GHV-Chef Coenen: „Die Branche sieht die Digitalisierung nur schwarz-weiß“

Hans-Gerd Coenen, Vorstandsvorsitzender der GHV Versicherung

Hans-Gerd Coenen bezeichnet sich selbst als Vollblutvertriebler und hat sogar ein Buch für die Vermittlerschaft geschrieben, weil er „oft erlebt habe, wie schwer es Vermittlern fällt, sich zu positionieren und selbstbewusst mit ihrem Auftrag umzugehen.“ Als Vorstandsvorsitzender der GHV Versicherung treibt ihn auch der Umbruch in der Landwirtschaft um. Selbst dort kommt keiner an der Digitalisierung vorbei. „Die Frage ist nicht, ob sie notwendig ist, sondern wie schnell sie umgesetzt wird“, erklärt Coenen im Interview mit VWheute.

VWheute: Die GHV Darmstadt heißt nun GHV – die Versicherungsmanufaktur für Mensch, Tier und Natur. Wozu die Namensänderung und passt der Begriff „Manufaktur“ zu einem Versicherer?

Hans-Gern Coenen: Der Claim bringt auf den Punkt, worum sich bei der GHV alles dreht: Um Mensch, Tier und Natur. Im gewerblichen Bereich sind das die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und der Gartenbau. Für die grünen Berufe, vom Pferdewirt bis zum Gärtner, entwickeln wir sehr individuelle Versicherungslösungen und gehen mit Produktinnovationen immer wieder neue Wege.

VWheute: Mit Ihrem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender der GHV vor zwei Jahren kündigten Sie große Digitalisierungspläne an. Was wurde davon erreicht und wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Hans-Gerd Coenen: Unser Ziel ist es, als volldigitaler Versicherer Standard- und Speziallösungen anzubieten. Das haben wir bereits mit unseren Versicherungslösungen für private Tierhalter umgesetzt, Standardprodukte, die den Nerv der Zeit treffen. Schnell und einfach schließen Kunden oder Vermittler in Echtzeit, also fallabschließend, den Versicherungsvertrag ab. Unser cloudbasiertes System GHV-Online ist nicht nur eine AbschlussStrecke. Auch keine Insellösung, die an unser bestehendes IT-System andockt, sondern eine vollumfängliche IT-Lösung für alle Nutzergruppen.

VWheute: Ist die Digitalisierung in der Form bei der GHV überhaupt notwendig? Schließlich haben Sie eine spezielle Klientel und keine junge Zielgruppe, die ihre Finanzen über das Smartphone regeln will.

Hans-Gerd Coenen: Die Frage der Digitalisierung ist nicht, ob sie notwendig ist, sondern wie schnell sie umgesetzt wird. An ihr kommt keiner vorbei. Besonders die Gruppe der Hunde-, Pferd- und Katzenhalter ist digital unterwegs und nutzt Social Media sehr aktiv: Tierbilder werden stolz geteilt, Probleme mit Krankheiten ausgetauscht oder einfach nur süße Katzenfotos geliked. Ein Drittel der über 34 Millionen deutschen Heimtierhalter sind unter 40. Das birgt ein ziemlich großes Potential. Auch aus dem Alltag der Landwirte sind digitale Prozesse nicht mehr wegzudenken. Auf Knopfdruck lässt sich im Kuhstall die Milchproduktion ablesen. Futtermittel und Belüftung im Stall werden digital gesteuert, die Düngemittelgabe auf dem Feld wird mit dem Smartphone eingestellt. Warum sollte der Landwirt seine Finanzen dann wieder auf die altmodische Art regeln?

VWheute: Krankheiten können auch viele Tierbestände töten. Bereiten Ihnen Tierseuchen wie die Afrikanische Schweinepest zunehmend Sorgen oder schließen Sie solche Risiken aus Ihren Policen aus? D

Hans-Gerd Coenen: Die Sorgen unserer Kunden sind auch unsere Sorgen. Fragen kommen auf jeden Fall auf uns zu. Darauf sind wir nicht nur unter versicherungstechnischen Gesichtspunkten vorbereitet. Für Tierseuchen gibt es eine Tierseuchenkasse, die in solchen Fällen einspringt. Der daraus entstehende Ertragsausfall kann mit spezielle Policen abgesichert werden, welche wir auch vermitteln.

VWheute: Sie haben vor der GHV den Vertrieb bei der Badischen Versicherung in Karlsruhe geleitet, wo man von Kfz über Hausrat bis hin zur Krankenversicherung fast alle Policen verkaufte. Wie wichtig ist der Vertriebsaspekt hingegen bei einem Nischenversicherer wie der GHV? Ist die Konkurrenz so stark, dass man um jeden Kunden kämpfen muss?

Hans-Gerd Coenen: Sicher ist die Konkurrenz überschaubarer als im Privatkundensektor, aber es gibt sie. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft sorgt dafür, dass viele kleine Betriebe verschwinden. Eine unschöne Entwicklung, die wir natürlich auch zu spüren bekommen. Aber für mich steht der Auftrag, den wir für Landwirte haben, im Vordergrund. Ein beratungsintensives Geschäftsfeld, bei dem nicht nur versicherungstechnisches Fachwissen gefragt ist, sondern ein tiefes Verständnis für die Abläufe in landwirtschaftlichen Betrieben vorhanden sein muss, damit wir bedarfsgerecht versichern und Existenzen sichern.

VWheute: Sie sind Co-Autor des Buchs „Auf die Menschen kommt es an“, gerichtet an Versicherungsvermittler. Wie kommt man als vielbeschäftigter Manager auf die Idee ein Buch zu schreiben?

Hans-Gerd Coenen: Als Vollblutvertriebler liegt mir die Vermittlerschaft besonders am Herzen. Meine Aufgabe war und ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sich meine Mitarbeiter und Vertriebspartner bestens entfalten, weiterentwickeln und zukunftsfähig aufstellen können. Oft habe ich erlebt, wie schwer es Vermittlern fällt, sich zu positionieren und selbstbewusst mit ihrem Auftrag umzugehen. Deshalb war es mir eine Herzensangelegenheit, dieses Buch zu schreiben.

VWheute: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass der Versicherungsvermittler trotz Digitalisierung noch zu gebrauchen ist. Während der Pandemie haben viele Menschen jedoch gelernt, auf persönliche Kundengespräche zu verzichten. Scheint der Vermittler dann doch nicht so wichtig zu sein?

Hans-Gerd Coenen: Diese Frage zeigt das Problem, das unsere Branche mit der Digitalisierung hat. Wir sehen nur schwarz-weiß. Die vielen Schattierungen dazwischen werden viel zu wenig ausgelotet und nicht ausprobiert. Persönliche Kundengespräche gehen auch digital. Mit Videoberatung werden mühelos geografische und auch pandemiebedingte Hürden überwunden. Der technische Fortschritt eröffnet uns so viele Möglichkeiten, die wir leider nicht nutzen. Gerade in solchen Extremsituationen sollte jeder Vermittler nah am Kunden sein, beraten und Hilfestellung geben. Genau deshalb hat man doch seinen persönlichen Berater. Damit er uns in Notsituationen zur Seite steht. Corona ist ein guter Anlass, um den Kunden zu zeigen: „Hey, ich bin für Dich da.“

Lesen Sie das vollständige Interview in der September-Ausgabe „DER VERMITTLER“.

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