Kontextueller Produkte: Versicherung einfach kaufen, wenn es passt

Christian Macht, CEO Element Insurance AG, teilt sich seine Macht nun mit Astrid Stange. Quelle: Element

Es ist ein Talent, Komplexität in einfache Worte gießen zu können. Wie zu den meisten Themen flimmern zur Digitalisierung viele Begrifflichkeiten durch Fachbeiträge, die dann moderner klingen als das, was tatsächlich dahintersteckt, schreibt Christian Macht. In seinem Gastbeitrag zum Thema Kontextuelle Versicherungsprodukte beschreibt der Elementchef den Weg vom Ist-Zustand zur Zukunft.

Lassen Sie mich daher zunächst auf den Begriff der „kontextuellen Versicherung“ eingehen: Auf eine Art und Weise ist jedes Produkt „kontextuell“, es steht also in einem bestimmen Zusammenhang mit der Nutzung.

Eine Hausratversicherung steht in Zusammenhang mit dem eigenen Hausrat, eine Krankenversicherung mit der eigenen Gesundheit, eine Reiseversicherung mit den eigenen Reiseplanungen. Soweit also nichts Neues.

Denken wir jetzt jedoch diesen Begriff etwas weiter, exemplarisch am Beispiel der Reiseversicherung – passt sie wirklich genau zu der geplanten Reise? Oder ist sie nicht vielmehr eine Annäherung an wenige Durchschnittswerte? Wäre meine Reise nicht teurer als die über die Police abgesicherte Summe, eine Abdeckung eines verlorenen Koffers hingegen nicht so wichtig, da ich nur mit Handgepäck fliege?

Eine Kfz-Kasko hingegen ist schon genauer auf Fahrzeug und Fahrer zugeschnitten. Fahrer mit Unfallshistorie in teuren Autos zahlen fairerweise etwas mehr. Dieses Zuschneiden bedeutet auf Seiten der Versicherer jedoch deutlich erhöhten Arbeitsaufwand – aufgrund des Volumens dieses Marktabschnitts ist dieser aber seit längerem berechtigt.

Von kontextuell zu integriert

An diesem Punkt greift die zunehmende Digitalisierung ein. Der voll-digitale Ansatz macht es möglich, dass Produktideen auch ohne großen Arbeitsaufwand individuell anpassbar sind und Kundenwünsche direkt abbildbar werden. Flexibilität und Dynamik, unterstützt von digitaler Analyse, kosten ein Bruchteil von früherem Aufwand und Zeit.

Das ist nur die eine Seite von „kontextuell“. Auch der Kaufprozess an sich kann im Kontext erfolgen. Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Reiseversicherung – schon heute ist es üblich, dass ich diese direkt beim Anbieter abschließe. In Zukunft – wie eben beschrieben – aber vielleicht etwas genauer auf meine jeweilig gekaufte Reise und die Reiseteilnehmer zugeschnitten, aber eben jetzt schon im Vertrieb „kontextuell“.

Neben der Reiseindustrie sind diese Zusatzprodukte beispielsweise auch im Elektronikhandel verfügbar – hier aber bisher auch nur grob auf den jeweiligen Kauf zugeschnitten, der oft einzige Parameter ist der Preis der gekauften Ware. Die gekaufte Marke („kommen besonders viele Reklamationen?“), Käuferverhalten („sind ihm schon viele Geräte kurz vor Ablauf der Gewährleistung kaputt gegangen?“, aber auch („was ist dem Kunden Sicherheit wert?“) könnten zukünftig den Preis einer solchen Police beeinflussen – welche dadurch fairer und attraktiver wird.

Noch etwas weitergedacht sind diese kontextuellen Versicherungslösungen dann auch direkt in den Nutzungszusammenhang eingebettet, der passende Schutz kommt also direkt mit dem Produkt. Ein Vorreiter in diesem Bereich ist Tesla in den USA, deren Neuwagen dort direkt mit einer passgenauen Kfz-Versicherung kommen.

Zusammen mit unserem Partner Vodafone haben wir eine Cyberversicherung entwickelt. Das Produkt sichert Endkunden gegen gängige Gefahren, wie Identitätsdiebstahl oder „fishing“ beim Online-Shopping ab. Es ist mit einem erweiterten Cyberschutz kombinierbar, kann monatlich gekündigt werden und wird über die Mobilfunkrechnung gezahlt. Der Abschluss erfolgt wie bei einer App, die Angabe der Telefonnummer ist ausreichend – also eine kontextuelle Versicherungslösung, die sich nach den Bedürfnissen der Kunden richtet.

Nischenmärkte besetzen

Die Grenzen sind auch nicht bei kleineren Produkten gesetzt: Viele Versicherungslösungen lassen sich inzwischen extrem individualisieren und an die Bedürfnisse jedweder Zielgruppe anpassen. Für Sportler, die Wildwasserkajak fahren, kann eine entsprechende Unfallversicherung zugeschnitten werden, bevor es ins Wasser geht oder bei Anmietung des Equipments wird dann über eine App der Versicherungsschutz tageweise aktiviert.

Ein Rechtsschutz für Simultanübersetzter, der wirklich auf deren Belange eingeht, ist ebenfalls kein Problem mehr, da eine plattformbasierte Produktkreation besondere Ein- und Ausschlüsse zulässt.

Wichtig ist nur, dass entsprechende Daten konsequent ausgewertet werden, bevor es in die Produktentwicklung geht. Ebenso muss in der Schadenbearbeitung durch Technologie der dann zunehmenden Vielfalt und Komplexität Rechnung getragen werden.

Nischenmärkte mit entsprechenden kundenzentrierten Versicherungslösungen zu besetzen wird konsequenterweise den Versicherungsmarkt der Zukunft gestalten und auch für versicherungsferne Industrien zu einem reizvollen Geschäftsmodell. Selbstverständlich heißt das aber nicht unbedingt, dass es den heutigen Vertrieb nicht mehr geben wird.

Ein Beispiel jenseits der Versicherungsindustrie, aber mit einer ähnlichen Dynamik: Obwohl 2020 fast alles bei Amazon erhältlich ist – spezialisierte Fachgeschäfte, die ein kuratiertes Angebot und persönliche Beratung bieten, sind auch weiterhin erfolgreich.

Autor: Dr. Christian Macht, CEO Element

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