Gian Casanova: „Kfz-Versicherung ist Spitzenreiter bei Digitalbereitschaft“

Gian Casanova, Managing Director bei Futurice. Quelle: Futurice

Digitalen Versicherungen gehört die Zukunft. Immer mehr Kunden sind bereit, ihre Police online abzuschließen – verbunden mit dem Wunsch nach „nach mehr Flexibilität, mehr Transparenz und niedrigeren Kosten“. Im Exklusiv-Interview mit VWheute spricht Gian Casanova, Managing Director bei Futurice, über die digitale Zukunft der Versicherung und über die Frage, welche Rolle Google & Co. einnehmen werden.

VWheute: Wie beurteilen die Deutschen insgesamt Digitalversicherungen, steigt die Akzeptanz?

Gian Casanova: Ja, es lässt sich in der Tat eine deutliche Veränderung auf dem Versicherungsmarkt erkennen. Aktuelle Studien bestätigen, dass die deutschen Versicherungskunden immer offener für neue, digitale Lösungen werden. Mittlerweile sagen 69 Prozent der Bundesbürger, dass sie bereit wären eine Versicherung komplett online abzuschließen. Schaut man sich die Entwicklungen der letzten Jahre an, lässt sich hier ein weiterer Zuwachs erwarten. Mit der wachsenden Online-Affinität gehen aber natürlich auch neue Erwartungen an die Versicherungen einher: So wird der Wunsch der Kunden nach mehr Flexibilität, mehr Transparenz und niedrigeren Kosten immer lauter.

VWheute: Ist der momentane Stand der Digitalbereitschaft der Deutschen ein Schritt in die vollständige Akzeptanz? Viele analoge Versicherer bezweifeln das und beharren auf die menschliche Beratung.

Gian Casanova: Eine vollständige Akzeptanz von digitalen Lösungen ist in traditionellen Branchen relativ schwer zu erreichen. Gerade bei Versicherungen, die eine breite Zielgruppe – von sehr jungen, bis hin zu älteren Kunden – umfasst. Der Schutz der eigenen Daten beziehungsweise die Angst vor Datenlecks sowie der Wunsch nach persönlicher Beratung wird bei Teilen der Kundschaft weiterhin Bestand haben. Dennoch wird es bestimmte Versicherungsbereiche geben, so zum Beispiel Kfz, Reise oder Haftpflicht, bei denen wir eine Entwicklung hin zur völligen Akzeptanz durchaus erwarten können. 

VWheute: In der Kfz-Versicherung ist Digitalität einfach, seit Jahren ruft dafür niemand mehr den Vertreter an da Direktversicherer und identische Angebote dies nun ermöglichen. Kann die Digitalbereitschaft also auf andere Versicherungsbereiche einfach übertragen werden?

Gian Casanova: Die Kfz-Versicherung gehört definitiv zu den Spitzenreitern, wenn es um die Digitalbereitschaft geht. Aktuelle Studien zeigen aber, dass auch Haftpflicht und Hausrat bereits sehr gerne digital abgeschlossen werden. Der Trend geht dazu, vergleichsweise einfache Versicherungen mit übersichtlichem Leistungsangebot immer häufiger online abzuschließen. Je vertrauter Kunden mit digitalen Angeboten werden, desto mehr werden sie dazu übergehen, auch komplexere Abschlüsse online zu tätigen. Für Versicherungen stellt sich hier die wichtige Aufgabe, ihre digitalen Services so nutzerfreundlich und transparent wie nur möglich zu gestalten, um Ihren Kunden Abschlüsse und Beratungsanfragen so leicht wie nur möglich zu machen.

VWheute: Werden in zehn Jahren alle Kfz-Versicherer reine Digitalanbieter sein?

Gian Casanova: Ganz konkret lässt sich das natürlich nicht vorhersagen. Ich sehe aber einen ganz klaren Trend dazu, dass die Kfz-Versicherer mehr und mehr auf digitale Angebote und Abschlüsse umsteigen werden. Ein ganz klarer Indikator dafür ist auch, dass heute bereits 70 Prozent der Nutzer sagen, dass sie schon Versicherungen digital abgeschlossen haben. Die Bereitschaft der Kunden wird sich in den nächsten Jahren zunehmend vergrößern und einen großen Bedarf an digitalen Versicherungslösungen hervorbringen.

VWheute: Wenn digitale Angebote die Zukunft der Versicherung sein sollen, warum braucht es dann dafür Versicherungen, können das Google&Co nicht mindestens genauso gut, speziell in einfachen Feldern wie Kfz?

Gian Casanova: Tech-Giganten wie Google profitieren natürlich von ihrem großen technischen Know How, ihrer Schnelligkeit in neuen Entwicklungen und von den Unmengen an Daten, auf die sie zugreifen können. Das heißt aber nicht, dass klassische Versicherer in Zukunft an Relevanz verlieren.

Unseren Kunden empfehlen wir bei Innovationsvorhaben immer den Fokus auf ihre Kernkompetenz zu legen. Besonders, weil sie seit Jahren die Experten auf ihrem Gebiet sind. Genau da können auch die etablierten Versicherer ansetzen. Sie kennen ihre Nutzer, haben ihren gepflegten Kundenstamm sowie das langjährige Vertrauen, das gerade bei langfristigen Versicherungen ein großes Thema ist. Dazu kommt natürlich die Fachexpertise – die Regularien bei Kranken- oder Lebensversicherungen umfassend zu kennen ist durchaus ein Vorteil, auf den sich Kunden auch in Zukunft noch gerne verlassen werden.

VWheute: Wie sieht der Vertrieb der Zukunft aus, Alexa, Vergleichsportale, alles über das Smartphone? Geben Sie bitte ihre Einschätzung ab.

Gian Casanova: Studien zeigen, dass die deutschen Versicherungskunden immer offener für neue Vertriebskanäle werden. 69 Prozent der Bundesbürger können sich vorstellen, eine Versicherung komplett online abzuschließen. Im Vorjahr lag dieser Wert erst bei 57 Prozent. Die Vertriebswege von Versicherungen werden daher diverser werden müssen. Laut Umfragen können sich Nutzer vermehrt vorstellen ihre Policen künftig auch bei Automobilherstellern oder Energieanbietern abzuschließen. Vergleichsportale werden dank des guten Überblicks über eine weiter wachsende Versicherungslandschaft ebenso helfen, Entscheidungen zu treffen und Abschlüsse zu generieren. Weniger Akzeptanz sehe ich bei Alexa, Siri und Co. Bisher kann sich nur ein kleiner Prozentsatz von 13 Prozent der Kunden vorstellen, den nächsten Versicherungsabschluss über einen digitalen Sprachassistenten zu tätigen.

VWheute: Das Grundproblem bei Versicherungen ist, dass sich niemand dafür interessiert und es keinen Spaß macht, kann die Digitalität daran etwas ändern?

Gian Casanova: Wie bei jeder Innovation sollte auch bei einem digitalen Versicherungsangebot der Kunde im Fokus stehen. Nur wenn Lösungen, Produkte und Services wirklich für und mit dem Kunden entwickelt werden, können sie in Zukunft Bestand haben. Transparenz und Flexibilität sind hier wichtige Stichworte. Aber auch Mündigkeit –  Kunden wissen heute viel mehr über Versicherungen, sind aber auch mobiler, Lebensumstände sind viel diverser – genau darauf müssen Versicherungen eingehen, wenn sie den individuellen Anforderungen der Kunden gerecht werden wollen. Die ‚One-solution-fits all‘-Versicherung wird es in der Zukunft nicht mehr geben.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.