Unfallforscher der Versicherer: „Vision Zero ist als absolutes Ziel, jedoch Unsinn“

Unfallauto, ein Fall für den Gutachter. (Symbolbild) Quelle: Pixabay.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Verkehrstoten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwar leicht gesunken. Für Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (UDV), könnte es sich dabei eher „um eine zufällige Schwankung nach Jahren der weitgehenden Stagnation handeln.“

Vielmehr gebe es für den Rückgang der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren vor allem „zwei wesentliche Gründe. Der wichtigste liegt in der Fahrzeugsicherheit. Die drei Stichworte dafür sind Gurt, Airbag und sichere Fahrgastzellen. Systeme wie Notbrems- oder Abbiegeassistenten leisten dagegen in den letzten Jahren einen deutlich geringeren Beitrag zur Sicherheit. Außerdem sind erst wenige Fahrzeuge damit ausgestattet.“

Einen weiteren Grund sieht er im Interview mit der Zeit in den „Verbesserungen der Infrastruktur. Was Straßengestaltung betrifft, haben wir im Laufe der Jahrzehnte sehr viel gelernt: Wie werden Straßen und Kreuzungen übersichtlich gebaut, wie Ampeln am sichersten geschaltet? Aber auch diese Entwicklung ist wie die technische Fahrzeugsicherheit fürs Erste abgeschlossen“.

Zudem komme laut Brockmann „auf uns ein großes Problem zu: Für die zunehmende Zahl an Radfahrern ist die bestehende Infrastruktur nicht gedacht. Unsere Straßen sind für das Auto optimiert. Die Konsequenz sehen wir ganz deutlich daran, dass die Zahl der getöteten Radfahrer stagniert und die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrer stark steigt.“ 

So müsse man sich nach Ansicht des Unfallforschers „auf die Hauptproblemfelder konzentrieren. Bei Pedelecs gibt es zwar die größten Steigerungsraten, doch die elektrischen Fahrräder sind zahlenmäßig unser kleinstes Problem. Die meisten Verkehrstoten sind mit rund 1.800 immer noch die Autofahrer, dann folgen 600 Motorradfahrer, 450 Fußgänger und 400 Radfahrer, davon sind etwa 40 mit einem Pedelec tödlich verunglückt. Im Auto schaffen wir nur dann noch weniger Verkehrstote, wenn die Anschnallquote auf 100 Prozent steigt.“

Außerdem sei man von dem Ziel, die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2011 und 2020 um 40 Prozent zu senken, „Lichtjahre entfernt. Die Vision Zero ist als Weg zu mehr Sicherheit zwar prima, als absolutes Ziel jedoch Unsinn: Selbst, wenn kein Auto mehr fährt, kollidieren Radfahrer gegenseitig oder mit Fußgängern und das kann auch mal tödlich enden. Um Null Verkehrstote zu erreichen, müsste die Mobilität komplett eingestellt werden, was nicht geht. Die Regierung sollte im neuen Verkehrssicherheitsprogramm für die Jahre ab 2021 den Weg zu mehr Sicherheit konkret beschreiben. „

Statistisches Bundesamt: Rückgang der Verkehrstoten 2019 um 6,6 Prozent

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2019 um 6,6 Prozent auf 3.059 (2018: 3.275) zurückgegangen. Damit erreichte die Zahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren. Auch die Zahl der Verletzten ging im vergangenen Jahr um 3,0 Prozent auf rund 384.000 Personen zurück.

Insgesamt habe die Polizei 2019 rund 2,7 Millionen Unfälle aufgenommen, 1,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Bei 2,4 Millionen Unfällen blieb es bei Sachschäden (plus 2,5 Prozent). Die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden, ging um 2,8 Prozent auf rund 300.200 Unfälle zurück.

Mit Blick auf die Bundesländer gab es im vergangenen Jahr in Niedersachsen (plus 14 Tote), Mecklenburg-Vorpommern (plus drei Tote) und Bremen (plus zwei Tote) mehr Verkehrstote als im Vorjahr. In den übrigen Bundesländern kamen weniger Personen im Straßenverkehr zu Tode. In absoluten Zahlen betrachtet gab es die stärksten Rückgänge in Bayern (minus 77 Tote oder minus 12,5 Prozent), in Sachsen (minus 38 Tote oder minus 19,2 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (minus 32 Tote oder minus 6,5 Prozent).

Gemessen an der Einwohnerzahl war das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, in Sachsen-Anhalt mit 62 Todesopfern und in Mecklenburg-Vorpommern mit 55 Todesopfern je 1 Million Einwohner am höchsten. Weit unter dem Bundesdurchschnitt von 37 Getöteten je eine Million Einwohner liegen aufgrund ihrer Siedlungsstruktur die Stadtstaaten, aber auch das Saarland und Nordrhein-Westfalen.

Autor: VW-Redaktion

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