Ungenutztes Potenzial: Versicherer bei Website-Suche auf dem Stand der 90er-Jahre

Quelle: Bild von Hebi B. auf Pixabay

Wer heute eine neue Versicherung sucht, startet die Suche im Internet. Laut einer Yext-Erhebung suchen Kund*innen mittlerweile online, bevor sie den Kontakt zu Berater*innen aufnehmen. Startpunkt ist hierbei neben Suchmaschinen und Vergleichsportalen auch häufig die Website eines bestimmten Versicherers: 39 Prozent der Befragten steuern diese Informationsquelle regelmäßig an. Ein Gastbeitrag von Tobias Dahm.

Sie ist damit ein wichtiger Anlaufpunkt für die Gewinnung von Informationen zu Versicherungen und ein elementarer Bestandteil für den Austausch mit potenziellen Kund*innen. Stellen die Unternehmen hier Informationen zu ihren Leistungen online bereit und versehen diese mit hilfreichen Call-to-Actions wie etwa einer direkten Terminbuchung, einer Tarif-Kalkulation oder Anfahrtsbeschreibung, unterstützen sie Kund*innen bei ihrer Online-Recherche und erhöhen die Chance eines Abschlusses. Soweit die vielversprechende Theorie.

In der Praxis haben jedoch viele Versicherer in puncto Website-Suche große Potenziale: Seit seiner Entstehung in den 90ern hat sich das Internet kontinuierlich weiterentwickelt. Websites werden anders strukturiert und von Konsument*innen intuitiver genutzt. Doch Experten fällt eine Funktion dabei besonders ins Auge: Die Such-Funktion auf vielen Websites der Versicherer ist völlig veraltet. Das Sucherlebnis gleicht vielfach dem von 1999!

Interessierte stoßen deshalb bei der Suche nach passenden Antworten auf Probleme und erhalten keine oder unzureichende Antworten. Anders als etwa auf Google, wo man mit wenigen Klicks direkte Antworten, Bilder und passende Anlaufstellen findet, resultiert die Website-Suche vieler Versicherer in einer Liste an unübersichtlichen Links, die in vielen Fällen in keinem Zusammenhang mit der Suchanfrage stehen. In einigen Fällen lautet das Ergebnis sogar: „Es wurde kein Suchergebnis gefunden“. In der Folge wenden Kund*innen sich ab, verwerfen ihre Suche oder probieren ihr Glück über die Suchmaschinen oder Vergleichsportale. Versicherungsunternehmen verlieren in diesem Augenblick die Kontrolle über die Customer Journey von Kund*innen und riskieren, dass Konsument*innen entweder fehlerhafte Informationen zur Marke im Netz erhalten oder zum Wettbewerb wechseln. Denn externe Plattformen wie Suchmaschinen und Tarifvergleichsportale können auch Angebote von Konkurrenten zutage fördern und die Suchenden stattdessen dorthin leiten.

Zum Autor: Bei Yext ist Tobias Dahm seit 2020 Senior Vice President in Zentraleuropa. Dahm verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der Technologiebranche, zuletzt als Area Vice President bei Salesforce für das Enterprise Business in Deutschland. Bei Salesforce leitete Dahm einen ähnlich schnell wachsenden Geschäftszweig. Davor hatte Dahm eine Reihe von Vertriebs- und Managementpositionen bei Microsoft, Symantec, Compuware und weiteren Unternehmen bekleidet.

Erfahrungen ungenutzter Potenziale in Sachen Website-Suche finden sich etwa auf den Online-Auftritten der Alten Leipziger, Axa, Huk oder der Generali. Tippen potenzielle Kund*innen hier etwa „Beratung zu Autoversicherung in Köln“ in die Suchleiste ein, erhalten sie bei der Alten Leipziger und der Generali eine Nulltreffer-Antwort. Bei Axa und Huk erhält man zu dieser Frage tatsächlich eine hilfreiche Antwort – geht man hier jedoch noch einen Schritt weiter und will wissen, „wie viel eine Motorrad-Versicherung kostet“, erhalten Suchende auch hier lediglich Informationen zu Oldtimer- oder Kfz-Versicherungen und dem Motorradführerschein – sprich keine direkte und erst recht keine korrekte Antwort. Konsument*innen müssten sich nun aufwendig durch die einzelnen Links klicken und reagieren womöglich frustriert. 

Grund für dieses unpräzise Suchergebnis ist die Keyword-Suche, die viele Versicherungsunternehmen nach wie vor nutzen. Diese funktioniert Index-basiert – das heißt jedes Wort einer Frage wird separat und nicht im Kontext miteinander betrachtet. Dies hat wie im Axa-Beispiel zur Folge, dass Nutzer zwar Antworten erhalten, diese jedoch nicht ihre Frage widerspiegeln. Wichtig ist deshalb, dass alle Informationen eines Unternehmens wie beispielsweise Produkte, Services, Öffnungszeiten und Standorte in einen sogenannten Knowledge Graph eingepflegt werden und einzelne Daten wie etwa Leistung, „Beratung“ + Produkt „Autoversicherung“ + der Standort „Köln“ in Verbindung zueinander gesetzt werden. Wenn nun nach dieser Kombination gesucht wird, kann die Technologie die Frage mit natürlicher Sprachverarbeitung verstehen und erkennt nicht nur die einzelnen Stichwörter, sondern auch deren Zusammenhang, also die eigentliche Absicht des Nutzers. Gleichzeitig greifen für die Suche nach der passenden Lösung im Knowledge Graph nicht nur ein Algorithmus, wie bei den meisten Websites, sondern gleich mehrere, die den Suchprozess nochmal präzisieren und beschleunigen.  

Die Evangelische Kirche im Rheinland oder Fitness First sind zwar branchenfremd, dienen aber dennoch als Beispiele dafür, wie eine nutzerfreundliche Website-Suche von heute aussieht. Suchen Fitness-Begeisterte auf der Fitness First-Website beispielsweise nach „Yogakurse in München“, erhalten sie neben einer Auflistung der jeweiligen Studios, die Kurse anbieten, die Möglichkeit, einen Kurs direkt online zu buchen. Darüber hinaus werden ihm weitere Informationen geboten, die ebenfalls von Interesse sein dürften. Wer beispielsweise nach „Wie kann ich meinen bestehenden Vertrag kündigen?“ fragt, erhält neben den passenden FAQ zum Thema Kündigung auch alternative Online-Kurse angezeigt. Kunden werden so zusätzliche Informationen und Anreize geliefert, die zur Stärkung der Kundenbeziehung und zum Verbleib der Kund*in beitragen können.

Suchenden wird damit ein Google-ähnliches Erlebnis geboten, das sie seit Jahren gewöhnt sind und bereits als „Standard“ verstehen. Statt Links, von denen man erraten darf, wo sich die Antwort verbirgt, gibt Google heute schließlich häufig direkt eine dynamische Antwort. Um Kund*innen nachhaltig zu überzeugen und sie an sich zu binden, sind zielführende Antworten auf der eigenen Markenwebsite deshalb ein wichtiger Faktor im Marketingmix: Kund*innen springen seltener ab, sie verbringen längere Zeit auf der Website und die Conversion-Rate kann gesteigert werden. Die Chance auf eine Terminvereinbarung wird damit um ein Vielfaches wahrscheinlicher. Es wird daher höchste Zeit, dass sich Versicherer von den 90ern verabschieden und auf ein modernes Sucherlebnis umstellen.

Autor: Tobias Dahm, Senior Vice President EMEA Central bei Yext

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