Wechselsaison: Wie lukrativ ist die Kfz-Versicherung?

Ferrari. Bild von Toby Parsons auf Pixabay

Zur diesjährigen Wechselsaison überbieten sich Kfz-Versicherer bei der Rückerstattung der Versicherungsprämie durch die coronabedingte reduzierte Fahrleistung. Rabatte bei Telematik-Tarifen heizen den Wettbewerb zusätzlich an. Die Preise sind aktuell so niedrig wie seit 2015 nicht mehr. Dabei ist das Kraftfahrtgeschäft für viele Versicherer nach wie vor ein Verlustbringer, daran dürfte auch die Corona-Krise mittelfristig nicht viel ändern.

2020 ist für die Branche alles andere als ein normales Jahr. Während manche Unternehmen unter den finanziellen Folgen der Pandemie – Stichwort Betriebsschließungsversicherung oder Event-Absagen – freuen sich die Kfz-Versicherer bereits über eine spürbar gesunkene Regulierung von Kfz-Schäden. So rechnet Andreas Kelber, Leiter des deutschen Kfz-Geschäfts der Hannover Rück, mit einem Rückgang der Schäden von rund zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch der Marktführer Huk-Coburg geht derzeit von einem fünf Prozent niedrigeren Schadensaufkommen aus.

Manch Versicherer nutzt die Krise für einen warmen Geldregen zugunsten der Versicherten: Demnach verzichtet beispielsweise die Debeka wegen der Coronakrise für das Jahr 2021 auf eine allgemeine Anpassung ihrer Kfz-Versicherungsbei­träge. Durch die geringere Anzahl an Schäden im laufenden Versicherungsjahr können Beiträge damit auf einem stabilen Niveau gehalten werden, heißt es in einer Mitteilung des Koblenzer Unternehmens. Auch die Zurich Deutschland hatte ihren Kunden eine Beitragsrückerstattung in der Kfz-Versicherung gewährt.

Ähnliches gab auch jüngst die Bayerische bekannt: So erstattet der Versicherer aus München rückwirkend zum 1. Januar 2020 ihren Kunden Beiträge, wenn sie weniger Kilometer gefahren sind, als im Vertrag verankert. Im Hinblick auf die anhaltende Krise, die voraussichtlich auch Auswirkungen auf das kommende Jahr haben wird, schreibt die Bayerische ihren Kunden die neue Fahrleistung sogar für 2021 fest, ohne dass diese selbst aktiv werden müssen. Kunden profitieren zudem von einer Beitragsgarantie für Neuverträge zum 1. Januar 2021.

„Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele unserer Kunden vermehrt ihr Auto stehen gelassen haben – sei es durch Home Office oder Kurzarbeit. Wir finden es daher nur fair, unseren Kunden die zu viel gezahlten Beiträge auch wieder zurückzuzahlen – und das rückwirkend für das ganz Jahr und nicht nur für einen eingeschränkten Zeitraum.“

Martin Gräfer, Vorstandsvorsitzender BA die Bayerische Allgemeine Versicherung AG

Auch die Branchenführer Huk-Coburg und Allianz hatten bereits im Frühjahr 2020 Beitragsrückerstattungen in Aussicht gestellt, wenn man wegen Corona deutlich weniger mit seinem Auto gefahren ist.

Auf das Gesamtjahr betrachtet kommt Check24 bereits zu dem Schluss, dass die Verbraucher aktuell im Schnitt 303 Euro jährlich für die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlen. Dies sei im Vergleich zu 2019 ein Rückgang von rund zehn Prozent, rechnet das Vergleichsportal vor. Der durchschnittliche Preis für eine Kfz-Haftpflichtversicherung erreichte zudem 2020 mit 337 Euro den Höchststand im Juli. Damit lag er unter dem höchsten Wert der vergangenen Wechselsaison mit einem Durchschnitt von etwa 346 Euro.

