Wie viel Potenzial steckt in eingebetteten Versicherungen?

Florian Alsbach. Quelle: Sollers Consulting

Das Konzept der eingebetteten Versicherung ist in der Lage, den Abschluss einer Versicherung deutlich zu vereinfachen. Schätzungen zufolge wird sich das Marktvolumen in Europa bis 2030 um ein vierzehnfaches steigern. Ein Großteil der deutschen Versicherungsunternehmen verfügt über einen veralteten Technology-Stack und ist deshalb nur eingeschränkt in der Lage, sich an digitale Ökosysteme anzuschließen. Von Florian Alsbach.

Versicherungsprodukte sind oftmals nicht auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten. Sie sind kompliziert, unflexibel, teuer und werden selten im richtigen Kontext verkauft. Ein möglicher Vorteil, den der Kunde aus dem Versicherungsabschluss hat, ist in der Regel ungewiss und liegt womöglich weit in der Zukunft. Zusammen mit einer Vielzahl an Dokumenten, die vor Vertragsabschluss unterzeichnet werden müssen und die danach herausgegeben werden, gestaltet sich der Versicherungsabschluss in der Regel als lästiges Übel für den Versicherten. 

Für viele Kunden ist es in der Regel noch undenkbar, eine Versicherung für ihre Brille, ihre neue Couch oder ihren neuen Kühlschrank abzuschließen. Werden diese Versicherungen hingegen direkt am Point-of-Sale angeboten, wird ein direkter Bedarf des Kunden befriedigt, der die Vertriebschancen deutlich erhöht. Voraussetzung dafür ist, dass die angebotenen Versicherungsprodukte einfach und leicht zu verstehen sind oder alternativ nicht aktiv vom Kunden wahrgenommen werden. Als Beispiel für die zweite Kategorie sei hier der E-Scooter-Verleih erwähnt, der hierzulande 2019 zugelassen wurde.  Die wenigsten Kunden machen sich darüber Gedanken, welche Deckungssummen im Falle eines Unfalls gelten. Die dafür notwendige Versicherung ist vollständig in das Mietobjekt eingebettet und wird über den Mietpreis des E-Scooters abgerechnet.  

Es gibt einen starken Trend hin zu eingebetteten Versicherungsangeboten, oder „embedded insurance“. Dabei werden Versicherungen mit Produkten aus den unterschiedlichsten Sektoren außerhalb der Finanzbranche eingebettet in eine einheitliche Customer-Journey als Zusatz zum Kernangebot oder als neue Komponenten angeboten. Dadurch ergeben sich hoch attraktive neue Absatzmärkte für die Versicherer. Auch Vertriebspartner können damit ihre Produkte werthaltiger anbieten und sind somit wettbewerbsfähiger.  

700 Milliarden Dollar Prämie bis 2030

Das Konzept der eingebetteten Versicherung ist in der Lage, den Abschluss einer Versicherung deutlich zu vereinfachen und dem Kunden einen direkten Vorteil vor Auge zu führen. Dazu muss der Versicherungsabschluss jedoch am Point-of-Sale mithilfe von Partnern erfolgen und kann nicht wie üblich im Nachgang durch den Versicherer selbst erfolgen. Bisher hat die Corona-Pandemie viele Versicherer dazu motiviert, ihre Vertriebskanäle verstärkt zu digitalisieren. Allerdings werden dabei meist nur die bestehenden Produkte auf einen anderen Kanal gehoben. Um von dem Wachstumspotenzial des eingebetteten Versicherungsmarktes, das 2030 auf Drei-Billionen-Dollar – davon allein 700 Mrd. Dollar für Sachversicherungen – von dem Unternehmensberater Simon Torrance geschätzt wird, profitieren zu können, müssen die deutschen Versicherer jedoch neue Wege gehen.

„Alle Akteure – Versicherer, Banken, Fintechs, Investoren, Einzelhändler außerhalb des Finanzsektors, Produkthersteller, Dienstleistungsanbieter, digitale Plattformen und Softwareunternehmen – sollten sich diesen schnell entstehenden Markt genau ansehen und Strategien festlegen, wo sie mitspielen und wie sie profitieren können“, schreibt dazu Torrance in einem sehr interessanten Artikel.

