„Die Absicherung gegen Dürre liegt im Promillebereich“

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Die Dürre in Deutschland und Europa wird derzeit zur Dauerbelastung für die Landwirte. Während sich die CSU erneut für die Einführung einer staatlich subventionierten Dürreversicherung in Deutschland einsetzt, sind entsprechende Lösungen in anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich am Markt. VWheute hat exklusiv mit Thomas Gehrke, Vorstandsmitglied der Vereinigten Hagel, über die aktuellen Entwicklungen in diesem Segment gesprochen.

VWheute: Ich beginne mit einem Zitat: „Versicherer müssen Landwirten jetzt bessere Angebote machen“, bezogen war es auf Dürreschäden, Absender: Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Wie sieht es aus, kommen die Angebote, starten Sie eine Dürreversicherung?

Thomas Gehrke: Eine Dürreversicherung bieten wir bereits seit einigen Jahren an. Die Nachfrage hiernach ist – wie bei den anderen Versicherungsgesellschaften auch – noch verhalten. Sind gegen Hagel je nach Kultur 70 Prozent der Flächen versichert, liegt die Absicherung gegen Dürre eher im Promillebereich.

VWheute: Die Indexversicherung gegen Dürre ist wenig individuell und eher kompliziert. Die Bauern schließen sie auch nicht gerne ab. Hat Frau Klöckner recht, braucht es neuen Schutz, der sich nach den Wünschen der Kunden ausrichtet, haben die Versicherer hier Lücken?

Thomas Gehrke: Im Gegensatz zu den Schäden durch Hagel, Sturm und Starkregen, die auf ein genau bestimmbares Ereignis an einem bestimmten Tag zurückzuführen sind, entstehen Dürreschäden allmählich über einen längeren Zeitraum. Um überhaupt den Versicherungsfall Dürre definieren zu können, sind deshalb andere Ansätze notwendig als einer rein schadenbasierten Hagelversicherung. Bei uns ist dies z. B. die verfügbare Feldkapazität, also die Bodenfeuchte.

Diese wird vom Deutschen Wetterdienst tagesaktuell ermittelt und veröffentlicht und ist ein wichtiger Index für das Wachstum der Pflanzen. Andere Versicherer definieren einfach einen bestimmten Niederschlagswert, der an einer zuvor festgelegten Wetterstation unterschritten werden muss.

Diese Station kann aber je nach Standort bis zu 100 km vom eigenen Feld entfernt liegen. Das macht die Versicherung dann eher zu einer Wette auf das Wetter denn zu einer Absicherung der eigenen konkreten Ernte. Das ist sicherlich ein Manko der Dürreversicherung und trägt mit dazu bei, dass die Bauern sie nicht gerne annehmen.

VWheute: Nehmen wir an, sie wollen eine Dürreversicherung starten, egal ob allein oder mit Partnern. Wie könnte das aussehen, Länder wie Bayern fordern bereits Finanzspritzen. Was würden Sie von politischer Seite benötigen?

Thomas Gehrke: Wichtig ist für den Landwirt doch, dass er den konkreten Schaden auf seinem eigenen Acker ersetzt bekommt – so wie er es seit 200 Jahren von der Hagelversicherung kennt. Im europäischen Ausland haben wir bereits erfolgreich entsprechende Dürreversicherungen seit Jahren etabliert. Diese praktischen Erfahrungen befähigen uns, entsprechende Lösungen auch in Deutschland im Sinne der Landwirtschaft weiterzuentwickeln.

Allerdings wird das in Deutschland nachhaltig nur funktionieren, wenn sich der Staat an der Risikovorsorge wie in fast allen EU-Ländern beteiligt. In diesen Ländern wird die Ernteversicherung inkl. Dürre durch nationale und/oder EU-Mittel gefördert, sodass sie von den Landwirten gut angenommen wird. Dafür leisten diese Länder im Schadenfall keine ad hoc-Zahlungen mehr. Ein ähnliches System der Unterstützung wäre für Deutschland sicher hilfreich, um den Landwirten auch hier ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument an die Hand zu geben.

