„Durch die aktuelle Situation müssen sich alle Berater mit dem Online-Vertrieb beschäftigen“

Andreas Haberger. Quelle: VVO Haberger AG

Die VVO Haberger feiert in diesem Jahr ihr 35. Jubiläum. VWheute hat nachgefragt und exklusiv mit Andreas Haberger, Vorstandsvorsitzender der VVO Haberger AG, eine Bilanz gezogen und einen Ausblick auf die nächsten 35 Jahre gewagt.

VWheute: Ist die derzeitige Corona-Krise die schwerste ihrer Laufbahn?

Andreas Haberger: Das lässt sich jetzt noch nicht genau sagen, aber feststeht: Es wird für uns und die gesamte Wirtschaft eine enorme Herausforderung. In den vergangenen 35 Jahren haben wir immer wieder Krisen erlebt, und auch wenn sich mit Corona einiges verändert, bin ich sicher, dass es auch ein Leben nach oder mit Corona gibt. Daraus kann man hören, wir sind seit dem ersten Tag mit Optimismus an jede Aufgabe und auch Krise herangegangen, das liegt in unserer Natur. Unser Motto lautet dabei: Es gibt keine aussichtslose Situation. Außerdem bin ich überzeugt wer solch eine Einstellung hat und bereit ist zu lernen und sich zu verändern wird gestärkt aus einer Krise hervorgehen.

VWheute: Wie hat sich der Vertrieb in den letzten 35 Jahren verändert und wohin wird es gehen?

Andreas Haberger: Natürlich kann man unseren heutigen Finanz- und Versicherungsvertrieb nicht mehr mit dem vor 35 Jahren vergleichen. Es gibt mittlerweile ganz anders strukturierte Produkte – sowohl im Anlage- als auch im Vorsorgebereich –, die auch eine ganz andere, umfangreichere und zum Teil Lebensphasen umfassende Beratungsleistung erfordern. Außerdem war früher bei der Beratung beim Kunden im Wohnzimmer oder in der Küche in erster Linie Papier gefragt.

Mit der Zeit hat sich das immer mehr in Richtung elektronischer Archivierung und Verarbeitung verlagert. Und damit kamen auch neue Beratungstools hinzu – früher verstärkt am Computer, heute immer mehr direkt mit der Online-Vernetzung zum Kunden. Und der Trend geht weiter Richtung kombinierter Online- und Offline-Beratung. So läuft bei uns seit Mitte 2019 ein Entwicklungsprojekt, das sich mit verschiedenen Geschäftsmodellen für die Zukunft beschäftigt. Dabei befassen wir uns mit unterschiedlichen Beratungsszenarien, wie die Zusammenarbeit mit Mandanten in Zukunft aussehen kann.

Hierbei geht es in erster Linie um eine sinnvolle Mischung aus Offline- und Online-Beratung. In verschiedenen Situationen arbeiten wir mit einigen Mandaten bereits seit ein paar Jahren auf diese Weise. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir den Mix aus On- und Offline-Beratung für die Zukunft strategisch weiter ausbauen werden, weil sich manche, eher erklärungsärmere Produkte wie etwa einfache Versicherungsprodukte gut für eine reine Online-Beratung eignen.

Bei anderen komplexeren Produkten, beispielsweise bei Immobilien, bei der eine Besichtigung des Objekts sinnvoll ist, bedarf es weiterhin eine kompetente und vor allem persönliche Beratung, um Qualitätsverluste zu vermeiden. Obwohl das gesamte Entscheidungs- und Kaufverhalten der Kunden immer stärker online orientiert ist, bedarf es alternativer Beratungsansätze mit Unterstützung digitaler Technik. Damit beschäftigen wir uns auch künftig sehr genau.

VWheute: Ist die derzeitige Lage der Durchbruch des Onlinevertriebs?

Andreas Haberger: Mit Sicherheit. Durch die aktuelle Situation müssen sich alle Berater mit dem Online-Vertrieb beschäftigen. Wir werden durch die hohe Anzahl an Online-Beratungen neue Erfahrungen machen und viele Erkenntnisse sammeln. Das ist für uns von Vorteil, da wir das Online-Arbeiten ohnehin als einen wichtigen Bestandteil der Kommunikation mit unseren Mandanten ausbauen wollen. Dabei spielt es auch für uns eine Rolle, wie sich verschieden Online-Vertriebstools ergänzen.

Dabei denke ich etwa auch an unsere Mandanten-App, die ebenfalls im Sinne von qualitativer Einfachheit und Schnelligkeit die Mandanten mit Informationen und Produkten versorgen kann.

VWheute: Wie bewerten Sie die Regulierung im Bereich Versicherung?

