Mehr „Future Skills“: Das steckt hinter dem Bachelor Professional in Versicherungen und Finanzanlagen

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Um dem altehrwürdigen „Meister“-Format neuen Schwung zu verleihen, wurde die Fortbildung grundlegend überarbeitet und modernisiert. Auch der Name ist neu: „Bachelor Professional in Versicherungen und Finanzanlagen“ heißt der zum 1. Januar 2025 offiziell ins Leben gerufene Abschluss in Zukunft. Versicherer wie die Allianz, Ergo oder der LVM begrüßen den Schritt. Das Programm könnte Auszubildende langfristig an Unternehmen binden und ihnen attraktive Karriereperspektiven bieten.
Es sind Menschen wie Luca Paul Feistkorn, von denen die Versicherungs- und Maklerbranche in Deutschland gar nicht genug kriegen kann: junge, wissbegierige Talente, die sich hoch motiviert in die sich fundamental wandelnde Berufswelt stürzen. Feistkorn ist 27 Jahre alt und arbeitet als Kundenbetreuer in der Kölner Niederlassung des geschichtsträchtigen Hamburger Industrieversicherungsmaklers Gayen & Berns Homann (GBH), der seit 2023 zur GGW Group gehört. Der passionierte Handballer hatte sich dazu entschlossen, direkt nach seiner Kaufmannsausbildung noch eine Weiterbildung zum „Fachwirt für Versicherungen und Finanzen“ draufzusatteln.
„Man lernt über Projektmanagement, man lernt Produktmanagement, man lernt Marketing – und dementsprechend sind Absolventen perfekt vorbereitet für den Berufsalltag, eigentlich in der gesamten Branche“, schildert Feistkorn in einem flott geschnittenen Kurz-Video auf der Social-Media-Plattform Instagram. Der Clip, von dem ähnliche Varianten mit anderen jungen Fachwirten im Netz kursieren, wurde vom Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) in Auftrag gegeben. Sie sollen jungen Menschen Lust machen auf eine Karriere in der von Überalterung bedrohten Versicherungswirtschaft. Als Bildungsverband koordiniert das BWV die überbetrieblichen Bildungsaktivitäten der Branche und versteht sich als Garant für Qualität der beruflichen Bildung und als Stimme der Versicherungswirtschaft in Bildungsfragen.
Insofern muss Wolfgang Roth als Mitglied der Geschäftsführung des BWV Bildungsverbands stets ein Auge darauf haben, dass der Fachwirt für Versicherungen und Finanzen – der umgangssprachlich auch „Meister der Versicherungswirtschaft“ genannt wird – Schritt hält mit den sich verändernden Berufsanforderungen. „Unsere traditionelle ,Meisterfortbildung‘, hat sich über fünf Jahrzehnte hinweg als bewährter Weg in der Versicherungswirtschaft etabliert“, schaut Roth weit in die Vergangenheit zurück. Allerdings habe man in den letzten Jahren festgestellt, dass die „Meisterfortbildung“ für viele junge Fachkräfte „nicht mehr der logische nächste Schritt nach der Ausbildung ist“.

Um dem altehrwürdigen Format wieder neuen Schwung zu verleihen, wurde die Fortbildung grundlegend überarbeitet und modernisiert. Auch der Name ist neu: „Bachelor Professional in Versicherungen und Finanzanlagen“ heißt der zum 1. Januar 2025 offiziell ins Leben gerufene Abschluss in Zukunft. Bis die entsprechende Verordnung am 3. Dezember 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, war eine rund einjährige intensive Neuordnungsarbeit nötig. „Natürlich hätten wir uns eine etwas frühere Veröffentlichung gewünscht, aber jetzt freuen wir uns umso mehr, dass es endlich losgeht“, zeigt sich Wolfgang Roth erleichtert.
Unter der Koordination des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat der BWV Bildungsverband gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi, den Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK) sowie zahlreichen Experten aus der Versicherungsbranche um die Inhalte der neuen Fortbildung gerungen. Aus Sicht des BWV-Geschäftsführers kann sich das Ergebnis sehen lassen: „Mit dem neuen Abschluss setzen wir einen starken Impuls für die berufliche Weiterbildung in unserer Branche“, sagt Roth. Der Bachelor Professional sei eine „zeitgemäße, flexible und optimal auf die Anforderungen der Versicherungswirtschaft zugeschnittene Fortbildung“, gibt sich der ehemalige Manager der Versicherungskammer Bayern überzeugt.
Zustimmung kommt von Thorsten van Beeck-Stumpp. Der promovierte Personal- und Organisationspsychologe leitet die Ausbildung und Nachwuchsförderung bei der LVM Versicherung mit Sitz in Münster. „Mit der Ausrichtung des neuen Bachelor Professional gelingt es, eine Kombination aus Theorie und Praxis am aktuellen Puls der Zeit anzubieten. Wir können es kaum erwarten, dass es losgeht!“, jubelt van Beeck-Stumpp – zumal der Abschluss das Potenzial biete, die Aufbauqualifizierung in der Versicherungswirtschaft schlechthin zu sein.

