„Es braucht Kenntnis, Flexibilität und ein gutes Netzwerk“: Hiscox fürchtet keine Konkurrenz auf dem Kunstmarkt

Janna-Lena Baierle, Underwriter Art & Private Clients, Hiscox Deutschland. Quelle: Unternehmen.

Heute erscheint der zweite Teil des Hiscox Online Art Trade Reports. Der Trend auf dem Kunstmarkt geht zu Online-Auktionen, Instagram und sozialer Verantwortung. Wie Hiscox das nutzen will und warum man Konkurrenz weder scheut noch fürchtet, erklärt Janna-Lena Baierle, Underwriter Art & Private Clients, mit der VWheute vorab exklusiv zur Studie sprechen konnte.

VWheute: Frau Baierle, die Studie zeigt, dass das Vertrauen der Kunden in Onlineauktionen zunimmt; je jünger desto online lautet das Fazit. Welche Auswirkungen hat das auf ihr Angebot?

Janna-Lena Baierle: Das stimmt, 69 Prozent der befragten Millennials – also unter 35-jährige – gaben an, im Befragungszeitraum Kunst online gekauft zu haben, verglichen mit erst 40 Prozent in 2019. Unsere Angebote sind auch schon lange online für Makler verfügbar. Wir werden in der Zukunft an dieser Präsenz immer weiter arbeiten und digital weiterhin vieles neu aufsetzen, um die Customer Journey stetig zu optimieren.

VWheute: „Kunst wird als stabile Größe wahrgenommen“, sagten Sie  in unserem letzten Gespräch. Gab es in der (zweiten) Coronakrise einen Abschwung auf dem Kunstmarkt, was sagen ihre Zahlen?

Janna-Lena Baierle: Dass Kunst als stabile Größe wahrgenommen wird, konnten wir auch bisher in der zweiten Coronawelle feststellen. Zwar mussten Messen, Ausstellungen und andere Kunstveranstaltungen größtenteils wieder abgesagt werden, jedoch ist das Interesse an Kunst und diese zu versichern weiterhin groß. Das sehen wir etwa daran, dass viele unserer Kunden ihre Kunstsammlungen erweitern und Neukunden ihre Sammlungen bei uns anfragen. Insgesamt konnten wir daher in dieser Zeit weiter wachsen.

VWheute: Die Auktionen konzentrieren sich auf wenige, seriöse Anbieter. Wir sprachen im Juli schon über die damit verbundene Konzentration. Beschleunigt sich der Prozess?

Janna-Lena Baierle: Wir gehen weiterhin davon aus, dass dieser Trend anhält und sich vor allem die großen Auktionshäuser und -plattformen durchsetzen. Insbesondere die großen Lose können von den renommierten Anbietern platziert werden, da sie hohes Ansehen und Vertrauen in der Sammlerschaft genießen.

VWheute: Die Kunstkäufer zeigten in der Coronakrise Verantwortung und unterstützen Künstler. Das lässt darauf schließen, dass den Kunstliebhabern Environment, Social, Governance-Kriterien wichtig sind. Sehen Sie das auch und wie wollen sie darauf ggf. reagieren?

Janna-Lena Baierle: Wir können Ihnen Recht geben, dass Kunstliebhabern die genannten Werte wichtig sind – in unserem Hiscox Online Art Trade Report fanden wir beispielsweise heraus, dass für Käufer von Kunstwerken die Unterstützung von Künstlern, die sich in Schwierigkeiten befinden, mit 68 Prozent die zweitwichtigste Motivation für Käufe war, direkt nach der Leidenschaft für die Kunst selbst.

Auch für Hiscox sind das wichtige Werte, weswegen wir in der Krise an unserem Engagement in diesen Bereichen natürlich festgehalten haben. Beispielsweise haben wir im Oktober zum 13. Mal den Hiscox-Kunstpreis an besonders talentierte Nachwuchskünstler verliehen. Die Verleihung musste diesmal leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, wurde jedoch live übertragen. Zu diesem Online-Stream haben wir dann viele Sammler und Galeristen mit einem persönlichen Anschreiben und einem guten Tropfen eingeladen, um den Künstlern ein möglichst großes Auditorium zu schaffen.

VWheute: Kunst wird auf Instagram ausgesucht. Unglaubliche 68 Prozent suchen dort nach Kunst, neun von zehn Käufern sind Millennials. Wie wollen Sie am Instagram-Hype partizipieren?

Janna-Lena Baierle: Hiscox als Versicherer der digitalen Welt ist natürlich insgesamt sehr digital ausgerichtet, ebenso wie auch unsere Mitarbeiter, und natürlich gehört auch Instagram zu unserem Social-Media-Mix dazu. Dabei fällt es uns als – was den Altersdurchschnitt anbelangt – junges Unternehmen leicht, die Bild-Sprache dort zu treffen. Auch diesen Kanal wollen wir weiter ausbauen und sehen ihn zukünftig als bedeutsame Kommunikationsmöglichkeit.

VWheute: „Ein Kunstwerk direkt […] zu erleben, wird immer ein wesentlicher Bestandteil der Faszination an Kunst sein“, erklärten Sie. Seitdem sind die Online-Käufe weiter gestiegen und sollen weiter zunehmen. Halten Sie an ihrer Aussage fest? 

