ITC DIA 2023: Was die Insurtechszene bewegt

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Das Jahr neigt sich dem Ende zu – einer der letzten Branchentreffs der digitalen Szene ist die ITC DIA Europe in München. In den alten Eisbach-Filmstudios am Rande Münchens treffen sich Investoren, Versicherer, Insurtechs und Labs zum Networken, Brainstormen und Geschäfte machen. Ein Erlebnisbericht von Dr. Moritz Finkelnburg.

Geladen von den ikonischen DIA-Gründern Roger Peverelli, Reggy de Feniks und Walter Capellmann tritt diese vermutlich wichtigste europäische Zusammenkunft bereits seit letztem Jahr in neuem, zukunftsweisendem Kleid auf. Die ITC, Gründer der riesigen und weltweit mit Abstand größten Insurtech-Messe in Las Vegas, haben bereits vor einiger Zeit die DIA übernommen, um auch in Europa Fuß zu fassen. Nach dem nächsten Jahr werden sich die DIA-Gründer nach langen Jahren zurückziehen und der ITC – ganz bewusst und gewollt – das Spielfeld überlassen.

Gut? Ja natürlich, denn die Größe und professionelle Struktur der ITC wird die DIA auch für die Zukunft als wichtigsten „Handelsplatz“ der Digi-Branche erhalten und weiterentwickeln. Die DIA bleibt durch ITC erhalten – und das ist gut und wichtig.

Wehmut? Auch ein klares „ja – natürlich“. Wer nach diesen langen Jahren noch nicht dem Charme der Gründer und dem permanenten liebevollen Engagement des ganzen DIA-Teams erlegen ist, der war nie wirklich dabei. Wer erinnert sich nicht an die gefühlvollen Worte von Roger zu Beginn der DIAs, das Gefühl, er kenne jeden und wisse zu schätzen, dass alle da sind. Die Vorabend-Empfänge im Can Fisher in Barcelona, das Mas Alta oder auch im Spicy Bazaar von München. Die Details sind liebevoll gestaltet, jeder einzelne fühlt sich willkommen.

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Gab es denn gar nichts auszusetzen an den DIAs? Vielleicht, ja. Aber zum einen gehören diese Dinge nicht in einen Farewell- und Aufbruch-Artikel, zum anderen verschwinden sie angesichts der Schaffung eines solchen Marktplatzes der Branche. Also noch einmal und abschließend: Merci, Gracias, Bedankt und Chapeau.

Was und wer waren diesmal da? Was wird diskutiert? Kurz im Steno-Stil zusammengefasst: Wie wird AI zukünftig konkret und sinnvoll eingesetzt? Use-cases waren erkennbar, aber sind noch work in progress.

Kostenquote der Versicherer? Explodiert durch inflationsbedingt steigende Schadenkosten. Ansätze zum Cost-Cutting sind erkennbar, aber noch nicht so entschlossen und eindeutig, wie nötig. Hier dürfen die Versicherer zu Recht mehr erwarten.

Gibt es in Kfz Probleme gerade? Interessant, wenn hier mehr Ansätze kämen …

Alte Kernsysteme? Vorschläge zur Ablösung von Cobol & Co. waren kaum vorhanden. Dabei ist dies das Mega-Thema der Old Economy (auch wenn diese es vielleicht noch gar nicht so erkannt hat). Wer führt Regie? Welches System ist zukunftsfähig? Mein Wunsch: In Zukunft mehr und klarer Fokus.

Investments: Ja, aber recht zögerlich im Seed. Das Interesse steigt, je reifer die Insurtechs sind. Verständlich, aber schade. Wir brauchen Engagement im Seed, um das Insurtech-Feuer weiter am Köcheln zu halten. Davon profitiert die ganze Branche.

Und Fachkräftemangel herrscht überall. Start-ups suchen dringend Entwickler, Architekten und auch Versicherungs-Insider zum Auf- und Ausbau des Geschäftes. Aber selbst im Melting-Pot Berlin scheint es schwierig zu sein.

Die Gesichter: Anna Bojic von Miss Moneypenny schwebt elegant mit ihrer Walletlösung über die Bühne, Carl Bauer-Schlichtgroll von EOS schließt den zweiten Fonds sehr erfolgreich in den nächsten Wochen und sucht bereits Mitspieler für den nächsten.

Nick Sühr, Pionier der ersten Insurtech-Stunde hat Kasko weiter ausgebaut und berät darüber hinaus in sehr spannenden Feldern. Robin Kiera verkündet die Akquise des berühmten Finletter und bringt dessen Gründungspaar Clas Beese und Caro Neumann nachhaltig zum Strahlen.

Arina Man von Kasko2Go ist froh, ihre israelischen Mitarbeiter in Sicherheit zu wissen und treibt daneben entschlossen ihr Data Enrichment Modell für Kfz-Versicherer voran. Reinhard Sattler vom omnipräsenten Insurhub Munich führte fast alle Teilnehmer nächtens in die Allianz-Arena, um bei Speis, Trank und Musik ein Intensiv-Networking zu organisieren.

Last not least Silvia Signoretti vom Swiss Insurtech Hub mit charmanter Konkurrenzbeobachtung. Jeder freut sich auf ihre nächste Veranstaltung in Zürich. Und verlässt die DIA Munich müde, aber voller Eindrücke und Vorfreude auf 2024.

Autor: Moritz Finkelnburg, Akademischer Direktor der Goethe Business School Frankfurt, langjähriger Versicherungsmanager und Insurtech-Experte