VWheute: Der Sommer war sehr heiß, es kam auch zu starken Unwettern. Während die Bauern klagten, weinten die Winzer vor Glück. Wie ist die Stimmung bei der VH nach diesem Sommer?

Thomas Gehrke: Natürlich bleiben uns trotz der Diskussion über die Trockenheit und Hitze vor allem die schweren Wein-Frostschäden im Westen/Südwesten sowie in Luxemburg in Erinnerung. Das Glück war also nicht allen Winzern hold. Ansonsten sehen wir uns bestätigt darin, dass es so gut wie keine Regionen in Deutschland mehr gibt, die vor Unwettern „sicher“ sind. Die Schäden durch Sturm und Starkregen nehmen weiter zu. Auch das Risiko des Hagelschlags wird nicht geringer. Alles in allem war es bislang aber ein eher durchschnittliches Schadenjahr.

VWheute: Kommen wir weg von Hitze und Sonne. Wie entwickelten sich die anderen Gefahren wie Frost, Sturm, Hagel und Regen. Welchen Trend bemerken Sie in den letzten Jahren und was erwarten sie künftig?

Thomas Gehrke: Trotz Klimawandels und steigender Temperaturen steigt auch das Frostrisiko. Die Pflanze treiben früher aus und gehen früher in die Blüte – diese wird dann voll vom Frost erwischt. Denken Sie nur an den Frost im Weinbau dieses Jahr oder die Frostschäden im Obstbau 2017. Hagel bleibt nach wie vor das „konstanteste“ Risiko, das regelmäßig auftritt. Lokale Sturm- und Starkregenereignisse haben im Vergleich zu früheren Jahren zugenommen.  Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass diese Ereignisse zukünftig noch stärker zunehmen werden. Darauf können wir uns sicherlich einstellen.

VWheute: Ketzerisch gefragt, sind Sommer voller Katastrophen und Berichten nicht die beste Werbung für einen Versicherer wie die VH?

Thomas Gehrke: Natürlich ist das Werbung, damit rücken wir in das Licht der Öffentlichkeit – auch außerhalb der Landwirtschaft. Den größten Teil der Schäden machen aber nicht diese wenigen Extremereignisse aus, sondern die „ganz normalen“ Unwetter, die das Jahr über auftreten. In der Vegetationszeit gehen bei uns nahezu täglich Schadenmeldungen ein.

VWheute: Der Klimawandel ist nicht zu bestreiten, was bedeutet es für sie als Unternehmen, ist ihr Geschäftsmodell auf lange Sicht bedroht?

Thomas Gehrke: Dass der Klimawandel da ist, steht außer Frage. Die Landwirte müssen ihre Sortenwahl und ihre Technik hieran anpassen. Wir sind dafür da, um die finanziellen Auswirkungen in Extremsituationen abzufedern. Wichtig ist dabei ein entsprechender Risikoausgleich. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich trotz des Klimawandels Unter- und Überschadenjahre abwechseln. Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit können wir die Überschüsse aus Unterschadenjahren so zurücklegen, dass sie unseren Mitgliedern in schlimmen Schadenjahren wieder zugutekommen. Aktionäre oder andere Stakeholder partizipieren bei uns ja nicht an den Rücklagen.

Auch der Risikoausgleich über die Fläche ist wichtig. Wir sind vom Baltikum bis an die Südspitze Siziliens aktiv. Diese Ausdehnung ermöglicht uns, auch regional verheerende Schäden abzufedern. In einem Jahr trifft es den Norden, dann wieder den Süden. Unsere eigene Abteilung Forschung und Entwicklung befasst sich zudem intensiv mit der Schadensituation und entwickelt unsere Produkte stets marktgerecht weiter. Insofern machen wir uns keine Sorgen, dass unser Geschäftsmodell bedroht sein könnte. Vielmehr freuen wir uns schon auf den 200. Geburtstag der Leipziger Hagel, ein Vorgängerunternehmen der Vereinigten Hagel, im Jahr 2024.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.