Hebel IT, Anlage, Kapitaleffizienz, Technical-Excellence und sogar Cross-Selling. Aber es müssen wirklich alle Hebel gezogen werden, um diesen positiven Effekt zu erreichen. Bevor der Schritt zum Drittanbieter gewagt wird, sollte ein Unternehmen aber auf alle Fälle auch die bereits erwähnten alternativen Ansätze zur eigenen Inforce-Optimierung analysieren.

VWheute: Wie hat Corona den LV- und Run-Off-Markt beeinflusst?

Johannes-Tobias Lorenz: Die Portfoliopreise sind sicherlich nicht gestiegen und durch die Turbulenzen an den Kapitalmärkten sind einige Anlageportfolien weiter unter Druck geraten. Unverändert bleibt: bei Portfoliopreisen ist immer eine gründliche Analyse des Bestandes und Unternehmens notwendig – da kann man keine pauschalen Aussagen treffen.

VWheute: Die von Ihnen im Gespräch dargelegten Erkenntnisse resultieren künftig in welchem LV-Markt?

Johannes-Tobias Lorenz: Die Lebensversicherung wird in Deutschland weiterhin wichtig sein. Der Bedarf für privaten Vorsorge steigt hierzulande jedes Jahr um vier Prozent. Bei weiterhin niedrigen Zinsen, nicht zuletzt wegen Corona, braucht es daher innovative und flexible Produkte. Diese müssen mit deutlich höherer Produktivität – niedrige Zinsen erfordern niedrige Kostenbelastungen! – und der am Anfang diskutierten technischen Exzellenz angeboten werden. Es bleibt auf alle Fälle ein spannender Markt.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen August-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Na man darf das schon bezweifeln, ob Kunden einen durch Run-Off verbrannten Namen nochmal anrühren…

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