Die große Makler-Übernahmewelle: Was Verkäufer beachten müssen

Quelle: Kanenori / Pixabay

Wie zementiert erschienen in den vergangenen Jahren die Marktanteile bei den deutschen Versicherungsmaklern. Das ändert sich momentan rasant, da vor allem internationales Beteiligungskapital auf die attraktive Branche setzt. Die Kaufpreise für mittelständische Maklerhäuser erreichen das Zehnfache des Ebitda. Soll man nun verkaufen? Eine Analyse des Branchenexperten Marcel Armon.

Im deutschen Maklermarkt haben sich zu Jahresanfang die Meldungen überschlagen: Tobias Warweg, bis dato eher aus dem Lager der Versicherer bekannt, gab die Übernahme der Mehrheitsanteile von mindestens vier Industrie-Versicherungsmaklern bekannt. Der größte ist GGW aus Hamburg, das nach eigenen Unternehmensangaben älteste Maklerunternehmen Kontinentaleuropas mit derzeit über 700 Mitarbeitern. Auch zwei der größten eigenständigen Maklerunternehmen Baden-Württembergs gehören jetzt zum Warweg-Universum: Dr. Ellwanger & Kramm in Stuttgart mit 120 Mitarbeitern und die Maiergroup aus Tuttlingen mit 75 Mitarbeitern. Zeitgleich hat sich MRH Trowe, eines der Top 10-Maklerhäuser Deutschlands, frisches Geld beschafft und will weiter auf Einkaufstour gehen. Inzwischen hat es Fivers aus Karlsruhe und Teile der Wiass-Gruppe aus Amberg übernommen.

Zu guter Letzt hat MLP nach seinem gescheiterten Versuch, im industriellen Maklergeschäft Fuß zu fassen, erneut Anlauf genommen und den Deal mit dem Reutlinger Versicherungsmakler RVM, der 200 Mitarbeiter beschäftigt, perfekt gemacht. Gerüchte über Fusionen oder Übernahmen betreffen weitere Maklerhäuser der Top 25. Ecclesia und Warweg werden hier als potenzielle Käufer gehandelt. Die bis dato in ihren Marktanteilen wie zementiert erscheinende Maklerbranche ist binnen weniger Wochen in Bewegung gekommen. Da drängt sich die Frage nach dem Warum auf.

Vier Entwicklungen treiben die Übernahmen vor

1. Am offensichtlichsten ist die fehlende Unternehmensnachfolge: Die meisten Kinder zeigen kein Interesse, was am mäßigen Ruf der Branche liegen könnte. Der Job als Versicherungsmakler findet sich im unteren Drittel der Attraktivitätsskala. Und selbst wenn sich die Juniorin oder der Junior einen Einstieg grundsätzlich vorstellen könnte, stehen oft Emotionen im Weg, wenn die Senioren nicht loslassen.

2. Unternehmen werden internationaler, selbst kleinere Mittelständler haben Tochterunternehmen im – oft nichteuropäischen – Ausland. Will der Berater weiterhin zum Unternehmen passen, braucht er ebenfalls eine internationale Aufstellung. Zugang zu internationaler Expertise und Auslandsmärkten ist nicht selten ein Motiv, sich größeren Partnern anzuschließen. International agierende Unternehmen ziehen zudem Mitarbeiter und Talente besser an als ein rein nationaler oder regionaler Mittelständler. Das gilt insbesondere für die Assekuranz mit ihrem begrenzten Talentpool.

3. Die Regulatorik- und Compliance-Anforderungen an Makler steigen. Dazu gehören sowohl dokumentierte Prozesse als auch fundierte Ausbildung ihrer Arbeitskräfte. Aber entscheidender ist, dass vielen Maklern große Investitionen in die Digitalisierung ihres Unternehmens bevorstehen. Zusammen mit anderen lassen sich diesen Herausforderungen auf der Kostenseite besser begegnen.

4. Institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Private Equity-Firmen mögen keine Überraschungen, sondern planbare Zahlen. Genau dies bieten die Versicherungsmakler, denn Versicherungsverträge verlängern sich automatisch von Jahr zu Jahr und sorgen für planbare Einnahmen aus Courtagen und Honoraren. Bei vielen Maklern liegt die Erneuerungsquote im Vertragsbestand, die sogenannte Retention-Rate, bei über 90 Prozent. Auch auf der Kostenseite ist Planbarkeit gegeben. Personalkosten sind als größte Einzelposition mittelfristig variabel und können sich dem veränderten Kunden- und Einnahmenstamm anpassen. Aufwendungen für Maschinenparks oder sonstige Assets wie Patente fehlen. Anders als Versicherer tragen Makler auch nicht das versicherungstechnische Risiko. In Summe ist der Maklersektor wenig volatil und liefert Investoren eine stabile Nettogewinnmarge.