Janna-Lena Baierle: Unbedingt. Viele Gespräche mit unseren Kunstliebhabern über ihre Sammlung beginnen mit den Worten „Jedes dieser Werke hat seine eigene Geschichte…“. Das physische Erleben steht nach wie vor absolut im Vordergrund, und um das zu genießen, werden ja überhaupt Kunstwerke gekauft. Aber das Internet bietet sehr gute Kanäle und sichere Plattformen, um Kunst und neue Künstler zu entdecken und auch zu kaufen. Das wird immer stärker genutzt, auch stark befeuert durch die Pandemie-Situation. Wir gehen daher davon aus, dass die Online-Käufe auch weiter zunehmen werden.

VWheute: Wie entwickelt sich der Kunstversicherungsmarkt, wird die Konkurrenz größer, welche Trends sehen Sie?

Janna-Lena Baierle: Natürlich gibt es immer mal wieder neue Anbieter, was bei einem attraktiven Markt ein ganz normaler Umstand ist. Allerdings müssen Versicherer dafür erst weitreichendes Knowhow in diesem besonderen Markt aufbauen. Um hier Erfolg zu haben, muss man sich hervorragend auskennen und ein sehr gutes Netzwerk haben. Hiscox hat sich beides über Jahrzehnte erarbeitet und zudem sprechen sich auch positive Schadenerfahrungen in Sammlerkreisen herum, was uns hilft, jedes Jahr weiter zu wachsen.

Wir gehen diesen Markt umfassend und aus verschiedenen Perspektiven an. Letzte Woche etwa haben wir ein Webinar zu aktuellen Trends für unsere Makler gehalten. Dort ging es u.a. um die spektakulären und brachialen Raube im Bode-Museum und im Grünen Gewölbe, verbunden mit unserem Appell, Sicherheitskonzepte in Museen neu zu denken. Als Schadenverhütungs-Experten stehen wir auch unseren Privatkunden laufend beratend zur Seite, wenn es um die Identifikation von Risikopotentialen und Verbesserungsoptionen geht.

Des Weiteren haben wir uns intensiv mit der aktuellen Corona-Lage beschäftigt, die viele Museen dazu zwingt, Ausstellungen zu verlängern oder zu verschieben. Davon sind auch Privatsammler betroffen, die ihre Kunstwerke an Ausstellungshäuser verliehen haben und diese nun erst später zurückbekommen. Ein Kunstversicherer muss hier flexibel sein und auf diese Bedürfnisse sofort eingehen können, also etwa die Deckung in Bezug auf Umfang, Rahmenbedingungen und Dauer anpassen.

VWheute: Gelegentlich weichen Erwartungen und Produkt bei Onlinekäufen voneinander ab. Was macht Hiscox Art, werden solche Fälle durch die „Onlineisierung“ nicht zunehmen; braucht es einen neuen Schutz?

Janna-Lena Baierle: Wir versichern die Kunst unserer Kunden weltweit ab Kauf und oft sind auch die Transporte mit abgedeckt. Im Schadenfall sind wir dann sofort für unsere Kunden da und können auf eine sehr langjährige Erfahrung im Handling von Transportschäden zurückblicken. Wir brauchen insofern kein neues Produkt oder eine zusätzliche Deckungserweiterung. In 2019 haben 99 Prozent der Kunden die Hiscox-Schadenregulierung mit „gut“ oder „sehr gut“ bewertet, worauf wir sehr stolz sind.

VWheute: Was ist ihr persönliches Fazit zum Hiscox Online Art Trade Report 2020 – Part II und was ziehen Sie daraus für ihre Arbeit?

Janna-Lena Baierle: Als Versicherer der digitalen Welt freuen wir uns sehr über die zunehmende und nutzenbringende Digitalisierung in allen Bereichen wie z.B. den Online-Verkäufen. Wir denken vermehrt darüber nach, wie wir insbesondere die jungen, digital-affinen Kunden online immer besser ansprechen, unsere Produkte optimieren und weitere Kunden für digitale Angebote begeistern können. So haben wir dieses Jahr z.B. die ersten Bewertungen digital durchgeführt, treffen uns mit unseren Kunden und Partnern per Videochat oder haben unseren Kunstpreis online verliehen. Gleichzeitig überprüfen wir bei allen Dingen immer wieder, ob sie für unsere Kunden wirklich relevant sind und einen echten Nutzen stiften. Das ist für uns der wichtigste Gradmesser.

VWheute: Eine abschließende Frage, ohne Versicherungsbezug. Denken Sie, dass die Coronakrise sich in der Kunst niederschlagen wird?

Davon ist fest auszugehen. Zum einen beschäftigen sich viele Kunstwerke inhaltlich bereits mit dem Thema. Auch historisch lässt sich aufzeigen, dass Kunst sich gerade in Krisenzeiten immer verändert, weiterentwickelt und oft auch belebt hat. Insgesamt ist die Kunstwelt weltweit ungemein lebendig und spannend und das wird wohl immer so bleiben, auch abgesehen von Krisen.

Viele Künstler durchleben aktuell ohne Frage eine schwierige Zeit. Doch ist es ein Segen, dass es dank digitaler Tools und Plattformen wegen geschlossener Galerien etc. der Kunstmarkt nicht etwa zum Stillstand gekommen ist, sondern Online-Käufe sehr gut angenommen werden. Auch für junge, begabte Künstler bieten Netzwerke wie Instagram eine tolle und kostenlose Möglichkeit, sich zu vernetzen, ihre Werke zu zeigen und sogar direkt zu verkaufen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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