Karlsruher Medienversicherung plant organisches Wachstum

Jürgen Schellmann (links) und Christine Fricke (rechts). Quelle: MVK Versicherung

Die Karlsruher MVK Versicherung hat in den vergangenen Jahren rund 2,5 Mio. Euro in die eigene IT investiert. Das Ziel: „Komplett aktenlos“ zu arbeiten. VWheute sprach mit den Vorständen Christine Fricke und Jürgen Schellmann über die aktuellen Ziele und Herausforderungen des badischen Versicherers.

VWheute: Die Medien-Versicherung a.G. Karlsruhe, jetzt MVK, ist vielleicht nicht jedem ein Begriff, erklären Sie doch einmal kurz die Geschichte und wo sie jetzt stehen?

Jürgen Schellmann: Die MVK Versicherung kann mit über 120 Jahren auf eine lange Tradition zurückblicken. 1899 wurde die Gesellschaft als „Feuerversicherungs-Genossenschaft Deutscher Buchdrucker“ in Leipzig gegründet. Ziel der Gründungsväter war es, die Buchdrucker als dem Konditionendiktat der Versicherungs-Aktiengesellschaften zu führen und ihren Mitgliedern einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz gemäß dem Motto „Jeder zu eines Jeden Wohls“ anzubieten. Die Anziehungskraft dieses Gedankens war groß und so entwickelte sich die Gesellschaft zu dem führenden Fachversicherer für die Druck- und Medienindustrie.

Nach Kriegsende und Neustart in Karlsruhe vergrößerte man sukzessive das Produktangebot. Allerdings öffnete man sich erst Mitte der 90iger-Jahre für Privatpersonen. Man erkannte, dass es nach der Deregulierung für „guten Versicherungsschutz zu fairen Preisen“ einen Markt gab und gibt. Der Leitgedanke Verbraucherschutz spielte dabei von Anfang an eine große Rolle.

VWheute: Wo stehen Sie heute?

Jürgen Schellmann: Heute ist die MVK ein moderner SHU-Versicherer mit zwei Standbeinen. Zum einen betreiben wir das Firmenkundengeschäft, maßgeblich als Fachversicherer für die Druck- und Medienindustrie, und zum anderen das Privatkundengeschäft mit ausgezeichneten Tarifen in der Haftpflicht-, Unfall-, Rechtsschutz-, Wohngebäude- und Hausratversicherung.

Die Kunden sind bei der MVK aufgrund der soliden Kapitalbasis gut aufgehoben. Die Überdeckung des notwendigen Solvenzkapitals lag bei 553 Prozent im Jahr 2019. Damit befinden wir uns bei den Sachversicherungsunternehmen auf einem absoluten Spitzenplatz vor den größten Player am deutschen Versicherungsmarkt.

Da unser bisheriger Markenauftritt historisch sehr stark unser gewerbliches Geschäft fokussierte, haben wir das neue Jahrzehnt zum Anlass genommen, unseren Markenauftritt zu modernisieren. Ziel war es eine klare, unverwechselbare und konsistente Wahrnehmung der Marke über alle Kundenkontaktpunkte hinweg zu schaffen, ohne dabei die langjährige Erfahrung aus dem Blick zu verlieren.

Das gesamte Mitgliederspektrum soll sich in der Marke und im Logo wiederfinden. So wurde in der Außenwirkung aus der Medien-Versicherung a.G. Karlsruhe, vorm. Buchgewerbe-Feuerversicherung, gegründet 1899 seit Ende November 2019 die MVK Versicherung. Unsere Wurzeln und Werte der Gegenseitigkeit und Mitgliedschaft bleiben bestehen: Menschlich I Verlässlich I Kooperativ.

VWheute: Wie stehen Sie als kleines Unternehmen dem Thema Digitalisierung gegenüber, sie legen ja viel Wert auf Dunkelverarbeitung?

Christine Fricke: Digitalisierung ist ein fester Bestandteil unseres Alltags und hat die Gesellschaft und Wirtschaft in den letzten Jahren deutlich verändert. Sie führt aber auch zu neuen Herausforderungen für Unternehmen. Geschäftsmodelle, Strukturen und Vertriebskanäle stehen bei Vielen auf dem Prüfstand und das unabhängig von ihrer Größe.

Wir haben uns den Herausforderungen der Digitalisierung schon vor ein paar Jahren gestellt und wichtige Grundlagen gelegt. Dazu zählt beispielsweise die Modernisierung unserer Bestandsführung inklusive Dokumentenmanagement mit einem kompletten Systemaustausch sowie die Umstellung unsere Prozesse auf papierloses Arbeiten.

Heute führen wir bereits weit über 90 Prozent unserer Kommunikation digital und konnten in der Corona-Hochphase standortunabhängig unsere Kunden ohne Einschränkung betreuen. Im Antragsbereich erreichen wir einen sehr hohen Grad an Dunkelverarbeitung. Diese bauen wir auch auf andere Bereiche aus und können dabei Dank unserer schlanken Organisation agil wie ein Start-Up agieren.

Für uns ist Digitalisierung schon längst angekommen und ein großes Glück. Sie bringt uns näher zu unseren Kunden und Vertriebspartner und erlaubt uns ein gesundes Wachstum.

