Ökosysteme: Der neue Hafen für Assekuranz-Tanker

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Die Versicherungsbranche befindet sich im Umbruch: Kunden verlangen zunehmend nach holistischen Lösungsangeboten, die jederzeit digital einsehbar sind, einen unmittelbaren Bedarf treffen und sich nahtlos in ihren Alltag fügen. Welche Chancen bieten Assekuranz-Ökosysteme und neue technologische Plattformlösungen, um die Loyalität von Kunden zu steigern und geänderten Verbrauchererwartungen gerecht zu werden? Ein Gastbeitrag von Oliver Hechler vom Softwarehersteller BSI.

Die Coronakrise verstärkt den Umbruch und Nachfragetrend zusätzlich. Das zeigt auch die aktuelle Studie „Ökosysteme in der Versicherungsindustrie“ von Accenture. Im Wettbewerb um die Gunst der Verbraucher stehen Versicherer deshalb vor der Aufgabe, komplexe Altsysteme mit ihrem teilweise Jahrzehnte alten Datenbestand zu modernisieren und sektorübergreifend anschlussfähig zu machen. Welche Chancen bieten Assekuranz-Ökosysteme und neue technologische Plattformlösungen, um die Loyalität von Kunden zu steigern und geänderten Verbrauchererwartungen gerecht zu werden? Welche Best-Practice-Beispiele kennt der Markt bereits, und wo besteht noch Aufholbedarf?

Kombiniertes Serviceangebot – nach aktuellem Bedarf

Plattformökonomie und Ökosysteme sind geflügelte Worte im Innovationsdiskurs, die schneller formuliert als operativ umgesetzt sind. Beide Systembegriffe nehmen eine Komplementärpartnerschaft von Marktteilnehmern ins Visier, die gegenseitig von dem Austausch ihrer jeweiligen Produkte, Services und Dienstleistungen sowie Informationen profitieren. Auf diese Weise können auch Versicherungshäuser einen Service-Mix anbieten, ohne dessen Produkte und Services tatsächlich im eigenen Portfolio haben zu müssen. Zudem können sie auf diese Weise überall da mit Leistungen präsent sein, wo sich die Versicherungsnehmerin gerade aufhält – sei es als Info auf dem Smartphone oder beim persönlichen Beratungstermin, und dies alles rund um die Uhr.

Konkretes Beispiel: Bei einem Kunden steht ein Umzug steht an, und dieses Ereignis wird verschiedenen Unternehmen über eine (gemeinsam genutzte) KI-gestützte Software automatisch angezeigt – auf dem Smartphone oder Tablet, im Büro oder von unterwegs aus einsehbar. Im Ergebnis erhält der Kunde ein spezielles Angebot einer Umzugsfirma, einer Versicherung (für die Möbel) und für eine Hotel-Übernachtung – falls der Umzug doch nicht so reibungslos klappt wie geplant. Eine Angebots-Kombi, die dem aktuellen Bedarf entspricht und als echte Unterstützung wahrgenommen wird.  

Versicherungen von morgen sind mehr als die Summe ihrer Teile

Reagiert wird damit auf geänderte Produkt- und Dienstleistungswünsche seitens der Kunden – unabhängig von der einzelnen Branche. Die Versicherungsofferte fügt sich in ein Portfolio-Angebot und holt die Kundin dort ab, wo sie sich in ihrer Lebenswelt eine Hilfestellung wünscht – möglichst einfach und bequem. Die Assekuranz hat realisiert, dass es für eine ernst gemeinte Kundenzentrierung nicht mehr ausreicht, allein auf Produkte und Services zu setzen. Vor diesem Hintergrund wandeln sich Versicherer konsequent zu digitalen Dienstleistern, die für ihr Angebot zunehmend Schnittstellen- und Plattformlösungen nutzen, um ihr Angebot kontinuierlich zu optimieren.

Digitale Serviceplattformen ermöglichen Verbund-Vision

Durch die Anschlussfähigkeit an Open-Industry-Lösungen wie beispielsweise die SDA Service-Plattformkönnen „alte“ Bestandsdaten aus den Kernversicherungssystemen weiterverarbeitet und zum Austausch zwischen Versicherungsberater und Kunde bereitgestellt werden. Wer diese Kundenhistorie dann noch in Automation-Softwarelösungen integriert und Mitarbeiter ermächtigt, diese Daten für ihre eigenen Bereiche selbst auszuwerten, ist dem Wettbewerb einen entscheidenden Schritt voraus.

Denn Digital Experience Plattformen für Marketing, Sales und Service Automation bilden damit so etwas wie ein Gehirn des Ökosystems: sie vernetzen das Beste aus allen Angebotswelten und erlauben weitreichende Interaktionen zwischen Partnerunternehmen sowie zwischen Firmen und Kunden auf B2C-Seite. Was heute der Wetterservice auf das Smartphone, die Schokolade als Neukundengruß oder eine Wegbeschreibung zur nächsten Filiale ist, kann morgen die mobile Hagelwarnung von der Kfz-Versicherung zur Schadensprävention sein. Innovationsplattformen bieten softwaregestützt weitreichende Möglichkeiten, Customer Journeys abzubilden und zu begleiten. Versicherer mit ihren gewachsenen Servicemodellen wiederum können auf diese Weise umfassend von ihren Verbundpartnern profitieren – und umgekehrt.

Vergangenheit erschließt Zukunft: Versicherungen 2021

Denn nur wenn im Zusammenspiel zwischen den beteiligten Partnern der Wertbeitrag der „Old Economy“ in der digitalen „New Economy“ ein neues Gesicht erhält und Verbrauchern im Alltag präsent ist, gelingt es, die „Assekuranz-Tanker“ erfolgreich Richtung Zukunft zu steuern. Dafür nötig sind neben einem agilen Mindset und der Bereitschaft, neue Wege zu gehen, eine Offenheit für technologische Infrastruktur-Plattformen, die den Versicherungssektor gehörig umkrempeln. Das heißt auch, dass der Go-to-Market für die Konkurrenz womöglich erleichtert und der Wettbewerb intensiviert wird. Wer allerdings die Augen vor den Möglichkeiten kollaborativer Servicemodelle aus Angst vor Marktdruck verschließt, für den gibt es unter Umständen ein böses Erwachen. Denn die Vorteile von Ökosystemen in puncto Effizienz und Kundenbindung lassen sich nicht wegwischen.

Die Kooperation zwischen der Basler Versicherung und Pfister Möbel zeigt heute schon, wohin die Reise gehen kann: Käufer exklusiver Möbel bei Pfister, dem führenden Einrichtungshaus in der Schweiz, erhalten automatisch das Angebot eines Premiumschutzes für alle bei Pfister gekauften Möbel für vier Jahre. Technologische Basis für beide Unternehmen ist eine moderne CRM-Lösung mit zugehöriger Marketing Automation, die den Trigger für die Kundenansprache auslöst. So werden Anbieter technologiegestützt zum „Butler“ ihrer Kunden: die Prozesse laufen diskret im Hintergrund – der Kunde profitiert jedoch von einem Service, der ihm sein Leben leichter und angenehmer macht.

Autor: Oliver Hechler, Managing Director Germany and Community Manager Insurance beim Softwarehersteller BSI Business Systems Integration AG

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