Vorsicht „UVO“: Unvorhersehbare Risiken setzen Versicherer unter Druck

Quelle: Bild von Peter Lomas auf Pixabay

Wir spüren den hohen Veränderungsdruck, den Digitalisierung und Globalisierung sowie der rasante technologische Fortschritt erzeugen. Die drei wesentlichen Herausforderungen dabei sind: Tragfähige Lösungen für unvorhersehbare Risiken im Zusammenhang mit teilweise unbekannten Versicherungsobjekten zu entwickeln, hochkomplexe Risikogeflechte globaler, vernetzter Industriekunden in allen Dimensionen zu verstehen und mit sinnvollen Lösungen abzudecken und Innovationszyklen drastisch zu verkürzen, um schnell auf die rasante Veränderung der Industrielandschaft reagieren zu können.

Die Digitalisierung und die rasante Entwicklung von Innovationen und Technologien im Bereich Industrie 4.0 führen zu vielfältigen neuen Anforderungen an Risikomanagement und Versicherungsschutz. Beinahe täglich gibt es Innovationen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Internet of Things, Smart Technology etc., die fortschrittliche Anwendungen ermöglichen – aber auch neue Risiken bergen.

Daneben gibt es für Unternehmen zahlreiche weitere Risikofaktoren: die Klimakrise, der geplante Kohleausstieg in Deutschland, politische Unbeständigkeiten, die starke Abhängigkeit in inter­nationalen Lieferketten, die Zunahme von Extremwetterereignissen – um nur einige zu nennen.

Immer häufiger werden wir mit einem „UVO“ konfrontiert sein: einem „Unbekannten Versicherung-Objekt“. Die mit einem neuartigen Versicherungsgegenstand verbundenen Risiken sind oft nur noch schwer einschätzbar. In manchen Bereichen haben wir es bereits heute mit völlig unbekannten Risiken zu tun, die eine realistische Festsetzung von Prämien im Grunde unmöglich machen. Wir verzeichnen zum Beispiel ein stetig steigendes Interesse im Bereich D&O, da hier eine erhebliche Risikosensibilisierung stattfindet.

Gleichzeitig sind wir mit immer höheren Schadensfrequenzen und -höhen konfrontiert, denn Fehlverhalten von Managern und Führungskräften zieht heute weitere Kreise als zuvor. Darunter sind zunehmend unkalkulierbare Ansprüche, sodass das aktuelle Prämienniveau im Verhältnis zum Deckungsumfang oft noch deutlich zu niedrig ist. Ebenfalls viele Unbekannte sind mit der Internationalisierung von Unternehmen verbunden.

Angesichts der unsteten politischen Lage sehen wir zum Beispiel substanzielle US-Exponierung aktuell kritischer als bisher. Auch der Brexit ist eine Entwicklung mit zum Teil unvorhersehbaren Folgen. Wir rechnen momentan beispielsweise mit erhöhtem Risiko für die Just-in-time-Produktion vieler OEMs durch längere Lieferzeiten von Zulieferern aufgrund von Zoll-Formalitäten.

Maßgeschneidertes Risikomanagement durch „UVOs“

Natürlich birgt Unvorhergesehenes auch neue Möglichkeiten: Deshalb begreifen wir „UVOs“ als Herausforderung, der wir uns gern stellen. Sie geben uns die Chance, die Zukunft mitzugestalten, indem wir durch maßgeschneidertes Risikomanagement für unsere Kunden bestmögliche Voraussetzungen für Innovation und wirtschaftliches Wachstum schaffen.

Es gibt kaum noch ein komplexes Produkt, das nicht in Zusammenarbeit mit Zulieferern und Partnern aus der ganzen Welt entsteht. Das Risiko für Fehler entlang der Lieferkette ist kaum zu überblicken, hat jedoch mitunter hohe Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit von OEMs. Im industriellen Sachversicherungsmarkt beobachten wir steigende Fallzahlen, zum Teil gehen die Schäden in den dreistelligen Millionenbereich.

Insbesondere die Folge-, Wechsel- und Rückwirkungsschäden steigen aufgrund von zunehmender Vernetzung und Produktionstiefe. Im Haftpflichtmarkt bilden immer mehr Großschadenereignisse das Pendant. Die fortschreitende Automatisierung, immer kürzere Entwicklungs- und Testphasen sowie eine zunehmende Verlagerung der Haftungsrisiken an Zulieferer und Großabnehmer sind dabei wichtige Faktoren. Auch hier reichen die klassischen Deckungskonzepte angesichts der einzigartigen Ansprüche, die die Versicherungsnehmer aufgrund ihrer hochgradigen, globalen Vernetzung haben, nicht mehr aus.

Radikale Veränderungen in der Versicherungsbranche

Auch unsere Branche verändert sich radikal. Fusionen sorgen für eine zunehmende Marktkonsolidierung und neue Teilnehmer wie Insurtechs steigen mit Geschäftsmodellen in den Markt ein, die auf digitalen Lösungen basieren. Sie bieten Produkte auf neue Art und Weise an – sowohl für den Privatkundenbereich, als auch für den Industriesektor. In der Adaption digitaler Lösungen liegt eine der größten Chancen für uns: Die Möglichkeit, auf die große Unvorhersehbarkeit zu reagieren.

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen traditionelle Versicherer viel stärker als bisher auf Trendanalysen und Innovationen setzen. Der Schlüssel dabei: Die richtigen Mitarbeiter. Es ist unerlässlich, dass wir uns im War for Talents als attraktiver Arbeitgeber für Experten und High Potentials präsentieren und eine Unternehmenskultur schaffen, die Veränderungen nicht nur zulässt, sondern fördert.

Das benötigt ein verändertes Mindset: den Ausbruch aus gewachsenen Konzernhierarchien, die Hinwendung zu flexiblen und agilen Methoden der Produktentwicklung und neuen Formen der Zusammenarbeit. Als Industrieversicherer müssen wir mit dem aktuellen Wandel nicht nur Schritt halten. Wir müssen vorausdenken, um unseren Kunden zeitgemäße, sinnvolle Lösungen anbieten zu können, so dass diese handlungsfähig bleiben und wachsen können – und wir mit ihnen.

Autorin: Andrea Brock, General Manager Germany bei QBE

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