Vertrauenssache Versicherung: Warum die Branche mehr für ihr Image tun muss als andere

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In der Not zeigt sich, auf wen man sich verlassen kann. Kundenvertrauen wird entweder gefestigt oder es geht verloren. Für die Branche bietet sich gerade mit der Coronapandemie die riesige Chance, sich als Helfer in der Not zu beweisen. Nicht alle ergreifen sie. Ein Gastbeitrag von Kathrin Döbele.

Viele Versicherer haben die Krise genutzt, um digitaler und serviceorientierter zu werden, in kurzer Zeit und mit großer Flexibilität. Das öffentliche Gerangel um Betriebsschließungs-Policen hat jedoch einen Schatten auf die Branche geworfen. Selbst wenn manche Anbieter sich auf rechtlichem Wege durchgesetzt haben – in der Öffentlichkeit haben sie ein verbreitetes negatives Stereotyp bedient und Vertrauen verloren. Umfragen wie vom Software-Hersteller Guidewire belegen, dass viele Kunden der Ansicht sind, Versicherer hätten in der Krise nicht genug für die Betroffenen getan. Zutreffend oder nicht – für eine Branche, die vom Vertrauen der Kunden lebt, ist dieses Image schlicht geschäftsschädigend.

Die gute Nachricht lautet: Es gibt genügend Ansatzpunkte, um Kundenvertrauen zurückzugewinnen, gerade im Zuge der Digitalisierung und gerade jetzt. Dafür müssen Versicherer sich aber konsequenter als bisher an den Bedürfnissen ihrer Kunden ausrichten, die Digitalisierung aktiv vorantreiben und ein neues Selbstverständnis entwickeln: vom reinen Risikoabsicherer hin zum versierten Kümmerer in vielen Lebenslagen. Die Voraussetzungen sind günstig: Die Pandemie hat die Menschen in besonderem Maße für Risiken sensibilisiert. Themen wie Sicherheit und Gesundheit haben einen nie da gewesenen Stellenwert in der Bevölkerung. Wenn Anbieter hier nutzbringende Angebote und Service-Erlebnisse entwickeln, können sie sich als echte Partner in vielen Lebenslagen beweisen – vor allem im Schadenfall.

Eine Versicherung ist psychologisch betrachtet ein Versprechen: Kunden geben Anbietern einen Vertrauensvorschuss, da sie weder vor dem Kauf noch unmittelbar danach die Qualität der Leistung beurteilen können. Erst im Schadenfall, dem Moment der Wahrheit, erfahren sie, ob ihr Versicherer seine Zusage auch einhält, das Vertrauen in ihn gerechtfertigt ist. Selbstverständlich werden Versicherer daran gemessen, wie zeitnah, effektiv und pragmatisch sie im Ernstfall tatsächlich zur Seite stehen. Ein positives Erlebnis stärkt das Vertrauen, die Loyalität und die Markentreue.

Negative Erfahrungen erhöhen nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Anbieterwechsels, sondern auch von kritischem Feedback z.B. in sozialen Netzwerken. Dabei steigen die Anforderungen kontinuierlich. Denn in puncto Service konkurrieren Versicherer nicht mehr nur mit direkten Mitbewerbern, sondern mit digitalen Service-Anbietern, die auch für die Versicherungsbranche Maßstäbe setzen.

Wer zum Beispiel beim Autofahren an Wartungsinformationen oder Stauprognosen in Echtzeit gewöhnt ist, wird kein Verständnis dafür haben, wenn die Bearbeitung eines Kfz-Schadens mehrere Tage in Anspruch nimmt. Geschwindigkeit und Transparenz sind aus Kundensicht entscheidend. Wollen Anbieter weiterhin relevant bleiben, müssen sie den Prozess von der Schadenmeldung bis zur Regulierung fundamental einfacher, nachvollziehbarer und schneller gestalten. Nur unkomplizierte und intuitive Prozesse über alle Kontaktpunkte hinweg machen aus dem Schadenfall ein positives Service-Erlebnis. Und erst dann sehen Kunden das Versprechen des Anbieters als erfüllt an. Es wird jedoch nicht genügen, sich auf wenige punktuelle Kontaktpunkte wie den Schadenfall zu fokussieren. Vertrauen muss wachsen, und das setzt regelmäßige positive Interaktionen voraus.

