Muth: „Beitragsanpassungsschreiben der DKV erfüllen aus unserer Sicht die gesetzlichen Anforderungen“

Clemens Muth, Chief Underwriter Ergo Group AG & Vorstandsvorsitzender der DKV, Deutsche Krankenversicherung. Quelle: Ergo

Niedrige Zinsen, Corona, die steigende Lebenserwartung und wachsende Krankheitskosten: Die PKV hat schon bessere Zeiten erlebt. Für DKV-Vorstandschef Clemens Muth ist das „Konzept der Bürgerversicherung“ dennoch „entzaubert“.

VWheute: Stichwort PKV: Glaubt man dem jüngsten Map-Report, leidet die PKV derzeit vor allem am Abrieb in der Vollversicherung. Wie bewerten Sie diese Aussage und wie schätzen Sie die aktuelle Lage in der PKV ein, vor allem in der Vollversicherung?

Clemens Muth: Die Dualität aus GKV und privater Krankheitskostenvollversicherung ist der Garant der guten medizinischen Versorgung in Deutschland. Allerdings hat insbesondere die deutliche Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in den letzten Jahren den Zugang zur PKV deutlich reduziert. Hinzu kommt die demografische Entwicklung – mehr Vollversicherte versterben als Kinder nachversichert werden. Eine stabile Position bietet dagegen der Beamtenmarkt.

Die Gesamtversichertenzahlen in der PKV steigen durch die weiter wachsende Ergänzungsversicherung. Gegenüber dem Vorjahr konnten auch wir mit insgesamt jetzt 5,23 Mio. versicherten Personen in DKV und Ergo Krankenversicherung einen leichten Anstieg in der Ergänzungsversicherung verbuchen.  Damit sind wir in der Ergänzungsversicherung mit großem Abstand weiterhin Marktführer.

VWheute: Die PKV steht auch politisch von verschiedenen Seiten unter Beschuss: Stichwort Bürgerversicherung oder Öffnung der GKV für Beamte? Wie bewerten Sie diese politischen Manöver, insbesondere die jüngste Debatte um die Beamtenversicherung?

Clemens Muth: Das Konzept der Bürgerversicherung ist entzaubert. Die Dualität der beiden Systeme ist Grundlage dafür, eine qualitativ hochwertige Versorgung in Deutschland sicherzustellen. Das Miteinander von PKV und GKV nutzt allen und stellt die Gesundheitsversorgung sicher, wenn es wirklich darauf ankommt. Das hat sich noch nie deutlicher gezeigt als in diesen Zeiten. Die hohe ambulante und stationäre Versorgungskapazität ist gut für Deutschland. Was das pauschale Beihilfe-Modell angeht, so wird dieses gern unter dem Schlagwort „Wahlfreiheit“ verkauft.

Die unwiderrufliche Entscheidung für einen Zuschuss zur Krankenversicherung anstatt der individuellen Beihilfe bedeutet aber weniger Wahlfreiheit. Der Preis dafür ist weniger statt mehr Kapitaldeckung und damit weniger Generationengerechtigkeit, eine höhere Belastung der Landeshaushalte und finanzielle Risiken für die GKV. Für Beamte ist und bleibt die Kombination aus individueller Beihilfe und einem Beihilfetarif für die Restkosten bei einer privaten Krankenversicherung erste Wahl.

VWheute: Die Beitragsgestaltung der privaten Krankenversicherer hat in jüngerer Vergangenheit immer wieder für Diskussionen und juristische Auseinandersetzungen gesorgt. Erst im Februar 2020 hatte das OLG Köln Beitragsanpassungen eines Mitbewerbers gekippt. Wie bewerten Sie diese Debatte? Gerade solche Urteile mit ihrem medialen Widerhall bestärken doch eigentlich die Kritiker der PKV, wonach die Versicherer ihre Prämienerhöhungen ausreichend zu begründen haben. Was entgegnen Sie dieser Aussage?

Clemens Muth: Die Beitragsanpassungsschreiben der DKV erfüllen aus unserer Sicht die gesetzlichen Anforderungen. Einzelne Instanzgerichte haben zu den Anforderungen an eine Begründung der Beitragsanpassung Urteile gefasst, gegen die wir Berufung bzw. Revision eingelegt haben. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Rechtsauffassung bestätigt wird.

VWheute: Die Corona-Pandemie wirkt sich natürlich auch auf die PKV aus: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen bei der Ergo und wie würde eine erste Bilanz ausfallen?

Clemens Muth: Für eine Gesamtbewertung ist es noch zu früh. Aber zu den Krisengewinnern zählt die Branche nicht. Auf der Kapitalanlageseite haben die Verwerfungen im Frühjahr Spuren hinterlassen, die wir auch im Jahresergebnis der DKV sehen werden. Die Leistungsausgaben der PKV sind im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr um rund fünf Prozent gestiegen. Wir beobachten steigende Fallzahlen in der Krankentagegeldversicherung.

Ebenso beteiligt sich die PKV an den Corona-Zusatzkosten wie z.B. den Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser, den erhöhten Pflegeentgeltwerten oder dem erhöhten Hygieneaufwand.  Generell muss unterschieden werden zwischen kurz- und langfristigen Auswirkungen. Aufgeschobene Behandlungen oder Vorsorgeuntersuchungen sind zudem nicht zwingend aufgehoben und diese können im weiteren Verlauf höhere Kosten verursachen. Ich lege unseren Kunden ans Herz, geplante Untersuchungen wegen Corona nicht aufzuschieben, das Gleiche gilt für Vorsorgeuntersuchungen oder auch Prophylaxe-Behandlungen wie etwa die professionelle Zahnreinigung.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

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