Harter D&O-Markt: Dem Mittelstand drohen deutliche Preissteigerungen bei steigenden Risiken

Quelle: Bild von SplitShire auf Pixabay

In keiner Industrieversicherungssparte hat es in den vergangenen zwei Jahren eine vergleichbare Marktverhärtung gegeben wie in der D&O-Versicherung. Der Mittelstand kann sich solche Policen kaum mehr leisten, obwohl gerade dort die Risiken steigen. Von Ulrich Kremer und Boris Prochazka.

Es muss nicht zwingend ein Skandal sein, der die Unternehmensstrukturen in ihren Grundfesten erschüttert. Flutkatastrophe, Corona-Pandemie – wie leicht Fehler passieren und welchen Schaden sie anrichten können, zeigt sich täglich. Das gilt für Personen im öffentlichen Leben genauso wie für das Management von Unternehmen.

Lange Zeit waren deshalb die Directors-and-Officers-(D&O)-Policen, mit denen die Organisationen ihr Führungspersonal gegen Schadenersatzansprüche in ihrer Tätigkeit als Organ ihrer Gesellschaft abgesichert haben, eine gute Wahl. Denn sie war relativ günstig: War die Prämie ausgereizt, folgten Deckungserweiterungen. Zudem war der Versicherungsmarkt von einem großen Wettbewerb an spezialisierten und auch weniger spezialisierten Anbietern geprägt. Das hat sich nun drastisch geändert. In der D&O-Versicherung sind die Schadenquoten in den vergangenen Jahren so stark gestiegen, wie aus einer GDV-Übersicht hervorgeht, dass diese nicht mehr durch das Prämieneinkommen gedeckt sind.

Die D&O-Versicherer sehen sich desaströsen Schadenquoten ausgesetzt, die Kosten/Schaden-Quoten sind in vielen Fällen tiefrot. Einige Carrier haben sich von diesem Markt verabschiedet, andere reagieren mit strengen Buchbereinigungen. Die Unternehmen trifft dies in der aktuellen, wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeit doppelt. Die Prämien steigen teilweise massiv an, die Versicherungssummen werden gekürzt und die Bedingungswerke teils gravierend eingeschränkt – etwa bei Nachmeldefristen. Das trifft heute auf große Unternehmen wie auf kleine und mittelständische gleichermaßen zu, auch wenn Letztere in der Vergangenheit weniger betroffen waren. Vor allem der Mittelstand ist gezeichnet. Ihm drohen aktuell Preissteigerungen auf der einen Seite und
vermehrte Haftpflichtforderungen auch infolge der Corona-Pandemie auf der anderen.

Prämienerhöhungen bei über 80 Prozent der Verträge

Das rigorose Vorgehen der Versicherer stößt bei den Kunden erwartungsgemäß auf wenig Zustimmung. Zumal sie den Versicherungsschutz mehr denn je benötigen. In keiner Industrieversicherungssparte hat es in den vergangenen zwei Jahren eine vergleichbare Marktverhärtung gegeben wie in der D&O-Versicherung. Eine Mitgliederbefragung des Gesamtverbandes der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) zeigt, dass im Renewal 2020–2021 ein Drittel der Versicherungsnehmer Prämienerhöhungen von 20 bis 50 Prozent hinnehmen mussten. Für knapp jeden Fünften lag die Erhöhung bei 50 bis 100 Prozent. 15 Prozent der Unternehmen mussten gar Preissteigerungen in mehr als der doppelten Höhe hinnehmen. Insgesamt sind damit 83 Prozent der Verträge von einer Prämienerhöhung betroffen. In 37 Prozent der Fälle erfolgte eine Reduktion der Versicherungssummen, in 38 Prozent ging dies mit verschlechterten Versicherungsbedingungen einher. In Einzelfällen ist eine Verzehnfachung der Prämie zu beobachten.

Wenngleich Prämienerhöhung und Kapazitätsreduktion bei verlässlichen Versicherern vor allem schadenbelastete und große Risiken betreffen, trifft die Marktverhärtung den Mittelstand in seiner Gesamtheit. Lediglich geringere Deckungssummen von zwei bis drei Mio. Euro sind weniger
betroffen. Muss ein DAX-Konzern eine Verkürzung seiner üblichen mehrere Hunderte Millionen Euro umfassenden Deckungssumme hinnehmen, mag das zu verschmerzen sein. Wenn ein Mittelständler wegen einer einzelnen roten Zahl in der Bilanz nicht einmal mehr echtes Underwriting durchläuft, sondern im Vorhinein abgelehnt wird, ist das kritisch.

Insolvenzen sind seit jeher ein regelmäßiger Auslöser von D&O-Versicherungsfällen. Erschwerend hinzu kommt nun die Corona-Pandemie. Die – auf den ersten Blick günstige – Aussetzung der Insolvenzantragspflicht birgt Risiken. Unternehmen gesunden nicht automatisch mit dem Ende der Pandemie. Vielmehr hat sich die Schieflage bei einigen weiter manifestiert. Zudem kommen viele Fragen im Nachhinein auf: War tatsächlich die Pandemie die Kernursache für die Schieflage? War eine Zahlung nach Insolvenzreife, aber ohne Insolvenzantragspflicht gerechtfertigt? Denn Insolvenzverwalter suchen immer routinierter und hartnäckiger nach auch entfernten Anhaltspunkten für eine Managerhaftung.

Service aus allen Perspektiven gefordert

Die Liste der potenziellen Risiken ist lang. Sicher gehören Cyber-Risiken auch dazu. Im Ergebnis ist die Kombination aus Marktentwicklung und Risikolandschaft für D&O-Kunden eine Herausforderung. Das gilt für Neukunden und selbst für langjährige Bestandskunden mit dem kleinsten scheinbaren Makel. Dabei kann es eine eigene Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen darstellen, eine D&O-Versicherung nicht abzuschließen. Entscheidend für den Kunden – ob Unternehmen oder natürliche Person – sind individuelle Risikoanalyse und darauf gestützte sachkundige Konzeption des Versicherungsschutzes. Auch in diesem turbulenten Markt können Spezialmakler für soliden Schutz und Stabilität der Konditionen sorgen.

Gute Lösungen entstehen hauptsächlich auf Grundlage eigens gestalteter Bedingungswerke und Deckungskonzepte. Auf diese Weise kann ein Höchstmaß an Versicherungsschutz erreicht werden. Genaue Markt- und Branchenkenntnis sind erforderlich, um auch schwierige Risiken bestmöglich zu versichern. Welcher Versicherer hat ein offenes Ohr für bestimmte Branchen? Welche Hindernisse sind im Markt zu erwarten und wie kann diesen mit einer transparenten Risikodarstellung begegnet werden? Welche „Out-of-the-Box“-Lösungen können helfen, das Risiko der Entscheider zu transferieren? Der hart umkämpfte Markt darf also keine Entschuldigung sein, auf D&O-Versicherung ganz oder auch nur auf eine optimale Deckung zu verzichten. Der Schutz des Unternehmens und seiner Manager ist wichtiger denn je.

Autoren: Ulrich Kremer, Line Manager Financial Lines und Rechtsanwalt bei MRH Trowe, sowie Boris Prochazka, Geschäftsführer 360gradmanagerschutz und Rechtsanwalt bei MRH Trowe

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der neuen September-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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