Technik und Vertrieb: „Versicherungsvermittler haben viele monotone Aufgaben“

Till Sanders. Quelle: Finanzritter
Programmierer, so heißt es, erledigen keine Aufgabe zweimal. Natürlich ist dies eine Übertreibung. Und doch müssen wir uns eingestehen, dass Versicherungsvermittler viele monotone Aufgaben haben. Aufgaben, die lästig sind, fehleranfällig, die viel Zeit kosten und wenig Geld einbringen. Warum sie trotzdem eine zentrale Rolle spielen im System Versicherung, erklärt „Finanzritter“ Till Sanders im Vertriebsmagazin Der Vermittler.
Es ist wenig verwunderlich, dass der Wettlauf der Digitalisierung auch die Versicherungsbranche erfasst hat: Ganze Ordner werden zu wenigen Megabytes großen PDFs reduziert und in der Cloud archiviert, aus Grußkarten werden Whatsapp-Nachrichten, aus Beratungsgesprächen werden Videotelefonate, aus persönlichen Empfehlungen werden Bewertungen auf Google Maps. Und aus den Vermittlern? Die sollen nach dem Willen der Investoren einiger multilateraler Versicherungs-Start-ups – so scheint es jedenfalls – zugunsten schöner Apps am liebsten in Vergessenheit geraten. Versicherer investieren große Summen in perfekte Apps, Werbung in sozialen Medien und digitale Assistenten.
Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Die Servicequalität scheint unter diesen Bemühungen am häufigsten zu leiden und doch beschreitet die Branche unbeirrbar weiter den Weg der Digitalisierung und der automatisierten Beratung. Für die selbstständigen Vermittler ist dies durchaus eine bedrohliche Situation. Ob nun milliardenschwere, amerikanische Start-ups oder die derzeitigen Platzhirsche den Kampf für sich entscheiden werden spielt dabei keine große Rolle. Die jungen Generationen erwarten überwiegend eine digitale Beratung oder zumindest die Option einer solchen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Start-ups im Versicherungsbereich wird Finanzritter von einem klassischen, unabhängigen Versicherungsvermittler aufgebaut. Doch auch wir setzen auf automatisierte Beratung, Vermittlung und Betreuung. Da wir dabei großen Wert auf eine anonyme Erstempfehlung und Transparenz legen, verfolgen wir einen einzigartigen Ansatz, doch das Ziel ist dasselbe: die Automatisierung unserer Prozesse. Die Erfassung der Kundensituation erfolgt mithilfe eines interaktiven Fragebogens in unserer App. Die Auswertung der benötigten Abdeckung und die Auswahl der passenden Tarife erfolgt durch eine künstliche Intelligenz. Anträge werden automatisiert ausgefüllt und eingereicht. Eingehende E-Mails werden vom System gelesen, interpretiert und den richtigen Verträgen zugeordnet.
Was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Die automatisierte Beratung entspricht den grundlegenden Erwartungen der jungen Generationen. Doch aus meiner Erfahrung als Produktdesigner und Softwareentwickler kann ich sagen: Technologie ist nicht die Lösung all unserer Probleme und das hat zwei Gründe. Erstens: Systeme machen Fehler. Wenn auch nicht technisch betrachtet, so doch auf jeden Fall praktisch. Natürlich machen auch Menschen Fehler, doch im Gegensatz zu Systemen merken Menschen früher oder später, wenn sie dies tun. Diese Problematik offenbart sich etwa bei Fehlfunktionen in autonomen Fahrsystemen. Das heißt nicht, dass die Automatisierung eine Sackgasse ist, sondern viel mehr, dass der Faktor Mensch für den Erfolg eines Systems entscheidend ist. Technologie funktioniert am besten, wenn sie nicht den Menschen ersetzt, sondern die Fähigkeiten des Menschen erweitert.
Zweitens: Allen Sprachassistenten zum Trotz – wir Menschen reden nicht gerne mit Maschinen. Zum einen gibt es dabei häufig Kommunikationsprobleme, zum anderen fällt es uns leichter, persönliche Themen mit einem Menschen zu erörtern, den wir idealerweise auch noch als sympathisch empfinden. Kunden kommen zu uns wegen der sekundenschnellen Beratung unserer automatisierten Systeme – aber sie bleiben wegen der menschlichen Betreuung per Telefon. Und aus demselben Grund wird es auch weiterhin viele Menschen geben, die sich gegen uns entscheiden, die noch mehr Wert auf persönlichen Kontakt legen und die sich dann bei den klassischen Vermittler:innen am wohlsten fühlen. Das Einzige, was sich nicht durchsetzen wird, ist Beratung gänzlich ohne persönlichen Kontakt.
Autor: Till Sanders, Mitgründer und CPO Finanzritter