Schätzungen zufolge wird sich das Marktvolumen für eingebettete Sachversicherungen in Europa bis 2030 um ein vierzehnfaches im Vergleich zu heute steigern. Diese Einschätzungen scheinen realistisch, denn man bedenkt, dass die Corona-Pandemie bereits jetzt zu einem neuen Kaufverhalten der Endverbraucher geführt hat. Dadurch, dass viele Menschen sich zunächst aufgrund geschlossener Filialen gezwungen sahen, Kleidung, Möbel, Elektronikartikel und viele weitere Bedarfsgegenstände online zu kaufen und im Anschluss durchaus gefallen an diesem Modell fanden, steigerte sich der Umsatz des deutschen E-Commerce erheblich. Mit einem Umsatzsprung von 59,2 Mrd. Euro auf 72,8 Mrd. Euro ist der Umsatz im E-Commerce im Jahr 2020 um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, während er im Vergleich zu 2018 sogar um mehr als 36 Prozent gestiegen ist. 

60 Prozent der Versicherer brauchen mehr als sechs Monate für den Produktlaunch

Dieser rasante Anstieg wird neue Marktteilnehmer anlocken, die den etablierten Versicherern ihre Marktposition streitig machen wollen. Dabei handelt es sich nicht nur um Versicherer oder Insurtechs. Auch Online-Plattformen wie Amazon oder die Ant Group zeigen vermehrt Interesse am Versicherungsgeschäft. Der schier unendlichen Marktmacht dieser Unternehmen werden die Versicherungsunternehmen sich nur widersetzen können, wenn sie bereits jetzt die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen. 

Dazu müssen mehrere Hindernisse überwunden werden. Ein Großteil der deutschen Versicherungsunternehmen verfügt über einen veralteten Technology-Stack und ist daher nur eingeschränkt in der Lage, sich an digitale Ökosysteme anzuschließen. Für viele potenzielle Partner sind eine hohe Flexibilität des Produkts und des Customer Journeys sowie eine geringe Markteinführungszeit von großer Bedeutung. Mehr als 60 % der Versicherer geben an, dass sie mehr als sechs Monate benötigen, bis sie ein neues Produkt auf den Markt bringen können. Ein Viertel der Versicherer benötigt sogar über ein Jahr für diesen Prozess. Die technische Bereitstellung eines Produktes wird hierbei von 40 Prozent der Versicherer als Problem erkannt. Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Suche nach Vertriebspartnern. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Versicherer Kundenbedürfnisse nicht vollumfänglich verstehen.

Quelle: Sollers

Dreiklang aus Vertrieb, Versicherung und Technologie

Ein Dreiklang aus Versicherer, Vertriebspartner und technologischem Anbieter ermöglicht es, diese Hindernisse zu überwinden. Die Versicherungsunternehmen sollten sich dabei auf ihr Kerngeschäft besinnen und das Versicherungsproduktportfolio sowie die Deckung anbieten. Die Vertriebspartner hingegen ermöglichen es, dass die Versicherungen in die bestehenden Customer-Journeys eingebunden werden und der Vertrieb mithilfe des vorhandenen Wissens über seine Kunden optimiert wird. Der technologische Rahmen wird von technologischen Anbietern gesteckt, die eine digitale Lösung anbieten und das technische Know-how besitzen, um eine effektive Kooperation zu gewähren. Der Fokus sollte dabei auf einer hohen Flexibilität des Produkts und der Customer-Journeys bei einer gleichzeitig kurzen Markteinführungszeit gesetzt werden. 

Nur mit einer erfolgreichen Zusammenarbeit dieser drei Komponenten wird es möglich sein, dem Kunden ein Versicherungserlebnis zu präsentieren, das auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Partnerschaften auf Augenhöhe einzugehen sind dementsprechend die einzige Chance für Versicherer, einen Teil des Drei-Billionen-Dollar-Markets der eingebetteten Versicherungen für sich zu beanspruchen und sich aufstrebenden neuen Marktteilnehmern erwehren zu können.  

Autor: Florian Alsbach, Digital Consultant bei Sollers Consulting

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