„Wir vermuten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt und der Kfz-Haftpflichtbeitrag in diesem Jahr sogar weiter sinkt als im Vorjahr. Denn aufgrund von Ausgangs- und Reisebeschränkungen ging während der Corona-Pandemie das allgemeine Verkehrsaufkommen und damit die Unfallhäufigkeit zurück. Die Versicherer mussten weniger Schäden regulieren und das könnte sich positiv auf die Versicherungsbeiträge auswirken.“

Tobias Stuber, Geschäftsführer Kfz-Versicherungen bei Check24

„Die Versicherer mussten weniger Schäden regulieren und das wirkt sich jetzt positiv auf die Versicherungsbeiträge aus, fasst Tobias Stuber, Geschäftsführer Kfz-Versicherungen beim Vergleichsportal Check 24 zusammen. Der durchschnittliche Preis für eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist in diesem November so niedrig wie zuletzt 2015, rechnet das Portal vor.

Dabei scheint die Wechselbereitschaft der Deutschen laut Vergleichsportal auch in diesem Jahr durchaus ausgeprägt zu sein. Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage im Auftrag von Check24 denken immerhin 48 Prozent der Kfz-Versicherungsentscheider über einen Wechsel ihrer Kfz-Versicherung nach. Wesentlicher Grund für einen solchen Schritt sind vor allem monetäre Gründe: So möchten 85 Prozent der 2.047 Befragten vor allem Geld sparen, 27 Prozent geben hingegen bessere Leistungen als Wechselgrund an.

Wer gewinnt und wer verliert im Kfz-Preiskampf?

Dem mit harten Bandagen geführten Preiskampf in der Kfz-Versicherung dürfte diese Entwicklung jedenfalls neue Nahrung geben. Davon profitieren dürften vor allem die Vertriebswege Makler und Vergleichsportale – wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Laut der Vertriebswegestatistik wurde 2019 immer noch 47,6 Prozent des gesamten Neugeschäftes über Einfirmenvermittler erzielt. Der Anteil der Versicherungsmakler lag bei 26,2 Prozent und der des Direktvertriebes bei 14,1 Prozent. Die großen Portale nutzen längst ihr umfassendes Datenvolumen, um regelmäßig tief in die Medienlandschaft einzudringen.

Neuer Prämiendruck entsteht zudem durch immer mehr Versicherer, die Telematik-Tarife für alle Altersgruppen anbieten. Neu eingestiegen ist jetzt die DEVK und zwar mit dem höchsten Starterbonus am Markt. Statt zehn Prozent, wie sie etwa Huk-Coburg und Allianz bieten, gibt es beim DEVK Telematik-Angebot „Fahr clever“ einen Einsteigerbonus von 15 Prozent. Überraschend ohne große öffentliche Ankündigung hat die Versicherungskammer Bayern ihren Telematik-Tarif „Kfz Vario FahrStil“ in den Markt gegeben. Dabei gibt es für den Tarif, den nur junge Fahrer unter 22 Jahren nutzen können, sogar ein echtes Bonbon: Der Nachlass im nächsten Jahr kann bis zu 45 Prozent ausmachen.

Auch der Einstieg des größten Autoclubs Deutschlands in den Telematik-Versicherungsmarkt dürfte den Wettbewerb in der Kfz-Versicherung unabhängig von Corona wieder anheizen. Der ADAC, Hauptaktionär ist die Allianz, ist seit Juli 2020 mit dem Telematik-Baustein „Fahr + Spar“ im Rennen um „gute“ Kunden unterwegs. Jährlich könnten Versicherte ihre Prämien um bis zu 30 Prozent reduzieren. Gleichzeitig bietet der Club Mitgliedern Nachlässe an.

