„Crash-Propheten haben weder das Covid-19-Virus noch den Verfall des Ölpreises zur gleichen Zeit richtig vorhergesagt“

Quelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn sich die Konjunktur eintrübt oder die Börsen massiv in die Knie gehen, triumphieren die Crash-Propheten. Haben die Untergangsauguren also doch recht? Gerade in der aktuellen Situation um das Coronavirus könnte man zu diesem Ergebnis kommen.

Die meisten Crash-Propheten haben eines gemeinsam: Ihre Thesen sind in einigen Punkten zugespitzt und in anderen vage. Dabei stützen sich Crash-Prognosen durchaus auf zutreffende Entwicklungen, die von vielen Anlegern nachvollzogen werden: die wachsende Verschuldung von Unternehmen und Staaten, der sinkende Handlungsspielraum der Zentralbanken und Konstruktionsfehler beim Euro. Die Schlussfolgerungen der Katastrophen-Auguren haben jedoch Mängel, dass sie Negativtrends extrapolieren und gleichzeitig in einem statischen System argumentieren, Trendwenden und Wechselwirkungen kaum berücksichtigen und in puncto Timing oft im Ungefähren bleiben.

Viele Crash-Propheten analysieren im Detail, welche Gründe für einen Kollaps sprechen, bleiben aber vage, was den Zeitpunkt anbelangt. Das erinnert an den Vergleich mit einer kaputten Uhr, die auch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt. Natürlich hinkt dieser Vergleich in der aktuellen Marktphase, die durch drastische Kursverluste gekennzeichnet ist. Betrachtet man allerdings die Gründe für den Kursverfall, unterscheiden sich diese völlig von denen, die von den Crash-Propheten ins Feld geführt wurden.

Sie hatten weder das Covid-19-Virus noch den Verfall des Ölpreises zur gleichen Zeit richtig vorhergesagt. Am häufigsten wird von Crash-Propheten die Notenbankpolitik, vor allem die der EZB, und die Flutung des Markts mit billigem Geld genannt. Die Fehlallokation von Kapital führe dazu, dass die so entstehenden Blasen früher oder später mit fatalen Folgen für die Börsenkurse platzen.

In der aktuellen Krise waren die Bewertungen allerdings nicht der Auslöser für den Kurssturz. Erst nachdem das Coronavirus zu einem Einbruch der Wirtschaft und drastischen Gewinneinbußen führte, setzte der Kursverfall ein. Ein zweites Standardargument der Crash-Propheten ist die hohe Staatsverschuldung einiger Länder. Vor allem Japan, Griechenland, Italien und die USA weisen Raten von über 100 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt auf.

Hier wird argumentiert, dass die Schuldenlast auf Dauer so anwachse, dass Zahlungsausfälle und eventuell sogar ein Staatsbankrott die Folge seien. Unabhängig davon, dass Japan seit Jahren mit Quoten von deutlich mehr als 200 Prozent operiert, verkennt die Aussage die Möglichkeiten der Notenbanken, quasi unbegrenzt Geld für den Schuldendienst zur Verfügung stellen zu können.

Dies gilt natürlich nur für Länder, die wie Japan, die USA und China eine eigene Währung haben und die Anleihen auch in dieser Währung begeben haben. In Europa ist dies etwas komplexer, da man es innerhalb der Eurozone mit sehr unterschiedlichen Konjunkturverläufen und Schuldenlevels zu tun hat. Diese machen es der EZB schwerer, eine einheitliche Geldpolitik für die gesamte Eurozone zu betreiben.

Dennoch steht die EZB mit ihren umfangreichen Möglichkeiten voll hinter dem Verbund, sodass auch hier in nächster Zeit keine Zahlungsausfälle zu befürchten sind. Für sich genommen, stellen diese Punkte keine Auslöser für einen Crash dar, können aber die Kursbewegungen in einem plötzlich auftretenden Crash verstärken.

Der entscheidende Punkt ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, zu dem man seine Aktien verkaufen sollte. Gar nicht investiert zu sein, kann nicht das Dogma der Crash- Propheten sein. Wie sollte man sonst eine sinnvolle Altersvorsorge betreiben? Der Anleger müsste also auf Basis der Prognose in der Lage sein, rechtzeitig zu verkaufen, um nach einem großen Kurssturz deutlich günstiger wieder einsteigen zu können. Verkauft man zu früh und steigen die Kurse zunächst weiter, kann dies einen Renditeverlust bedeuten.

Steigt man nicht schnell genug wieder ein, verpasst man die Gegenbewegung, die oft nach starken Kursverlusten einsetzt. Über die Begründungen der Prognosen lässt sich also trefflich streiten. Auch in meiner Vergangenheit als Portfolio- Manager habe ich meine Investmentthesen Crash-Prognosen gegenübergestellt. Wie lauten die Argumente eines Analysten, der bei einer Aktie das genaue Gegenteil erwartet, und wie lauten meine Antworten darauf? Die Auseinandersetzung damit hilft, die eigene Perspektive zu schärfen.

Autor: Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International

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