Andreas Haberger: Der Mandant steht im Mittelpunkt, und damit sind Regulierungen, um die Menschen im Sinne des Verbraucherschutzes zu stärken, sinnvoll und wichtig. Dabei sollte man allerdings darauf achten, dass man die Dinge nicht „zerdenkt“ und zu kompliziert macht. Wir erleben es täglich, dass die Mandanten mit Informationen überschüttet werden, die kaum ein Profi vollumfänglich versteht. Verträge und Bedingungen sind von Juristen gemacht, die dann Otto-Normalverbraucher verstehen soll.

Da sagen uns die meisten Mandanten, dass der Unterhaltungswert eher begrenzt ist und legen die Unterlagen zur Seite.  Es dauert mittlerweile je nach Beratung bis zu einer halben Stunde, um alle erforderlichen Unterschriften einzuholen. Ob das wirklich alles so Sinn macht, ist eine andere Frage. In unserem Land besteht der Drang, dass alles über Vorschriften geregelt werden muss, und zu der einen Vorschrift gibt es dann wieder andere Vorschriften. Natürlich muss es klare regulatorische Rahmenbedingen geben, damit die Menschen nicht übervorteilen werden. Andrerseits braucht das Leben auch Flexibilität.

VWheute: Wie schlägt sich die gute alte Lebensversicherung derzeit auf den Markt und welches Altersvorsorgeprodukt verkaufen sie am besten?

Andreas Haberger: Die klassische Lebensversicherung, welche die Kundengelder ausschließlich in ihren Deckungsstock investiert, hat bei uns noch nie eine zentrale Rolle gespielt, nicht einmal vor 2005, als die Erträge aus der LV noch komplett steuerfrei waren. Wir haben schon sehr früh auf fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen gesetzt, da wir hier bei ausgewählten Gesellschaften durch vorhandene Garantien eine hohe Kundensicherheit erreichen, bei gleichzeitig wesentlich höherer Renditechance. 

Hinzu kommt ein – durch die Fondsinvestments bedingter – sehr positiver Effekt bei gleichbleibenden monatlichen Sparbeiträgen: der Cost-Average-Effekt. Dieser wirkt sich eben auch in den aktuellen Börsenphasen, in denen es nicht so läuft, positiv auf die Rendite aus. Gemäß dem Drei-Schichten-Modell für die Altersvorsorge in Deutschland bieten wir aktuell von Rürup, BAV über Riester, private Altersvorsorge durch direktes Produktivkapitalsparen, also eine direkte Investmentanlage ohne Versicherung, bis hin zur vermieteten Immobilie als Kapitalanlage nahezu alle Assets an, welche am Markt verfügbar sind. Der Kunde hat so eine optimale Anlagestrategie unter Berücksichtigung staatlicher Fördermittel, steuerlicher Komponenten, Flexibilität und Renditechancen der Aktienmärkte. 

VWheute: Werden die momentanen Vertriebsausfälle im Jahresverlauf wieder aufgeholt werden oder erwarten sie einen Rückgang?

Andreas Haberger: Wie hoch die Ausfälle sind, können wir noch nicht sagen, da unsere Consulting-Prozesse auf Hochtouren weiterlaufen. So wie jedes Unternehmen auf die derzeitige Situation reagieren muss, gilt das natürlich gleichermaßen auch für private Haushalte, die wir ebenso wie ein kleines Unternehmen betrachten. Also ist es auch hier wichtig, schnell zu reagieren und geeignet Maßnahmen zu ergreifen – angefangen von Einsparungen über ein Neuausrichtung der Investments bis hin zu Investments mit günstigeren Kursen.

Der Handlungsbedarf ist immens. Sollten wir jetzt tatsächlich größerer Einbußen haben, glaube ich nicht, dass diese bis zum Jahresende aufgeholt werden können. Ich bin aber sicher, dass wir nach Normalisierung des öffentlichen Lebens sehr schnell wieder auf dem Niveau vor der Krise sind – aber das Minus wird bleiben. Allerdings können wir auch damit leben. 

VWheute: Was planen Sie für die nächsten 35 Jahre?

Andreas Haberger: Das Motto heißt Generationenwechsel. Einer der Söhne meines Vorstandskollegen Florian Haberger wird ab Mitte 2020 in die Firma eintreten und uns im Headquarter unterstützen. Nach seiner Einarbeitung wird er hier verantwortlich Teile führen und auch eine Rolle in anderen Firmen der Unternehmensgruppe spielen. Vertrieblich gesehen setzen wir ebenfalls auf den Nachwuchs aus dem eigenen Haus.

Das Durchschnittsalter unserer Vertriebspartner liegt bei 35 Jahren – also sehr zukunftsfähig. Dennoch läuft unser Recruiting-Prozess ausgezeichnet, und das Ziel für die nächsten fünf Jahre ist eine Verdreifachung des Umsatzes. Auf längere Sicht wird mit Sicherheit das ein oder andere Unternehmen in der Unternehmensgruppe hinzukommen, weil wir neben den traditionellen Unternehmensbereichen auch immer wieder neue Ideen haben.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.