„Der Wettbewerb verschärft sich. Wir stellen uns auch wieder auf die eine oder andere Überraschung ein – die gab es jedes Jahr bei den Tarifen.“

Jörg Rheinländer, Vorstand der Huk-Coburg

Verlierer der Entwicklung könnten hingegen die Flottenversicherer werden: „Eine signifikante Entspannung an der Prämienfront ist im Flottenversicherungsmarkt weiterhin nicht in Sicht“, warnt Melanie Frömming vom Großmakler Aon aus Hamburg. Auch im vergangenen Jahr hätten die Versicherer in diesem Segment Verluste eingefahren. Wie hoch die ausfallen, ist aber noch gar nicht bekannt. Denn die Corona-Pandemie hat manche Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht.

Viele gewerbliche Fahrzeuge hatten keinen Einsatz mehr, weil die Aufträge fehlten. Allein die R+V Versicherung aus Wiesbaden hat mit 35.000 Unternehmen zeitweise eine beitragsfreie Ruheversicherung vereinbart. Hinzu kommt, dass nun der Gesetzgeber ein altes Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2010 quasi außer Kraft gesetzt hat. Das ist für Unternehmen, die öfter Anhänger leihen, eine gute Botschaft. „Heute liegen die Prämien für Anhänger, abhängig von Schadenquote, Nutzung und Branche, zwischen 400 und 1.500 Euro pro Jahr“, sagt Anton Knitsch vom Versicherungsmakler Funk Gruppe aus Hamburg.

Künftig dürften sie auf unter 100 Euro sinken. Grund: Die Haftung für Kfz-Anhänger ist seit dem 17. Juli 2020 gesetzlich wieder auf ein Minimum begrenzt. Nur wenn ein Unfallschaden allein vom Anhänger ausgeht, beispielsweise wegen eines technischen Defekts oder weil sich ein abgestellter Anhänger auf abschüssiger Straße selbstständig macht, muss die Anhängerversicherung für den Schaden aufkommen. Alle anderen Unfallschäden bei Gespannen zahlen jetzt in der Regel die Besitzer von Zugfahrzeugen.

„Ich bleibe bei meiner Aussage, die ich bereits vor zwölf Jahren erstmals getätigt habe: Ich glaube nicht, dass ich mit der Kfz-Versicherung, wie wir sie heute kennen, in Rente gehen werde. Und es ist nicht ein einzelner Faktor, der dies treibt, sondern viele unterschiedliche Faktoren.“

David Stachon, Chief Business Officer Digital und Unabhängige Vertriebe Generali Deutschland sowie Vorstandsvorsitzender Cosmos Direkt

Corona verändert das Mobilitätsverhalten

Eines ist jedenfalls sicher: Corona hat das Mobilitätsverhalten der Deutschen in den vergangenen Monaten spürbar verändert.  Einige Metropolen wie London oder Paris führen bereits Programme für CO2-arme Mobilität ein. Großbritannien hat gar die „Grüne Industrielle Revolution“ ausgerufen: Demnach soll schon ab 2030 der Verkauf von neuen Benzin- und Diesel-Autos im Vereinigten Königreich verboten werden.

Zudem werde das „klassische Autofahren mit Verbrennungsmotor, der mir gehört und den ich klassisch individuell versichert habe, wird aus verschiedenen Ecken angegriffen: Da ist die Sharing Economy, mit Gruppen- oder Firmenangebote, da ist die E-Mobilität und da sind alternative Formen der Mobilität“, konstatierte David Stachon, Vorstandschef der Cosmos Direkt, jüngst im Interview mit der Versicherungswirtschaft.

Seine Prognose für die Zukunft: „Ich bleibe bei meiner Aussage, die ich bereits vor zwölf Jahren erstmals getätigt habe: Ich glaube nicht, dass ich mit der Kfz-Versicherung, wie wir sie heute kennen, in Rente gehen werde.“

Autoren: VW-Redaktion / Uwe-Schmidt-Kasparek

Mehr zu den aktuellen Entwicklungen in der Kfz-Versicherung lesen Sie auch in der aktuellen November-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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