Auf Messers Schneide: Risiken und Deckungspotenziale in der Arzthaftpflicht

Quelle: Bild von jennycepeda auf Pixabay

Das Thema Arzthaftung und deren Absicherung ist so komplex, dass es erheblicher Erfahrung bedarf, um dem Bedarf von Ärzten zu entsprechen. Etwa nur drei Prozent aller Makler, schätzen Experten, befassen sich in erheblichem Umfang mit der Arzthaftpflicht. Anforderungen an Qualifizierung und Weiterbildung würden einen Rundum-Makler überfordern. Die Kunden erkennen dies und wenden sich mehrheitlich an Spezialanbieter.

„Auch die Zahl der Versicherer, die Produkte für die Arzthaftpflicht anbieten, nimmt ab, deren Vertragszahlen steigen dafür“, weiß Vorstandsvorsitzender Bernd Helmsauer, Chef der Helmsauer & Kollegen Assekuranzmakler AG, die auf niedergelassene Ärzte und angestellte Krankenhausärzte spezialisiert ist. Das habe vor allem mit der Schadenbearbeitung zu tun: Um berechtigte von unberechtigten Ansprüchen trennen zu können, braucht es jede Menge Know-how, die man nur mit vielen Schadenfällen erlangt. „Wenn ein
Gutachter, der vor allem mit Bauschäden zu tun hat, plötzlich einen Arzthaftpflichtschaden beurteilen soll, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es schiefgeht“, ist er sicher.

Masse der Arztfehler ist unbekannt

Die Zahl der Schadenfälle steigt nach Helmsauers Beobachtung nicht wesentlich an, von „amerikanischen Verhältnissen“ sei man weit entfernt. Im Gegenteil: Die Masse der Geschädigten versuche bei einem vermeintlichen Arztfehler gar nicht zu ihrem Recht zu kommen, weil man unsicher ist, ob tatsächlich ein Verschulden des Arztes vorliegt.

„Die Masse der Arztfehler wird gar nicht als solche erkannt“, behauptet er. Und wer dagegen vorgeht, suche nicht selten bei einem fachlich nicht auf Arzthaftung spezialisierten Anwalt Rat, statt zu einem Fachanwalt für Medizinrecht zu gehen. Zugleich haben es Anwälte und Gerichte mit einer Menge unberechtigter Ansprüche zu tun, vor allem im kosmetischen Bereich, also bei Themen wie Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen“, so Helmsauer weiter. Patienten, bei denen eine rekonstruktive Behandlung etwa nach Mamma-Karzinom oder Brandverletzungen erfolgt, würden dagegen kaum gegen Ärzte vorgehen. Andere Sparten mit relativ vielen Verfahren wegen Arztfehlern sind die Geburtshilfe, Chirurgie und Orthopädie. Auch Zahnärzte sind relativ häufig betroffen. Danach flache die Kurve deutlich ab.

Was allerdings ansteigt, sind die Schadenhöhen, erklärt der Makler. Das liege vor allem an den Behandlungskosten, die drei- bis viermal so schnell steigen wie die Lebenshaltungskosten. Wer etwa über Jahre als Appaliker künstlich am Leben erhalten werde, verursache enorme Kosten. Auch der Verdienst von Klinikpersonal sei gut, was sich ebenfalls auswirke.

Vor allem aber würden laut Bernd Helmsauer die Pharmakonzerne mit ihren überteuerten Medikamenten zur Kostenexplosion beitragen –, ohne dass es bisher ein Instrumentarium gebe, mit dem man gegensteuern könnte. Und schließlich spiele auch das steigende Einkommen der Patienten eine Rolle: „Wenn ich als gut verdienender Vater von fünf Kindern nach einer OP nicht mehr aus der Narkose erwache, dann zahlt der verantwortliche Arzt bzw. seine Versicherung unter Umständen über viele Jahre horrende Summen, damit die Kinder nicht benachteiligt werden“, erläutert er.

Versicherer übernehmen Haftung für Impfungen

Das Thema Corona-Impfungen hat für Bewegung in der Branche gesorgt. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erklärt, haftet bei Impffehlern grundsätzlich der impfende Arzt über seine Berufshaftpflichtversicherung, so auch bei der Covid-19-Impfung. Es könne aber Konstellationen geben, in denen der Arzt seinen Versicherungsschutz und -umfang klären sollte.

Beispiel HDI: Der Versicherer hat für alle bei ihr berufshaftpflichtversicherten Ärztinnen und Ärzte die Durchführung der Corona-Impfungen bestätigt – unabhängig vom vereinbarten Versicherungsumfang. Die Erweiterung gilt auch für Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand, die eine Ruhestandsversicherung bei HDI unterhalten. Zudem wird auch bei nicht bei HDI versicherten Ärzten Haftpflicht-Versicherungsschutz im Zusammenhang mit Corona-Impfungen geboten. Genutzt werden kann sie von Ärzten und Ärztinnen, die nicht entsprechend versichert sind und sich in einem Impfzentrum engagieren möchten. Der Hintergrund: Viele Ärzte, z. B. solche im Ruhestand oder in Elternzeit, können damit das mit der Impftätigkeit verbundene ärztliche Restrisiko absichern.

Beispiel Alte Leipziger: Einige Erweiterungen werden bis Ende 2021 verlängert: Bei Quarantäne eines Arztes ist dessen Vertreter über den Praxisinhaber abgesichert. Das gleich gilt, wenn ein Arzt in einer anderen Praxis als Vertretung arbeitet. Auch andere Arbeiten im Zusammenhang mit Corona wie Telefon- und Videoberatung oder Probenentnahme sind mitversichert. Mitversichert ist zudem das Impfen in Impfzentren, auch für Rentner und Ärzte, welche lediglich das geringfügige außerdienstliche Risiko versichert haben. Auch Medizinstudenten, die unterstützend bei Impfungen und Testungen tätig werden, haben Versicherungsschutz über ihre Berufshaftpflichtversicherung.

Autorin: Elke Pohl

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen März-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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