Kommunen droht Corona-Prozesswelle durch geschädigte Unternehmen – Versicherer mittendrin

Eine Pozeswelle bricht auf die Versicherer nieder - oder doch nicht?. Bild von Elias Sch. auf Pixabay

Der Anwalt ist der Gewinner der Corona-Krise. Die Juristen sind aktuell allgegenwärtig, beraten, vermitteln und klagen, was das Gesetzbuch hergibt. Die neuste Entwicklung ist eine Prozesswelle von bisher nicht bekannter Wucht. Immer mehr Anwälte raten den Corona betroffenen Unternehmen, ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der Kommune anzumelden, die die Schließung angeordnet hat. Die Versicherer sind alarmiert.

In Deutschland gibt es Millionen von Unternehmen, die meisten mussten während der Corona-Krise ihr Geschäft auf Anordnung des Staates schließen. Die daraus entstandenen Schäden sind aber keineswegs unternehmerisches Risiko, denn im zugrunde liegenden Infektionsschutzgesetz (IfSG) gibt es trotzt Nachbesserungen zu Beginn der Krise Mängel, wie die FAZ meldet. „Der Betroffene darf nicht auf dem Schaden sitzenbleiben, der ihm dadurch entsteht, dass er zum Schutz der Allgemeinheit seinen Betrieb schließen muss“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting.

Im IfSG sind zwar Tätigkeitsverbote  und die Entschädigung definiert, jedoch werden „allgemeine Betriebsschließungen ohne konkrete Einzelfallprüfung“ nicht ausdrücklich erwähnt. Die Regelungen lassen Raum für Interpretationen und das ist genau das Habitat, in dem sich Anwälte am liebsten tummeln. „Der Staat darf Grundrechte wie die Berufsfreiheit von Unternehmern ohne zulässige Ermächtigungsgrundlage nicht beschneiden“, erklärt Härting.

Viele Anwälte glauben, dass es angemessen wäre, wenn der Entschädigungsanspruch der Angestellten auf Unternehmen ausgeweitet werden würde. Der Rechtsanwalt Martin Asal von der Stuttgarter Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner hält die einseitige Belastung für „verfassungsrechtlich nicht akzeptabel“. Seine Argumentation klingt nachvollziehbar: „Es lässt sich wohl kaum rechtfertigen, dass § 56 IfSG einem Träger eines Krankheitserregers einen Anspruch auf Entschädigung einräumt, wenn ihm seine Erwerbstätigkeit untersagt wird, nicht aber dem Gewerbetreibenden, dessen Betrieb geschlossen wird.“

Die Versicherer sind bereits auf dem Weg zum Alarmknopf

Bei rund 3,3 Millionen Unternehmen wird die Entschädigungsfrage wohl das heikelste Thema für die Versicherer in der Corona-Krise werden. Die reagieren verhalten und vorsichtig.

Ulrich Eberhardt, Vorstand der Roland Rechtsschutz schreibt dazu : „Es ist sicher legitim, dass sich auch in der Krise neue Geschäftsmodelle in der Anwaltschaft entwickeln. Wie schon in anderen Fällen, zum Beispiel im Rahmen der Finanzkrise 2008 oder im Rahmen des Dieselskandals, kann dies dazu führen, dass Klagen organisiert beworben und durchgeführt werden. Dies kann dann in der Tat zu einer Art Klagewelle führen und das scheint mir auch hier die ökonomische Absicht zu sein. Zum jetzigen Zeitpunkt – wir haben den Höhepunkt der Krise womöglich noch gar nicht gesehen – allerdings bereits Klagemodelle gegen diejenigen vorzubereiten, die besondere Verantwortung für die Bevölkerung wahrnehmen, halte ich für diskutabel. Das bayerische Beispiel zeigt doch, dass konsensuale Lösungen zwischen Staat und Privatwirtschaft z.B. bei Betriebsschließungen möglich sind.“

Die Arag glaubt, dass man in diesem Sachverhalt noch am Beginn der rechtlichen Diskussion stehe. Es gehe um die Bewertung der Eingriffsintensität hoheitlicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz sowie möglichen Erstattungsansprüchen daraus.

„Ob sich bei der Rechtsverfolgung dieser Ansprüche eine Eintrittspflicht der Versicherer ergibt, lässt sich aktuell ebenso wenig abschätzen. Auch hier stehen wir ganz am Beginn der Diskussion.“ Bleibt nur zu warten, ob es zu einer Klagewelle kommen wird, die Anwälte sind jedenfalls vorbereitet.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Bezahlen denn die Rechtsschutzversicherer den Anwalt dafür, dass er an einer wissenschaftlichen rechtlichen Diskussion teilnimmt, um Fragen im Zusammenhang mit Rechtsgrundlagen und Haftung des Staates bei Eingriffen wegen Corona zu klären?

    Rechtlich diskutiert und auch geklärt wird dies doch in Gerichtsverhandlungen, nachdem der Anwalt Klageschriftsätze für verschiedene Mandanten bei unterschiedlichen Gerichten eingereicht hat, diese von Beklagten erwidert werden, und viele Gerichte jedweder Instanzen dann dies rechtlich eingehend prüfen und Urteile fällen. So klärt man bei uns Rechtsfragen.

    Den Rechtsschutzversicherern kommt dann die Aufgabe zu, den Anwalt zu bezahlen, nachdem sie eine Deckungszusage erteilt haben. Und dafür vorher zu prüfen, ob denn eine Erfolgsaussicht besteht – oder nicht. Sie können auch die Deckungszusage verweigern und sich auf Deckung verklagen lassen – dann kann auch diese Frage gerichtlich geklärt werden.

    Wer etwa aus Rücksicht auf die Verantwortung in der Corona-Krise davon Abstand nimmt, seinen Rechtsanspruch frühzeitig durchzusetzen, muss sogar damit rechnen, ihn zu verlieren – gerne wird hier das Instrument der Verwirkung eines Rechts eingesetzt, dem viele Gerichte extensiv folgen, weil sich damit eine weitere Prüfung erledigt. Die Beklagten durften irgendwann wegen des Zögerns der Kläger davon ausgehen, dass diese ihr Recht nicht mehr einfordern, und haben sich darauf eingerichtet. Der Inhaber des ohne Widerstand geschlossenen Betriebs handelt dann „treuwidrig“, dies nun doch noch einzufordern, weshalb er es verliert.

    Wenn, um rechtliche Fragen zu klären, ein „Geschäftsmodell“ von Anwälten und Einwerbung von Mandaten geeignete Mittel sind – worauf soll man denn dann warten oder auf was Rücksicht nehmen?

    Rechtliche Klarheit ist auch für den Staat gut, dann weis er nächstes Mal, wie er sich rechtlich einwandfrei verhält, um Krisen zu bewältigen.

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