Diese vier Gründe führen dazu, dass Investoren bereit sind, gut zu zahlen. Galt lange Zeit im internationalen Vergleich ein Kaufpreis in Höhe des sieben- bis achtfachen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) als angemessen, erreichen die Kaufpreise für mittelständische Maklerhäuser bis zum Zehnfachen des Ebitda. Für hochtechnologische und spezialisierte Versicherungsmakler sind Investoren sogar bereit, noch mehr zu zahlen. Aus Verkäufersicht könnte der Zeitpunkt kaum besser gewählt sein.

Das sollten Verkäufer unbedingt berücksichtigen

Über drei Punkte sollten sich Unternehmer vor den ersten Verkaufsschritten Gedanken machen – allem voran die Grundsatzfrage nach Exit oder Partnerschaft. Standardmäßig denken die Abgebenden zunächst nur daran, ihr Unternehmen vollständig zu verkaufen. Statt solch abrupter Eigentümerwechsel präferieren Investoren inzwischen die Partnerschaft auf Zeit. Dabei verkauft der Unternehmer mindestens 51 Prozent seiner Anteile, den Rest behält er noch für weitere drei bis fünf Jahre. In dieser Zeit arbeitet er weiterhin aktiv an der Entwicklung des Unternehmens. Sein Ziel ist es, den Unternehmenswert zu steigern und beim Verkauf der Restanteile einen höheren Verkaufserlös zu erzielen. Dieser stufenweise Verkauf ist insbesondere dann interessant, wenn sich durch den Verkauf der Zugang zu neuen Märkten und Produkten bietet und deshalb die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Umsätze künftig steigen. Oder, wenn durch Skaleneffekte größere Kostenersparnisse im operativen Bereich zu erwarten sind.

Bleibt der Altunternehmer noch an Bord, hat dies auch für Investoren Vorteile, die diese durchaus auch mit höheren Ankaufskonditionen honorieren. Diese Konstellation stellt sicher, dass an dem Unternehmer persönlich hängende Kundenverbindungen gehalten werden. Auch die Mitarbeiterfluktuation ist in diesem Fall geringer. Menschen arbeiten für Menschen und sehen es positiv, wenn bestehende Beziehungen zum (Alt-)Unternehmer nicht plötzlich abbrechen.

Als zweiter grundsätzlicher Aspekt steht die Entscheidung zwischen Föderalsystem und Zentralismus an. Gerade wenn Alt-Unternehmer weiter in der Firma bleiben wollen oder ihnen das Wohl ihrer Führungsmannschaft besonders am Herzen liegt, gilt zu prüfen, welche Freiheiten der Käufer dem übernommenen Unternehmen bietet. Meist will der Käufer das übernommene Unternehmen vollständig integrieren und Effizienzvorteile durch eine gemeinsame Wertschöpfung über alle definierten Kundengruppen und Versicherungssparten heben. Diese Integration kann bis zu einer stark zentralen Unternehmensführung durch den Käufer gehen, bei der überspitzt formuliert der Übernommene ein Telefonbuch voller Compliance-Regeln und genau vorgegeben bekommt, wo er zukünftig seine Büroklammern bestellen darf.

Alternativ käme ein Föderalsystem infrage, bei dem der Käufer nur die negative Kontrolle ausübt. Er greift nur dann ein, wenn die Zahlen nicht stimmen, nimmt ansonsten aber keinen Einfluss auf die Geschicke der Unternehmensführung. Statt sich Integrationsanstrengungen zu widmen, kann sich der Unternehmer weiterhin auf das konzentrieren, was er am besten kann: Sich um die Kunden kümmern und die Umsätze steigern.

Natürlich gibt es Unternehmer, die nur auf den Verkaufspreis schauen und denen es relativ unwichtig ist, in welche Hände sie ihr Unternehmen geben. Dem Großteil der Unternehmer liegt das Schicksal ihres Lebenswerkes aber sehr am Herzen. Sie sollten darauf achten, einen Partner mit ähnlicher Unternehmenskultur und -philosophie zu finden. Denn die Praxis hat gezeigt: Strategien der Käufer können sich ändern und den Marktgegebenheiten anpassen, Kultur und Wertesystem jedoch bleiben als Fundament und sind verlässliche Größen.

Autor: Marcel Armon, künftiger Aon-Manager

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der aktuellen März-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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