Kulanz, Transparenz und Fairness beweisen

Versicherer müssen grundsätzlich mehr als andere für ihr Image tun, nicht erst seit Corona. Ein Geschäftsmodell, das vom Vertrauen der Kunden lebt, wird immer unter kritischer Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. Medienwirksame Gerichtsverfahren und ein Beharren auf Verträgen und Bedingungen helfen aber nicht, sich als verlässlicher und lösungsorientierter Partner zu beweisen. Im Gegenteil: Vertrauen wird gerade dann aufgebaut, wenn jemand auf einen kurzfristigen Vorteil verzichtet und sich zugunsten der langfristigen Bindung zurücknimmt. Wollen die Anbieter ihre Reputation dauerhaft verbessern, müssen sie ihre Prioritäten danach ausrichten. Die Chancen stehen nicht schlecht für Versicherer.

Studien zeigen, dass Kunden im Zuge von Corona sicherheitsbewusster und offener für neue Versicherungsangebote geworden sind. Allerdings auch kritischer, wenn es um die Anbieter selber geht. Kulanz, Transparenz und Fairness sind für Verbraucher als Argumente heute wichtiger denn je. Einzelne Maßnahmen greifen jedoch zu kurz. Nur wer sich kontinuierlich an der Seite des Kunden bewährt, wird als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen.

Ob der Wechsel in die Rolle des Kümmerers gelingt, hängt zunehmend von der intelligenten Nutzung von Daten und dem Einsatz neuer Technologien ab. Für Versicherer bedeutet das, dass sie sich von tradierten Prozessen verabschieden, Kontrolle abgeben und ihrerseits vertrauen müssen: in neue Kooperationspartner, agilere Arbeitsmethoden und neue Technologien.

Autorin: Kathrin Döbele, Geschäftsführerin Insurcomms Kommunikationsberatung für Versicherungen und Finanzen

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Mai-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

2 Kommentare

  • Vertrauen zurück gewinnen in einer Zeit in der Vertrauen nur noch eine unwichtige, nicht mehr zeitgemäße lästige Begleiterscheinung ist. Schreibt da Kathrin Döbele aus Gedanken einer längst vergangenen Zeit? Finanzdienstleistungen ist heute nur noch ein abstraktes theoretisches Geschäft geworden. Ich empfehle den Film: das Dilemma mit den sozialen Medien. Danach noch einmal den Text hier lesen. Dann Dich selbst vor den Spiegel stellen. Sich selbst kurz in Augenschein nehmen. Dann zügig zum Fenster gehen und sich selbst da draußen in dem gesamten Geschehen wiederfinden. Gespieltes oder eingebildetes Vertrauen. Ja das mag es sicher geben. Wenn das das Thema war, dann stelle ich natürlich meine Ansichten gerne in die zweite oder dritte Reihe. ??

  • Hubert Gierhartz

    Nehmen wir das Beispiel der Kfz-Versicherung. Der Versicherer muss hier seine Eintrittspflicht, auch im Interesse der Versicherungsgemeinschaft prüfen, ob die Ansprüche gerechtfertigt sind. Allein schon die Tatsache, dass der Verursacher sich ungerechtfertigter Weise vom Unfallort entfernt hat, oder aber Regulierung hinauszögert, weil er die Unwahrheit sagt, oder aber gar nicht der Aufforderung nach kommt, zu dem Schaden Stellung zu nehmen, verzögert die Regulierung erheblich. Das hat mit Vertrauen nichts zu tun, sondern das sind Bearbeitungsvorgänge die täglich anfallen. Der Geschädigte, was aus seiner Sicht heraus verständlich ist, sieht nur seinen Schaden, und erwartet eine zügige Regulierung

    Ein weiteres Beispiel: Jährlich 5 Milliarden EURO Versicherungsbetrug. Wer vertraut denn wen?

    Allerdings, und das ist meiner Ansicht nach, das größte Problem, dass die Versicherungswirtschaft kein Interesse daran hat, ihr Image zu verbessern. Warum?

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