Weniger Haftung für Arbeitgeber: Politik entscheidet über Durchführungsweg bei Direktversicherung

Plenum im Deutschen Bundestag. Quelle: Bild von clareich auf Pixabay

Die Direktversicherung ist für kleine und mittelständische Unternehmen der wichtigste Durchführungsweg: einfach zu handhaben und haftungsarm. Haftungsarm? Das Bundesarbeitsgericht stellte genau das mit einem Urteil 2016 infrage. Viele Arbeitgeber waren – ohne es zu wissen – in der Einstandspflicht. Der einfachste Durchführungsweg war nicht mehr einfach. Das galt im Übrigen auch für Pensionskassen.

Heimlich, still und leise wurde am 7. Mai 2020 im Rahmen des SGB-IV-Änderungsgesetzes (Beschlussempfehlung BT Drs 19/19037) diese neue Hürde der betrieblichen Altersversorgung wieder beseitigt. Arbeitgeber, Berater und Versicherer können sehr bald wieder durchatmen.

Hintergrund: Seit 1974 war in der Praxis – wie man dachte – einfach und für alle transparent in allen Antragsunterlagen, oft auch in den Versorgungsordnungen der Arbeitgeber und im Gruppenvertrag geregelt, dass der Arbeitgeber verlangt, dass beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers, dessen Ansprüche auf den angesammelten Wert des Direktversicherungsvertrags begrenzt wird (Anspruchsbegrenzung, auch versicherungsvertragliche oder versicherungsförmige Lösung).

Denn das Gesetz (§ 2 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrAVG) schrieb vor, dass diese Sonderregelung ein Verlangen des Arbeitgebers voraussetzt und dass dieses Verlangen nur innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ausscheiden dem Arbeitnehmer und Versicherer mitgeteilt werden konnte. Kein Problem, so dachte man: das steht ja – gut lesbar – in allen Unterlagen und der Arbeitnehmer weiß schon bei Abschluss, was ihm bei Ausscheiden zusteht.

Doch diese jahrzehntelange Praxis erschwerte das Bundesarbeitsgericht massiv (BAG, Urteil vom 19. Mai 2016, 3 AZR 794/14) – in vielen Fällen wurde die Anspruchsbegrenzung sogar unmöglich gemacht. Denn das Bundesarbeitsgericht verlangte, dass der Arbeitgeber im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Arbeitnehmer das Verlangen auf Inanspruchnahme der versicherungsvertraglichen Lösung innerhalb von drei Monaten nach Ausscheiden gegenüber der Arbeitnehmer und in der gleichen Frist gegenüber dem Versicherer in jedem Einzelfall erklärt.

Zudem sollte der Arbeitgeber den Nachweis führen können, dass diese Erklärung – ähnlich wie bei einer Kündigung – dem Arbeitnehmer fristgerecht zugegangen ist. Und dieser Nachweis sollte dann auch noch bis zum Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist in der bAV aufbewahrt werden. In der Praxis ein schwieriges Unterfangen. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Auch der Versicherer oder Berater konnte häufig nicht helfen, da sie erst zu spät, also nach dem Verstreichen von drei Monaten nach Ausscheiden, überhaupt erst vom Ausscheiden erfuhren.

Die Konsequenz seit 2016: Greift die versicherungsvertragliche Lösung nicht, dann schuldet der Arbeitgeber nicht den Wert des Versicherungsvertrags bei Ausscheiden des Arbeitnehmers, sondern die sogenannte Quotierung der Ansprüche (Verhältnis von tatsächlichen Dienstjahren zu möglichen Dienstjahren), die regelmäßig höher liegt als der Wert des Versicherungsvertrags. D.h. die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers greift.

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat – wie der Gesetzgeber schon 1974 – erkannt, dass die Direktversicherung als wichtigster Durchführungsweg für kleine und mittelständische Unternehmen einfach und haftungsarm bleiben muss. Daher ist mit der Novellierung des BetrAVG (Teil des SGB-IV-Änderungsgesetzes, Beschlussempfehlung BT Dr. 19/19037 vom 6. Mai 2020) in zweiter und dritter Lesung am 7. Mai 2020 vom Bundestag eine deutliche Vereinfachung der versicherungsvertraglichen Lösung beschlossen worden: Das „Verlangen des Arbeitgebers“ innerhalb einer Drei-Monats-Frist entfällt vollständig. Damit wird die versicherungsvertragliche Lösung zum Standardfall. Das gilt für Direktversicherungen und Pensionskassen.

Das ist eine große Haftungs- und Verwaltungserleichterung für alle Arbeitgeber, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung gilt dies auch für Altfälle: „Dies gilt auch für bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung ausgeschiedene Arbeitnehmer.“ Allerdings bleiben die sogenannten sozialen Auflagen in § 2 Abs. 2 Nr. 1-3 erhalten. Sehr wichtig ist – gerade in der derzeitigen COVID-19-Pandemie -, dass die versicherungsvertragliche Lösung nur dann greift, wenn keine Beitragsrückstände vorhanden sind. Diese müssen innerhalb von drei Monaten nach Ausscheiden durch den Arbeitgeber ausgeglichen werden.

Und im Gesetz wird auch klargestellt, was das Bundesarbeitsgericht 2016 durch eine Formulierung in Frage gestellt hatte: Die versicherungsvertragliche Lösung begrenzt zwar den Anspruch des Arbeitnehmers bei Ausscheiden auf den Wert des Versicherungsvertrages. Es bleibt aber ansonsten (§ 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG neue Fassung) bei der Einstandspflicht des Arbeitgebers. Das ist zur Zeit besonders aktuell, weil in der gleichen Novellierung die PSV-Pflicht für gekürzte Pensionskassenleistungen beschlossen wurde. Durch die Klarstellung wird der PSV auch bei Kürzungen eintreten, die erst nach dem Ausscheiden verbunden mit der versicherungsvertraglichen Lösung eintreten.

Das Gesetz muss – voraussichtlich am 5. Juni 2020 – noch den Bundesrat passieren. Danach wird es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und schon am nächsten Tag tritt die neue versicherungsvertragliche Lösung in Kraft wahrscheinlich noch vor der Sommerpause in Kraft. Ein Grund zur Freude für die betriebliche Altersversorgung.

Autor: VW-Redaktion

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