LV-Marktanalyse: Warum Japans Versicherer besser sind
Die Niedrigzinsen sind ein globales Problem. Doch während der deutsche Lebensversicherer ums Überleben kämpfend wüste Verwünschungen gegen Brüssel ausstößt, ist sein japanisches Pendant behände und entspannt pfeifend durch die Zinswüste gewandert. Doch nicht nur das, frisch und ausgeruht geht er im Ausland auf Einkaufstour. Wie das möglich ist, zeigt eine Analyse.
Das Ende einer Blasenwirtschaft zu Beginn der 1990er-Jahre läutete Japans langen Renditewinter ein, der sich folglich im dritten Jahrzehnt befindet. Die Entwicklung der japanischen Staatsanleihen zeigt den Verfall und ähnelt der hiesigen Zinsentwicklung, wie der Analyst Allianz zeigt.
Folgenlos blieb die Entwicklung nicht. Am Ende des Jahrzehnts hatten die negativen Margen einige Versicherer in den Konkurs getrieben. Diese hatten in etwa 10 Prozent des Gesamtvermögens der japanischen Lebensversicherungsbranche ausgemacht. Die überwiegende Mehrheit hat die Krise jedoch „(recht) gut gemeistert“, schreiben die Münchener, die auch selbst in Japan aktiv sind und 2020 nochmals zukauften.
Solide japanische Finanzen
Über die letzten drei Jahrzehnte blieben die gebuchten Bruttoprämien im Wesentlichen konstant. Es kam allerdings zu einem vorübergehenden Schub durch die Privatisierung von Japan Post, wie die Grafik zeigt.
Im Jahr 2020 verzeichnete die japanische Lebensversicherungsbranche eine Eigenkapitalrendite (Return on Equity) von 11 Prozent. Ein Grund dafür ist das Management des Produktmixes. Policen wie die traditionellen Lebensversicherungen und Produkte des sogenannten „dritten Sektors“ (Kranken-, Pflege- und Pflegeversicherung) bieten auf der „Grundlage von Sterblichkeits- und Prävalenzannahmen bessere Margen“. Die japanische LV-Branche hat sich stark in diese Richtung bewegt.
Begünstigt wurde diese Entwicklung durch eine wohlwollende Regulierung, die das Verbot für die Betätigung eines Lebensversicherers im Krankensektor aufhob. Seit diesem Zeitpunkt sind die (LV-)Versicherer auch in Bereichen wie Krebsschutz oder Pflegelösungen involviert, was bei einer alternden Bevölkerung ein Zukunftsfeld darstellt. Es wurden auch neue Produkte entwickelt, wie bspw. ein Schutz gegen Unfruchtbarkeit.
Der Schlüssel für die japanische Widerstandskraft gegen die Zinsdürre liegt aber in den Sterbetafeln. Die von Japans Lebensversicherern verwendeten Statistiken sind „sehr konservativ“. Die Sterblichkeitsraten für Lebensversicherungspolicen sind beispielsweise höher als die von „survivorship policies“ wie Rentenversicherungen oder die tatsächliche Sterblichkeit. Als Ergebnis liegen die vorgenommenen Auszahlungen „unter den ursprünglich angenommenen Werten“. Die Sterblichkeits- und Morbiditätsrisiken sind „der Schlüssel für die Rentabilität der Branche“, analysiert die Allianz.
Darüber hinaus haben die japanischen LV-Versicherer in den letzten Jahrzehnten einen Wechsel in ihrer Anlagestrategie vollzogen. Es wird stärker auf in- und ausländische Staatsanleihen gesetzt, weniger auf die von Unternehmen. Auch Kredite und (inländische) Aktien stehen heute stärker im Fokus, wie die Grafik zeigt.
Der Mix wirkt. Trotz einiger Einschnitte wie beispielsweise der Dotcom-Blase oder der großen Finanzkrise ist der „ordinary profit“ gewachsen und war in den 2010er-Jahren sogar etwas höher als in den 1980er-Jahren.
Besser in der Zukunft
Der Lebensversicherungsmarkt in Japan ist trotz rund 125 Mio. potenzieller Kunden überschaubar. Rund 40 Anbieter – auch aus dem Ausland – offerieren ihr Angebot, doch die Top-Five hält 50 Prozent des Gesamtmarktes. Offenbar ist der heimische Markt aber mittlerweile zu klein geworden. Einige japanische Lebensversicherer haben bei der Suche nach Wachstum die Überseemärkte ins Auge genommen. Besonders gilt dies für Asien und speziell China, der wohl größten Chance im Lebensversicherungssektor.
Die Japaner waren in der jüngeren Vergangenheit als großer Käufer von Versicherungsaktiva auffällig geworden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Geschäfte „in Bezug auf die Rentabilität“ auszahlen, besonders wegen der tendenziell hohen Marktpreisen. Zudem sei die Bilanz der japanischen Versicherer bei der Integration ausländischer Unternehmen „nicht beeindruckend“, schreibt die Allianz. Aufgrund des „stagnierenden Inlandsmarktes“ hätten die japanischen Lebensversicherer allerdings „keine andere Chance“ als die Expansion.
Ob ein japanischer Anbieter sich künftig auch an den deutschen Markt herantraut?
Autor: Maximilian Volz