VWheute: Herr Schellmann Sie sagten mal: „Gewinnen wird der im Wettbewerb, der am günstigsten die Verträge verarbeiten kann“. Sind sie das und gehört nicht doch ein wenig mehr dazu.

Jürgen Schellmann: Der Wettbewerb hat, dazu geführt, dass der Leistungsumfang von Versicherungsprodukten deutlich erweitert wurde und Beiträge gesunken sind. Letztendlich bewegen wir uns in einem Verdrängungswettbewerb, der durch die Situation an den Kapitalmärkten nicht leichter geworden ist. Kapitalanlageerträge können immer weniger zum Ergebnis beisteuern. Daran wird sich wohl in den nächsten Jahren wenig ändern. Das Spannungsfeld lautet also Beitrag – Schaden – Kosten – Kundenerlebnis.

Wenn Beiträge sinken und der Schadenaufwand aufgrund umfangreicherer Leistungen steigt, dann steigt letztendlich die Schadenquote. Durch ein gutes Schadenmanagement kann man gegensteuern, auch wenn die Hebel nicht in allen Sparten gleich hoch sind. Hier profitieren wir von unserem aktiven Schadenmanagement und unserer langjährigen Erfahrung.

Ein weiterer Hebel liegt im Bereich der Kosten in Kombination mit dem Kundenerlebnis. Schließlich sind Personalkosten neben dem Schadenaufwand der größte Kostenblock bei einem Versicherer. Die Digitalisierung gepaart mit Prozessoptimierungen bietet viele Möglichkeiten gerade im Bereich der Kommunikation mit dem Kunden und Vertriebspartner. Der Service muss darunter nicht leiden.

Ob es uns gelingt? Wir arbeiten daran.

VWheute: Sie arbeiten mit dem in der Branche nicht unumstrittenen Bund der Versicherten zusammen und bieten Gruppenverträge an. Wie kam es dazu, wie funktioniert das in der Praxis und wer ist ihr Partner? Planen Sie das Modell auch anderen Partnern anzubieten?

Christine Fricke: Wenn ein Verbraucherschutzverein wie der Bund der Versicherten e. V. (BdV) eine Zusammenarbeit mit einem Versicherer sucht, verfolgt er damit naturgemäß auch verbraucherpolitische Ziele. Hohe Verbraucherfreundlichkeit war dabei jeher ein sehr wichtiges Kriterium für den BdV.

Wir als verbraucherorientierter Versicherer, ohne die Sparten Leben- und Krankenversicherung, haben eine große gemeinsame Schnittmenge mit dem BdV bei unseren Werten und dem Verständnis von Versicherung.
Gemeinsam haben wir in den letzten 30 Jahren einiges geschaffen so z. B.

  • eine neutrale Ombudsmann-/Schlichtungsstelle für abgeschlossene Schaden-fälle
  • Leistungs-Update-Garantie
  • den Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit im Rahmen der Sachversicherung
  • keine automatische Sanktion bei Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften
  • Verkürzung von Kündigungsfristen von 3 Monaten auf 1 Monat
  • u.v.m.

Auf die gemeinsame Zusammenarbeit sind wir sehr stolz. Die Prozesse sind ein-gespielt und von einer hohen gemeinsamen Wertschätzung geprägt. Der BdV ist allerdings nicht unser alleiniger Partner. Selbstverständlich arbeiten wir seit vielen Jahren mit Maklern, Pools und Vergleichsanbietern ebenfalls koope-rativ und erfolgreich zusammen.

VWheute: Sie wollen sich mehr den Privatkunden öffnen, wie wollen Sie vorgehen, was sind ihre Ziele?

Christine Fricke: Die Druck- und Medienindustrie ist die DNA der MVK Versicherung. Schließlich wurden wir vor über 120 Jahren von Druckern für Drucker gegründet. Allerdings können wir unsere Augen vor dem Strukturwandel in der Branche nicht verschließen.

Damit wir weiter auf den Standbeinen Firmenkunden- und Privatkundengeschäft stehen können, stellen wir uns im gewerblichen Sektor behutsam breiter auf. Im Privatkundengeschäft erweitern wir unser Produktangebot und stärken insbesondere die digitalen Vertriebskanäle.

Unsere Produkte in der privaten Haftpflichtversicherung haben wir gerade komplett überarbeitet und deutlich verbessert. In den nächsten Wochen bringen wir unsere neue Fahrradkaskodeckung auf den Markt. Derzeit erfolgt ein Leistungs-Update in der Hausratversicherung.

Neben der Weiterentwicklung unseres Produktangebotes liegt der Fokus auf die konsequente Ausrichtung auf unsere Kunden und Vertriebspartner. Hierbei haben unsere Digitalisierungsprojekte einen großen Anteil. Gemäß dem Grundsatz „das eine tun, ohne das andere zu lassen“ bieten wir neben unseren digitalen Services weiterhin den persönlichen Kontakt.

VWheute: Haben Sie sich konkrete Wachstumsziele gesetzt, wie sehen diese aus?

Jürgen Schellmann: Wir wollen organisch wachsen und unseren eingeschlagenen Weg kontinuierlich weiter gehen. Die Grundlagen sind gelegt. Mit unserer sehr soliden Kapitalbasis und hoch motivierten Mitarbeitern sind wir sicher, dass wir dies schaffen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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