Robotic Process Automation: Potenziale entfalten, typische Fehler vermeiden

Sefa Soybir, Senior Consultant, (re.) und Christopher Schmidt Senior Consultant, ifb group

Im Spannungsfeld gesellschaftlicher und technologischer Megatrends wie Globalisierung, Automatisierung, Digitalisierung oder Big Data müssen auch Versicherungen durch Innovationen auf Veränderung und dynamische Entwicklungen reagieren. Das gilt umso mehr in Zeiten der COVID-19 Pandemie. Es beginnt mit dem Bedarf nach effektiven Remote- und Homeoffice-Konzepten und reicht bis zu massiven Kosteneinsparungen bei internen Prozessen, um die Liquidität während der Pandemie und darüber hinaus zu sichern. Dabei verspricht immer häufiger die Automatisierung von Prozessen über Software Roboter – Robotic Process Automation (RPA) – Erfolg. Als kostengünstige Alternative zur klassischen Prozessoptimierung müssen bei RPA-Initiativen weder die bestehende Systemlandschaft noch die Prozesse angepasst werden. Der Bot bedient vorhandene Systeme nach vorgegebenem Muster wie ein Mitarbeiter über die Benutzeroberfläche. Trotz dieser scheinbaren Einfachheit der Umsetzung scheitern in der Praxis erstaunlich viele RPA-Initiativen. Ein Gastbeitrag.

Wo liegen die häufigsten Fehlerquellen bei der Umsetzung, die so hohe Quoten des Scheiterns nach sich ziehen und wie können Organisationen sicherstellen, dass die Einführung der Technologie auch wirklich ihre Versprechungen hält?

Die größten Risiken: Unrealistische Erwartungen, Intransparenz und mangelnde Akzeptanz

Ein wesentlicher Grund für das Versagen von RPA-Konzepten sind unrealistische Erwartungen gegenüber der Technologie. Natürlich lassen sich beeindruckende Ergebnisse über die Implementierung von Bots realisieren: Massive Kostenreduktionen hinsichtlich der bisher manuellen Arbeitsaufwände, Reduzierung von Fehlerquoten und schnellere Prozessdurchlaufzeiten. Dennoch erfüllt RPA nicht den Anspruch, hochkomplexe Prozesse End-To-End zu automatisieren und ist nur Teil einer vollständigen Automatisierung. Organisationen laufen Gefahr, mit falschen Erwartungen ungeeignete Prozesse für die Automatisierung mit Software Bots auszuwählen, wodurch die Initiative unweigerlich scheitern wird.

Eine weitere Herausforderung ist die Intransparenz in den bestehenden Prozesse. Viele Organisationen sind sich der zahlreichen Abweichungen und Ausnahmen in ihren Prozessen nicht bewusst. RPA kann jedoch nur automatisieren, was bekannt ist, da der Bot die User Interfaces so bedient, wie es seine Konfiguration vorgibt. Eine unbekannte Variante wie z.B. ein Pop-up Fenster kann seine Funktionalität beeinträchtigen.

Schließlich bedeutet Automatisierung immer Veränderung für die Mitarbeiter. Wird ein (Teil-) Prozess automatisiert, ändern sich die Aufgaben derjenigen, die die Tätigkeit vorher manuell ausgeführt haben. Ablehnung gegenüber Neuerungen ist einer der Hauptgründe für das Scheitern von Projekten der Digitalen Transformation – und damit auch für RPA.

Die Grundregeln, um RPA  erfolgreich zu machen

Um RPA erfolgreich einsetzen zu können, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. Es sind die Grundpfeiler für RPA-Initiativen, die die gesteckten Ziele erreichen:

1.  Realistische Erwartungen – Möglichkeiten und Grenzen kennen

Bevor die Prozessautomatisierung mit Software Bots starten kann, müssen Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Technologie erkannt werden. Dazu zählt z.B. das Verständnis, dafür geeignete Prozesse auszuwählen. Dann tritt Erfolg an die Stelle der Frustration, mit der Unternehmen ansonsten scheitern und die Technologie als ungeeignet einstufen, obwohl sie eigentlich viel Potenzial hätte.

2. Eine tiefgehende, umfassende, wenn möglich datenbasierte Analyse durchführen

Stuft man einen Prozess als geeignet für die Automatisierung ein, ist es unabdingbar, ihn vollständig zu kennen und maximale Transparenz zu schaffen. Hierbei kann z.B. Process Mining wertvolle Einblicke auf Datenbasis bieten und die gesamte Projektdauer maßgeblich verkürzen. Ist der Prozess mit allen Ausnahmen und Abweichungen bekannt, können diese dem Bot während der Konfiguration mitgegeben werden.

3. RPA als Teil der gesamten Digitalisierungsstrategie verstehen

RPA sollte nicht als Technologie gesehen werden, die einmal eingekauft und dann nie mehr beachtet wird. Die Organisation und die darin ablaufenden Prozesse leben und entwickeln sich weiter. Analog müssen auch die Konfigurationen der Bots aktualisiert werden. Zudem liegt ein zentraler Mehrwert der Technologie in ihrer einfachen Skalierbarkeit. Entsprechend sollte ein Framework aufgesetzt werden, das weitere Prozesse auf ihre Eignung für die Automatisierung prüft und sie schließlich in diese überführt. Die Grundvoraussetzung hierfür ist Klarheit bezüglich der Rolle, die die Automatisierung im Unternehmen einnehmen soll. Sie muss auf strategischer Ebene definiert werden.

4.  Den menschlichen Faktor beachten

Egal wie gut die Konfiguration der Software Bots ist oder wie gut die ausgewählten Prozesse sich für die Automatisierung eignen – am Ende sind es die Mitarbeiter, die die Veränderung tragen und umsetzen. Frühzeitig sollte die gesamte Belegschaft deshalb eingebunden und Transparenz über die Ziele und den Fortschritt der Initiative geschaffen werden. Das Vertrauen der Mitarbeiter in die Technologie sollte von Beginn an ein Kernziel des RPA-Projektes sein.

Unser Fazit: RPA bietet viel Potenzial, wenn dafür die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das Thema muss strategisch verstanden werden und verdient die damit verbundene Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Dann wird es sich immer bezahlt machen.

Autoren:

Sefa Soybir, Senior Consultant, ifb group, Business Analyst Automation | Insurance

Christopher Schmidt, Senior Consultant, ifb group, Certified RPA Advanced Developer.

Ein Kommentar

  • Besonders die Berücksichtigung des menschlichen Faktors hat mich sehr begeistert – leben wir doch in einem Zeitalter der Digitalisierung, der insbesondere bei Change-Management-Prozessen den Menschen an der ein oder anderen Stelle vernachlässigt!

    Nur die Kombination aus Robotik und dem menschlichen Anwender (mit allen Stärken und Schwächen) machen aus dem RPA-Prozess einen erfolgreichen Prozess. Und der Profi weiß: Nur der kluge und strukturierte Moderator kann in laufenden unternehmensinternen Prozessen eine „Smoothie“ Integration garantieren.

    Und wie sieht der „Return-on-investment“ aus? Garantiert positiv, denn jeder neu Weg bringt mehr als eine Chance für das Unternehmen. Die Projektteilnehmer gewinnen Know-how, Selbstbewusstsein, Modernität, Digitalisierungswissen und was bedeutet das…? RENDITE. Und daher freue ich mich über diesen wichtigen Beitrag zur Unternehmensentwicklung und Optimierung der Unternehmensprozesse!

    Gratulation, Hr. Soybir, Gratulation, Hr. Schmidt!

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