Auch bei den großen Häusern Allianz und Ergo ist die Vorfreude groß. Man begrüße die Neuordnung und erhoffe sich, dass die Modernisierung die Attraktivität der Ausbildung erhöhe und den Nachwuchs besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereite, teilte eine Sprecherin der Allianz Deutschland auf Anfrage mit. Insbesondere erwartet man sich beim Marktführer aus München, dass die Absolventen mit den notwendigen Fähigkeiten ausgestattet werden, „um in einer sich schnell verändernden Branche erfolgreich zu sein, zum Beispiel durch die stärkere Integration von Zukunftskompetenzen wie Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI)“, so die Sprecherin. Darüber hinaus hofft die Allianz, dass die neue Fortbildung dazu beiträgt, „die Auszubildenden langfristig an unser Unternehmen zu binden, indem sie ihnen attraktive Karriereperspektiven bietet“.
Sandra Theisen leitet die Aus- und Weiterbildung der Ergo Group in Düsseldorf. Sie geht davon aus, dass die Neuordnung die Versicherungsbranche noch attraktiver mache, weil sie die Zukunftsthemen der Versicherungsbranche aufgreife und sie in dieser beruflichen Fortbildung umsetze.
Dazu muss man wissen, dass der Bachelor Professional bereits seit 2020 als allgemeine Bezeichnung für die neu geordneten Fortbildungen auf dem Fachwirt- beziehungsweise Meisterniveau in Deutschland dient. Die ersten Absolventen haben ihren Abschluss in diesen Tagen erhalten – und in einigen Jahren werden diese auch aus der Versicherungswirtschaft kommen. „Wir freuen uns, dass mit dem Bachelor Professional auch unsere Branche einen hochwertigen Abschluss einführt, der einem akademischen Bachelor-Abschluss entspricht“, sagt Ergo-Frau Theisen. Besonders erfreut ist die Expertin darüber, dass sich künftig auch Beschäftigte qualifiziert weiterbilden können, die zum Beispiel in Teilzeit arbeiten. Zudem erhielten junge Menschen „eine zusätzliche berufliche Perspektive, wenn sie sich für eine Ausbildung bei uns entscheiden“, so Theisen.

Auch BWV-Geschäftsführer Roth betont, dass die Flexibilisierung der Zugangswege ein wichtiger Schritt sei. „Zum Beispiel können die Vorbereitungskurse nun schon während der dualen Ausbildung gestartet werden, da das bislang erforderliche Jahr Berufserfahrung entfällt“, sagt der Bildungsexperte. So stelle man fest, dass immer mehr Auszubildende schon früh den nächsten Schritt machen wollten und die nun die passende Option bekämen. Doch auch für Quereinsteiger habe man die Hürden reduziert: Wer eine Sachkundeprüfung für die Versicherungsvermittlung absolviert hat, kann bereits nach zwei Jahren Berufserfahrung zur ersten Bachelor-Prüfung antreten, im vorherigen Fachwirt waren es noch vier Jahre.
Roth und sein Team vom BWV hatten außerdem zu berücksichtigen, dass die Interessen der Mitgliedsunternehmen bei der neuen Qualifizierung nicht zu kurz kommen – Stichwort „Future Skills“. Aber welche Anforderungen sind es, die den Verantwortlichen in den Unternehmen unter den Nägeln brennen? „Die Arbeitswelt wird sich nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz und weiterer Megatrends auch in der Versicherungsbranche immer weiter wandeln“, sagt Thorsten van Beeck-Stumpp von der LVM. „Um diesen Wandel in den unterschiedlichsten Funktionen zu begleiten oder gar zu gestalten und voranzubringen, braucht es Kompetenzen, die der neue Bachelor Professional jetzt vermittelt.“ Der Abschluss biete damit für Mitarbeitende die Chance, sich optimal auf herausgehobene Positionen vorzubereiten, resümiert der LVM-Mann.
Die neue Fortbildung legt laut einer Mitteilung des BWV von Anfang Dezember „einen klaren Fokus auf zentrale Zukunftskompetenzen wie Transformation, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit“. Für die Ergo sind diese Kompetenzen „jede für sich absolut relevant“, sagt Ausbildungschefin Theisen – zumal diese „Future-Skills“ auch im aktuellen Weiterbildungsprogramm für die Ergo-Mitarbeiter zu finden seien. „Mit unserem Ziel, digital führend zu sein, ist Digitalisierung bei Ergo ein Schwerpunktthema“, betont die Managerin und verweist auf die Einführung von „Ergo GPT“, die der Versicherer als eine unternehmensinterne, sichere Alternative zu ChatGPT bezeichnet. Die Anwendung basiert auf einem speziell für die Branche trainierten Large Language Modell (LLM), deren Einsatz in der täglichen Arbeit nachweisbar die Effizienz und die Kreativität gleichermaßen steigere, wie Theisen sagt. Dies belege nicht zuletzt eine unter der Belegschaft ermittelte Weiterempfehlungsquote von 100 Prozent.

Auf die Frage, ob in der Fortbildungsverordnung bestimmte Aspekte fehlten oder die man hätte besser regeln können, entgegnet die Allianz-Sprecherin, dass man sehr zufrieden mit den Ergebnissen der neu entwickelten Fortbildung sei. „Wir sind sicher, die ersten Durchführungen werden deren Praxisrelevanz und Zukunftsorientierung belegen“, heißt es weiter. LVM-Manager van Beeck-Stumpp gibt zu bedenken, dass es infolge der gelockerten Zugangsvoraussetzungen verstärkt darauf ankomme, „die Mitarbeitenden, die mit unterschiedlichsten Zugangsvoraussetzungen in den Bachelor Professional starten werden, passgenau abzuholen“. Anders gesagt: Die Gefahr einer Überforderung von Teilnehmern gilt es so klein wie möglich zu halten.
Branchenkollegin Theisen von der Ergo fiebert bereits dem Praxis-Test entgegen, denn schließlich sei die Fortbildungsverordnung „von Expertinnen und Experten aus unserer Branche erstellt worden“. Jetzt gehe es darum, die Umsetzung und die Akzeptanz zu beobachten. „Wir sind gespannt auf die Erfahrungen und weiteren Entwicklung der ersten Absolventinnen und Absolventen in den nächsten zwei bis drei Jahren“, so Theisen.
BWV-Mann Roth weiß, dass die Akzeptanz des neuen Angebots nur dann erfüllt sein wird, wenn dieses auch zeitgemäß rüberkommt: „Wir haben bereits in der Ausbildung den Fokus von Produkten hin zu Kundenbedarfsfeldern verschoben“, schildert Roth ein Beispiel. „Klar, am Ende steht ein Produktangebot, aber der Weg dorthin erfordert eine ganzheitliche und bedarfsorientierte Beratung“, fährt der Bildungsexperte fort. Beim Bachelor Professional lege man zudem einen Schwerpunkt auf Firmenkunden – ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Damit knüpft die Fortbildung nahtlos an die Ausbildung an und bietet eine moderne, praxisorientierte Weiterentwicklung für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Branche“, schaut Roth positiv gestimmt aufs neue Jahr. Die ersten vorbereitenden Kurse im Bildungsnetzwerk der Versicherungswirtschaft sind bereits Ende 2024 gestartet, im neuen Jahr soll es dann richtig losgehen.
Detaillierte Informationen und buchbare Kurs-Angebote zum neuen Bachelor Professional in Versicherungen und Finanzanlagen gibt es hier:
https://www.bwv.de/startseite/qualifikationen/bachelor-professional-versicherungen-finanzanlagen
Der Verlag Versicherungswirtschaft kooperiert im Rahmen des Projekts mit dem Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft (BWV) und der Deutschen Versicherungsakademie (DVA). In Abhängigkeit der Fortschritte in den Lernzielformulierungen erstellt er die notwendige Lern-Literatur. Zuvor lieferte der Karlsruher Verlag mit der PROXIMUS-Reihe die Ausbildungsliteratur.